Köln – Die Bürgerinitiative Klimawende Köln hatte Stadt und Rheinenergie ordentlich in Zugzwang gebracht. Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, dass der Versorger im Besitz der Stadt ab 2030 klimaneutral wirtschaften soll, hatte sie ein Bürgerbegehren gestartet – und mehr als die dafür erforderlichen Unterschriften gesammelt. Die Rheinenergie hielt das bislang erst ab 2040 für möglich, momentan liegt der Anteil des Ökostroms bei knapp sechs Prozent. Als Stichtag für das Bürgerbegehren war der Sonntag der Bundestagswahl im Gespräch, gut möglich, dass die Initiative durchgekommen wäre. Dann, so Rheinenergie-Chef Dieter Steinkamp im Rundschau-Interview, ginge die Rheinenergie „in Insolvenz“ und werde „zerschlagen“.
Hinter den Kulissen wurde lange um einen Kompromiss gerungen. Und den hat man nun gefunden: In einem von den Grünen angestoßenen Mediationsverfahren einigten sich Rheinenergie und Klimawende Köln unter Vermittlung der Stadt auf die goldene Mitte. Spätestens 2035 soll die Rheinenergie die „Dekarbonisierung“ abgeschlossen haben. Was nichts anderes heißt, als dass ab diesem Zeitpunkt Strom und Wärme klimaneutral produziert werden sollen. Theoretisch möglich wäre eine Dekarbonisierung auch durch die Abscheidung von Kohlendioxid in fossilen Kraftwerken mit anschließender Verpressung in tiefe Bodenschichten, davon ist bislang aber keine Rede.
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Die Klimaschutz-Roadmap der Rheinenergie wird also angepasst werden müssen. Darin war bislang festgehalten, bis 2025 das Wasser klimaneutral zur Verfügung zu stellen, 2030 den Strom und 2040 die vollständige Dekarbonisierung abgeschlossen zu haben. Im Gegenzug wird Klimawende Köln das Bürgerbegehren derzeit nicht in den Rat einbringen, so dass ein möglicher Bürgerentscheid zeitgleich mit der Bundestagswahl ausgeschlossen ist.
Szenarien für eine schnellere Umsetzung entwickelt
Die Stadt hatte den Vermittlungsprozess organisiert und begleitet, mit der Vermittlung wurde der wissenschaftliche Geschäftsführer des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie, Professor Manfred Fischedick, beauftragt. Dabei wurden in den letzten Monaten die bisherigen und die geplanten Klimaschutzaktivitäten der Rheinenergie analysiert und Szenarien entwickelt, wie sich der Weg zu einer klimaneutralen Energieversorgung beschleunigen ließe, abhängig von den politischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen natürlich.
Stimmen zum Kompromiss
Henriette Reker, Oberbürgermeisterin
„Ich freue mich sehr, dass dieser Kompromiss erzielt werden konnte und wir eine Basis haben, die es nun gilt, in die Tat umzusetzen. Dies ist eine große Chance für Köln und ich hoffe, dass dabei ein starkes Bündnis aus Rat, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft entsteht.“
Dieter Steinkamp, Vorstandschef Rheinenergie
„Wir übernehmen in vorderster Reihe unternehmerische und gesellschaftliche Verantwortung für den Klimaschutz in Köln. Wir werden den Umbau weiter konsequent angehen und immer wieder beschleunigen, sobald der energiewirtschaftliche Rahmen es erlaubt.“
Tim Petzoldt, Klimawende Köln
„Wir zeigen einen konkreten Weg auf, wie wir gemeinsam mit der Rheinenergie und der Stadt die Dekarbonisierung nicht nur von Strom, sondern auch von Wärme bis 2035 erreichen. Uns ist es wichtig, dass die Energiewende in Köln jetzt deutlich beschleunigt wird.“
Manfred Fischedick, Wuppertal Institut
„Rheinenergie, Klimawende und Stadt machen sich unumkehrbar auf den Weg zur vollständigen Dekarbonisierung, die 2035 abgeschlossen sein soll. Der klare Fokus und der Umsetzungsfahrplan setzen ein starkes Zeichen für Klimaschutz auf regionaler Ebene.“
Und es wurde nicht nur die Stromversorgung in den Fokus genommen, sondern die gesamte Strom- und Wärmeversorgung der Rheinenergie in Köln und bundesweit. Die Rheinenergie ist beispielsweise unter anderem mit knapp unter 50 Prozent am Steinkohlekraftwerk Rostock beteiligt.
Die Dekarbonisierung soll über konkrete Maßnahmen erfolgen, deren Umsetzung „abhängig ist von der energiewirtschaftlichen Entwicklung“. Der Umbau zu einer CO2-freien Versorgung betreffe den bundesweiten Ausbau der erneuerbaren Energien einschließlich einer Solaroffensive in Köln, die zügige Umstellung auf regenerativen Strom für die Kundinnen und Kunden sowie die Umgestaltung der Heizkraftwerke und Wärmenetze. Für die Umsetzung wurde ein jährliches Monitoring vereinbart. Die Stadtverwaltung soll nun auf der Grundlage dieser Ergebnisse bis Ende des Jahres entsprechende Vorlagen in den Rat einzubringen. Wenn die Ratsbeschlüssen zielführend sind, werde Klimawende Köln auf das Bürgerbegehren „abschließend verzichten“.
Kommentar: Es gibt nur Sieger
von Stefan Sommer
Das Bürgerbegehren ist so gut wie vom Tisch, die Rheinenergie beschleunigt ihre Trendwende hin zum Ökostrom um immerhin fünf Jahre – kein Wunder, dass sich nun alle nur als Sieger fühlen.
Zweifellos hat die Initiative Klimawende dem Energieunternehmen ordentlich Beine gemacht. Gut so, Köln ist, was die Hinwendung zu mehr Klimaschutz angeht, nicht gerade an der Spitze der Bewegung. Es muss aber auch als Erfolg gewertet werden, dass die Rheinenergie nun diese Klimawende unter Bedingungen vollziehen kann, die ihr auf einem umkämpften Markt weiterhin wirtschaftliches Arbeiten ermöglicht. Schließlich finanziert sie mit ihren Erlösen KVB oder Bäder mit und spendiert dem Haushalt der Stadt Jahr für Jahr Millionen.
Am wichtigsten ist aber, dass die im Kompromiss festgeschriebenen Ziele auch umgesetzt werden. Nur dann gewinnt nämlich das Klima.
koeln@kr-redaktion.de