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Körperverletzung„Kann dem Kind ja nicht den Mund zuhalten!“

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Symbolbild

Köln – Der 61-Jährige mit dem ergrauten Bürstenhaarschnitt versteht die Welt nicht mehr. Als Zeuge sollte er vor Gericht aussagen. Die Ladung zieht er immer wieder hervor. „Strafsache wegen Körperverletzung“, steht dort ganz deutlich. Angeklagt war eine Hausfrau und Mutter (24), die er im September 2013 angezeigt hatte. Nun wurde das Verfahren gegen sie nach einer kurzen Verhandlung eingestellt – ohne, dass er als Opferzeuge gehört wurde.

Die Angeklagte habe an dem fraglichen Tag einen Busfahrer als „Penner“ beleidigt, ihm den Mittelfinger gezeigt und ihn angespuckt, trug die Staatsanwältin vor. Anders als in der Zeugenladung war in der Anklage keine Rede von Körperverletzung. Die junge Mutter bestritt, gespuckt zu haben, gestand die Beleidigungen ein und schilderte wortreich, was sie dazu bewogen hatte: „Mein Sohn hat gesungen. Dem Busfahrer hat das nicht gepasst. Ich habe gesagt: Ich kann dem Kind ja nicht den Mund zuhalten! Da hat er dann einen blöden Spruch von wegen ,junge Mutter' gemacht.“

Die Richterin wies die Angeklagte darauf hin, dass sie doch schon vor der Verhandlung angeboten habe, das Verfahren gegen Zahlung einer Geldauflage einzustellen. Die Alternative sei eine Verurteilung mit Eintrag ins Bundeszentralregister. Die 24-Jährige, die das zunächst abgelehnt hatte, stimmte nun doch zu. Sobald sie 300 Euro gezahlt hat, wird das Verfahren eingestellt.

Was der Busfahrer zur Sache zu sagen gehabt hätte, klang ganz anders: „Sie hat mir zweimal ins Gesicht geschlagen und mir dann noch mitten ins Gesicht gespuckt.“ Anschließend sei er für mehrere Tage krank geschrieben worden und nehme seither Tabletten gegen Bluthochdruck, sagte der 61-Jährige. Das Kind habe nicht gesungen, sondern immer wieder mit lautem Scheppern eine bewegliche Armlehne fallen lassen.

Bei sich trägt der Fahrer einen Flyer des Landesjustizministeriums. Unter dem Titel „2-in-1“ erklärt er die Möglichkeiten für Opfer, im Strafprozess Schmerzensgeld zu beanspruchen. „Eine mündliche Antragstellung ist noch in der Hauptverhandlung möglich“, heißt es da. Gelegenheit dazu erhielt der fünffache Großvater nicht. Sein Fazit: „Als Busfahrer kann man nur den Mund halten.“