Anna Genser tritt Amt anKölns neue „Fahrradbürgermeisterin“ über ihre Ziele

Lesezeit 4 Minuten
Kölns „Fahrradbürgermeisterin“ Anna Genser mit ihrem Vorgänger Reinhold Goss.

Kölns „Fahrradbürgermeisterin“ Anna Genser mit ihrem Vorgänger Reinhold Goss.

In ihrer zweijährigen Amtszeit nimmt sie sich vor, ihre Engagements um Kindermobilität und die Einrichtung von Schulstraßen voranzutreiben.

Kölns erster „Fahrradbürgermeister“ Reinhold Goss (59) hat nach dreieinhalb Jahren sein Amt übergeben. Mitte Juni trat Anna Genser (43) seine Nachfolge an. Der Ehrentitel „Bicycle Mayor“ wird seit 2016 vom internationalen Fahrrad-Netzwerk BYCS aus Amsterdam verliehen. Inzwischen gibt es mehr als 100 „Fahrradbürgermeister“ in über 30 Ländern. Sie sollen der Verkehrswende ein Gesicht geben und dabei helfen, den Ausbau des Radverkehrs in Städten zu beschleunigen.

Kölns erster „Fahrradbürgermeister“ Reinhold Goss übergibt Amt an Anna Genser

Goss ist Mitbegründer der Initiative #RingFrei, die in Köln eine durchgängige Fahrradspur auf den Ringen von der Bastei bis zum Rheinauhafen durchgesetzt hat. Inzwischen fehlen nur noch ein paar Teilstücke am Ubierring, am Barbarossaplatz, Am Kümpchenshof und am Ebertplatz. „Diese Lücken müssen jetzt zügig geschlossen werden, um die verbliebenen Gefahrenstellen zu entschärfen“, fordert Goss.

Das Projekt #RingFrei, für das auch Tempo 30 auf den Ringen eingeführt wurde, sieht er als großen Gewinn für die Stadt. „Die Unfallzahlen sind extrem zurückgegangen. Radfahren ist viel sicherer geworden, Fußgänger haben mehr Platz, und der Autoverkehr fließt nicht schlechter als vorher. Es funktioniert sehr gut für alle Beteiligten.“

Für sichere Radwege für Kinder wird in Köln regelmäßig auf der Fahrrad-Demo „Kidical Mass“ demonstriert.

Für sichere Radwege für Kinder wird in Köln regelmäßig auf der Fahrrad-Demo „Kidical Mass“ demonstriert.

In den vergangenen Jahren habe sich in Köln für Radfahrer eine Menge getan, konstatiert Goss. „Das muss man auch wirklich lobend betonen. Es ist längst nicht mehr so schlimm wie früher, dass man sagen könnte: Ach, alles nur Fragmente.“ Trotzdem gebe es in Köln weiterhin viele gefährliche Stellen, dort müsse man „ein robuster Radfahrer sein, hellwach und manchmal auch Glück haben“.

Köln: Mehr sichere Radwege müssen her

Das könne sie bestätigen, sagt Anna Genser, die alle Einkäufe mit ihrem Lastenrad samt Anhänger erledigt und außerdem Hollandrad fährt. Sie hat schon einige Beinahunfälle mit Kraftfahrzeugen erlebt – meist weil deren Fahrer beim Rechtsabbiegen nicht aufgepasst haben. „Noch müssen die Bürger mutig sein. Die Politik könnte es aber auch mal sein. Wir brauchen viel mehr sichere Radwege, das erfordert mutige Entscheidungen“, erklärt Genser. Die Mutter von drei Kindern (4, 7 und 10) engagiert sich seit zehn Jahren im Bereich Kindermobilität, ist Teil des Organisationsteams der Kinder-Fahrraddemo „Kidical Mass“ und kämpft für die Einrichtung von Schulstraßen, also die Sperrung von Straßen vor Schulen für Autos zum Beginn und Ende des Unterrichts.

Diese Herzensangelegenheiten will sie als Fahrradbürgermeisterin weiter vorantreiben. „Ich finde, dass alle Kinder in der Stadt sicher Fahrrad fahren können sollten, wenn sie die Grundschule verlassen. Und davon sind wir in Köln noch weit entfernt“, sagt Genser. Sie erlebe, dass es in jeder 4. Klasse ein bis mehrere Kinder gebe, die nicht Fahrrad fahren können. „Das ist für mich ein Armutszeugnis. Zusammen mit Schwimmen ist das ein Grundrecht, das jedem Kind mitgegeben werden sollte.“

Kinder sollten unabhängig mobil sein und nicht darauf angewiesen, dass Erwachsene sie mit dem Auto zur Schule, zum Sport oder zu Freunden fahren.
Anna Genser, Fahrradbürgermeisterin Köln

Sie wolle mit Schulen zusammenarbeiten, um mehr Kinder aufs Fahrrad zu bringen. Auch in Familien, in denen Fahrräder keine Rolle spielen. „Kinder sollten meiner Meinung nach unabhängig mobil sein und nicht darauf angewiesen, dass Erwachsene sie mit dem Auto zur Schule, zum Sport oder zu Freunden fahren.“ Das mache die Kinder nicht nur selbstständiger, die Bewegung fördere auch ihre Gesundheit. Seit einem Jahr engagiert sich Genser im Projekt „Fahrradbus“, bei dem mehrere Erwachsene gemeinsam mit Kindern mit dem Rad zur Schule fahren und unterwegs verschiedene „Haltestellen“ ansteuern, wo weitere Kinder dazu stoßen. „Zuletzt hatten wir 100 Teilnehmer. Für das nächste Schuljahr ist auch schon ein spezielles Lastenrad organisiert worden, so dass auch die Kinder im Rollstuhl mit dem Fahrradbus zur Schule fahren können. Die Lehrer berichten, wenn die Kinder mit dem Rad zur Schule fahren, läuft der Unterricht viel entspannter.“

Lkw-Fahrer und Autofahrer „stärker sensibilisieren“

Voraussetzung dafür seien sichere Fahrradwege. „In Köln muss man als Radfahrer die ganze Zeit mit 100-prozentiger Aufmerksamkeit unterwegs sein. Die Infrastruktur ist bei weitem noch nicht so weit, dass man immer total entspannt fahren kann, gerade wenn man mit Kindern unterwegs ist“, betont Genser. Wichtig sei aber auch, Lkw-Fahrer und Autofahrer stärker mitzunehmen. „Wir müssen sie stärker dafür sensibilisieren, welche Verantwortung sie im Straßenverkehr in der Stadt tragen.“

Dass es sowohl auf der Straße als auch in den sozialen Medien oft zu Aggressionen zwischen Autofahrern und Radfahrern kommt, betrachtet sie mit Sorge. „Mehr Gelassenheit und Miteinander im Straßenverkehr wären wünschenswert.“

Radfahren ist viel sicherer, Fußgänger haben mehr Platz, und der Autoverkehr fließt nicht schlechter als vorher. Es funktioniert sehr gut für alle Beteiligten.
Reinhold Goss über das Projekt #RingFrei

Dabei helfe auch eine bessere Infrastruktur, die die Verkehrssituation klarer mache – wie auf den Ringen. „Für Autofahrer ist es manchmal wirklich schwer richtig einzuschätzen, wer Vorfahrt hat.“ Gefährlich werde es aber auch, wenn Autofahrer Radfahrer verbotswidrig mit weniger als dem vorgeschriebenen Mindestabstand von 1,50 Meter überholen. „Wir appellieren immer an die Autoverbände, die ja sehr gerne Leuchtwesten an Schulkinder verteilen, dass sie auch mal ihre Mitglieder in diese Richtung informieren und sensibilisieren könnten. Im Endeffekt will ja niemand, dass irgendwem etwas passiert. Niemand will jemanden verletzen oder gar zu Tode fahren.“

Für ihre zunächst zweijährige Amtszeit hat sich Anna Genser ein weiteres konkretes Ziel vorgenommen: „Momentan haben wir vier Schulstraßen in Köln. Ich will das Kidical Mass Team dabei unterstützen, dass in zwei Jahren an den rund 30 Schulen, die bereits Schulstraßen im Rahmen von Kidical-Mass-Aktionswochen getestet haben, diese dauerhaft eingerichtet sind.“