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Kosten ohne Anpassung nicht mehr tragbarKölner Tageseltern demonstrieren weiter für Erhöhung der Betreuungspauschalen

Lesezeit 4 Minuten
Eine Tagesmutter zieht einen Bollerwagen mit Kindern zusammen mit einem Kind, links läuft eine Tagesmutter mit einem Kind auf ihrem Arm.

Ein wesentlicher Faktor für die gesetzlich verankerte U3-Betreuung ist die Kindertagespflege. Doch die rechnet sich für viele Betreuende nicht mehr.

Seit November 2022 machen die Kölner Tagespflegepersonen stetig auf ihre wirtschaftliche Lage aufmerksam.

Fünf Kleinkinder unter drei Jahren betreut Kirsten Wüpping im Erdgeschoss ihres Reihenhauses in Vogelsang, ihr kleiner Garten ist ein zusätzlicher Spielbereich. Sie liebt ihre Arbeit, bietet den Eltern eine 36-Stunden-Betreuung in Wohnortnähe an. „Das überschaubare Umfeld und die Kleingruppenstruktur, das ist gut für Kinder dieses Alters“, sagt die 45-Jährige, die seit 2013 als Tagespflegeperson arbeitet. Und große Sorgen hat, ob sie ihr Angebot in Zukunft aufrechterhalten kann.

Seit November 2022 machen die Kölner Tagespflegepersonen stetig auf ihre wirtschaftliche Lage aufmerksam, zuletzt Mitte März mit einer Demonstration vor dem Rathaus, in dem der Jugendhilfeausschuss tagte. Der Grund: Die Pauschalen der Stadt für die Betreuungsleistung und die Sachkosten sind teils seit 2013 nicht mehr erhöht worden.

Mit einer durch den Stärkungspakt NRW finanzierten Einmalzahlung sollten die krisenbedingte Steigerung der Sachkosten aufgefangen werden; wer zu Hause betreut, erhielt im Jahr 2023 im Schnitt 1730 Euro, bei einer Betreuung in gemietet Räumen wurden rund 3130 Euro ausgezahlt. Das decke die in den vergangenen Jahren stetig gestiegenen Kosten für Miete, Nebenkosten, Energie und sonstige Lebenshaltung nicht annähernd ab, so der Verein Kölner Kindertagespflege. Die Folge: Seit 2021 ist die Zahl der Tagespflegepersonen in Köln von 936 auf 866 (in 2023) gesunken. Experten wie der langjährige Leiter des Deutschen Jungendinstitutes, Thomas Rauschenbach, rechnen damit, dass sich diese Entwicklung noch verschärfen wird (siehe Infokasten).

Ich habe die Reißleine gezogen, bevor ich mich massiv verschulde
Bülent Erdogan, Tagesvater, der aufgeben musste

Einer, der aufgeben musste, ist Tagesvater Bülent Erdogan. Er hatte mit Kollegen eine Großtagespflege angeboten und dort neun Kinder betreut. „Ich habe diese Arbeit sehr gerne gemacht“, sagt der 49-jährige Familienvater und Journalist. „Wir haben versucht, unsere persönlichen Mietkosten zu reduzieren und eine billigere Wohnung zu finden, um weiter mit der Vergütung klarzukommen. Aber das ist uns in Köln nicht gelungen.“ Heute arbeite der Politikwissenschaftler als Referent bei einer Krankenkasse. „Ich habe die Reißleine gezogen, bevor ich mich massiv verschulde. Auch so werde ich sicher zwei Jahre brauchen, um meine finanziellen Defizite wieder auszugleichen.“ Besonders schwer wiegt für ihn auch, dass für die Rentenberechnung nur die Geldleistung für die Betreuung, also 3,61 Euro pro Kind und Stunde, angerechnet wird. Der Sachkostenzuschuss von 1,73 Euro und der Mietkostenzuschuss von einem Euro blieben da außen vor. „Deshalb rutschen Menschen, die lange in der Tagespflege arbeiten, unweigerlich in die Altersarmut“, so Erdogan.

Wer seine Kindergruppe zu Hause betreut, erhält brutto dafür 5,34 Euro pro Kind und Stunde, wer in angemieteten Räumen betreut, erhält 6,34 Euro. Dazu übernimmt die Stadt die Hälfte der Sozialversicherungskosten. „Mit einem Ratsbeschluss 2011 wurden unsere Betreuungspauschalen gedeckelt, und das ist auch richtig, denn so sind die Kosten für alle Eltern gleich“, sagt Kerstin Wüpping. Damals wurden 3,50 Euro pro Kind und Stunde festgeschrieben. Bis heute ist der Satz lediglich um 11 Cent auf 3,61 Euro gestiegen. Zudem seien seit 2013 der Sachkostenbeitrag und seit 2015 der Mietzuschuss nicht erhöht worden. Deshalb fordert der Verein Kölner Kindertagspflege die Anhebung der Betreuungspauschale auf 7,50 Euro bei häuslicher und auf 8,80 Euro bei Betreuung in gemieteten Räumen.

Bekomme ich die gleiche Vergütung wie Berufsanfängerinnen
Alice Birkenfels, die eine Ausbildung zur Grundschullehrerin absolviert hat

„Anders als in anderen pädagogischen Berufsfeldern steigt die Vergütung nicht mit der Dauer der Berufsausübung“, erläutert Alice Birkenfels, die eine Ausbildung zur Grundschullehrerin absolviert hat. „Ich arbeite seit 19 Jahren in der Kindertagespflege, habe 74 Qualifizierungsmaßnahmen gemacht. Trotzdem bekomme ich die gleiche Vergütung wie Berufsanfängerinnen.“ Die 55-Jährige kritisiert auch, dass es in Köln keine Satzung für die Kindertagespflege gebe, in der etwa Stufen der Steigerung festgehalten würden. „Eine solche Satzung gibt es in allen größeren Städten außer Köln und Frankfurt.“

Weil es die einzige Möglichkeit sei, von der Vergütung zu leben, würden in immer mehr Tagespflegen neun Kinder und eine 45-Stunden-Betreuung angeboten, so Bülent Erdogan „Aber eine so lange Betreuungszeit ist nicht für jedes Kind richtig und pädagogisch sinnvoll.“

Eine Erhöhung der Leistungen müsste in den Abstimmungen zur Aufstellung des Haushaltsplanentwurfes berücksichtigt werden, teilte die Stadt mit. Die Entscheidung darüber treffe letztendlich der Rat.


Mehr Ältere

Für rund 300 Kleinkinder weniger als 2021 gab es in Kölner Tagespflegeeinrichtungen 2023 einen Platz. Binnen zweier Jahre gab es 70 Tagespflegepersonen weniger.

Immer größer wird bundesweit der Anteil der Tagespflegepersonen, die 60 Jahre und älter sind. Ihr Ausscheiden werde schwer zu kompensieren sein, da immer weniger Jüngere nachrückten, so eine Erhebung der TH Dortmund. (bos)