Die elektronische Patientenakte wird automatisch für gesetzlich Versicherte erstellt und ermöglicht Ärzten schnellen Zugriff auf Patienteninformationen.
Einführung der elektronischen PatientenakteKölner Praxen testen das neue System
Ein Patient wird im Nachtdienst bewusstlos in die Ambulanz eingeliefert. Welche Medikamente nimmt er? Ist die Veränderung an seinem Herzrhythmus bereits bekannt? Solche Fragen ließen Dr. Oliver Pottkämper schon vor Jahren von einer elektronischen Patientenakte träumen. Bei seiner damaligen Arbeit im Porzer Krankenhaus habe er viele wertvolle Stunden damit verbringen müssen, Befunden hinterher zu telefonieren oder dutzende Medikamente pro Patient in Akten zu vermerken.
Das alles soll in Zukunft einfacher werden. Die „elektronische Patientenakte für alle“(ePA) startet am heutigen Mittwoch in ihre Einführungsphase. Zu den Modellregionen gehören Hamburg, Franken und NRW. Unter den drei teilnehmenden Kölner Praxen ist auch die von Dr. Pottkämper in Brück. Er ist Allgemeinmediziner mit einem Schwerpunkt auf Sportmedizin und Mannschaftsarzt der Kölner Haie sowie von Victoria Köln.
In der ePA können Befunde, Arztberichte und Medikamentenlisten gespeichert werden. Mit einem Klick sind sie für berechtigte Ärzte abrufbar. „Aus meiner Sicht ist das ein Riesen-Mehrwert“, sagt Pottkämper. Auch weil dadurch überflüssige Behandlungen ausbleiben können: „Das habe ich im Krankenhausalltag und auch in meiner eigenen Praxis nicht selten mitbekommen. Zum Teil werden bestimmte Untersuchungen doppelt gemacht, weil das Aufsuchen der alten Akten vielleicht zu lange dauert.“
Gewinnbringend sei die ePA auch, weil durch sie anonymisierte Daten an das Forschungsdatenzentrum (FDZ) weitergeleitet werden, sofern dem nicht widersprochen wird. „Das ist für die Medizin unfassbar wertvoll.“
Beim Arztbesuch ändert sich nicht viel
Die ePA gibt es genau genommen schon seit 2021. Patienten mussten sie bisher bei den Krankenkassen anfragen. Das habe aber kaum jemand gemacht, erklärt Pottkämper. Nun wird sie gesetzlich Versicherten automatisch erstellt. Beim nächsten Besuch in der Praxis ändere sich für seine Patienten aber nicht viel. Wie immer, muss beim Einchecken die Gesundheitskarte am Tresen abgegeben werden. Damit bekommt Dr. Pottkämper Zugriff auf die Gesundheitsdaten. Zu Beginn werden die Akten noch leer sein. Was eingetragen wird, entscheidet der Patient mit. Während der Behandlung darf man widersprechen, wenn eine Speicherung bestimmter Daten nicht gewünscht ist. Den ersten Tag der „ePA für alle“ in seiner Praxis prophezeit der Mediziner deshalb als unspektakulär.
Teilweise „kryptisch und frustrierend“ nennt er jedoch den Weg für diejenigen, die ihre ePA selbst einsehen und verwalten wollen. Das funktioniert über Apps der Krankenkassen und eine doppelte Verifikation (siehe Kasten). Dort können Daten selbst hochgeladen, gelöscht und für bestimmte Ärzte gesperrt werden. „Da sehe ich ein sehr großes Problem. Um diese App nutzen zu können, muss man – Stand jetzt – wirklich technikaffin sein.“
Die gesetzlichen Krankenkassen spielen bei der ePA eine große Rolle. Sie sind gesetzlich verpflichtet darüber zu informieren. Seit dem Frühherbst habe man alle Versicherten angeschrieben, teilt ein Sprecher der Landesvertretung NRW der Techniker mit. Auch hier scheint man mit dem Log-In-Prozess nicht ganz zufrieden zu sein. „Wir würden uns wünschen, dass wir für den Identifikationsprozess wieder das Video-Ident Verfahren einsetzen könnten, wie es in anderen Bereichen der öffentlichen Verwaltung oder im Bankensektor üblich ist. Damit würde das Verfahren deutlich praktikabler.“
Nach Ende der Einführungsphase soll zwischen Februar und April die ePA bundesweit in Praxen genutzt werden, so Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Mit über 70 Millionen E-Akten werde dann gerechnet. Dr. Pottkämper glaubt jedoch, dass es durchaus länger dauern könnte, bis die Akte auch tatsächlich weitläufig von Ärzten genutzt wird. „Die medizinischen Mühlen mahlen sehr, sehr langsam. Wir reden davon, dass das Fax noch Standard ist.“ Hinter der Digitalisierung einer Praxis stecke immer ein aufwendiger und zeitintensiver Prozess. Er selbst sei technikaffin und habe sich zusätzlich ein Unternehmen zur Hilfe genommen. Praxen von älteren Kolleginnen und Kollegen dürften deshalb vor größeren Herausforderungen stehen. Der Mediziner sei nun gespannt, wie gut das System funktioniert und ob es auch große Daten wie ein MRT-Bild speichern kann.
Lauterbach zu Besuch
In den kommenden Tagen stellt Dr. Pottkämper sich auf allerlei Fragen seiner Paienten zur ePA ein, auch zum Thema Datenschutz. Unter anderem der Chaos Computer Club (CCC), eine Gruppe von digitalen Sicherheitsforschern, hatten große Bedenken angemeldet. „Die Daten der Bürger sind sicher vor Hackern“, sagte Lauterbach hinsichtlich dessen vergangene Woche in der Praxis von Dr. Pottkämper. Dort demonstrierte er die Nutzung der ePA. Nur noch „technische Kleinigkeiten“ müssten vor dem bundesweiten Start behoben werden, dazu sei man auch mit dem CCC im Austausch.
„Mich hat begeistert, dass Herr Lauterbach gesagt hat, die ePA gehe erst offiziell an den Start, wenn es keine Risiken und Fragen mehr gibt“, sagt Dr. Pottkämper. Denen, die aktuell noch Bedenken haben, empfehle er, ihre ePA erst nach der Testphase zu füllen. Datenschutz sei wichtig, als Mediziner habe er aber vor allem die Gesundheit der Menschen im Sinn. Behandlungen können laut dem Mediziner durch die ePA viel effizienter werden. „Wenn nur ein Leben gerettet werden kann, relativiert das für mich auch ein potenzielles Datenleck.“
Infos zur Nutzung auf einen Blick:
Muss ich die ePA benutzen?
Gesetzliche Krankenkassen erstellen ab heute für alle ihre Versicherten automatisch eine ePA. Ihre Nutzung ist aber freiwillig. Wer keine ePA will, muss bei seiner Krankenkasse widersprechen. Das ist jederzeit möglich, auch nachdem man die ePA schon genutzt hat.
Wie kann ich meine ePA verwalten?
Erstmal ist die Einsicht nur über Apps der Krankenkassen für Smartphones und Tablets möglich. Zukünftig soll das aber auch über einen stationären Computer möglich sein.
Wie logge ich mich ein?
Es gibt drei Wege sich in der App einzuloggen.
1. Mit Krankenkassenkarte: Dafür hält man die Karte an das Handy und gibt dann die PIN der Karte ein.
2. Mit der GesundheitsID, die Versicherte von der Krankenkasse bekommen.
3. Mit dem Personalausweis: Dafür muss der Ausweis die eID-Funktion haben. Zum einloggen hält man ihn ans Handy und gibt dann die PIN des Ausweises ein.
Wie regle ich den Zugriff auf meine Daten?
Bei der Behandlung darf man stets der Speicherung von Daten auf der ePA widersprechen. Zudem kann auf der App geregelt werden, wer welche Daten und Dokumente sehen darf.
Kann ich Vertreter bestimmen?
Ja, wer die ePA-App nicht selbst nutzen kann, kann bei seiner Krankenkasse bis zu fünf Vertreter bestimmen. Diese können dann mit einer eigenen App auf die ePA zugreifen. So bestimmen auch Eltern über die Akten ihrer Kinder.
Bekommen Kinder eine ePA?
Auch Kinder und Jugendliche bekommen automatisch eine ePA. Bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres entscheiden Sorgeberechtigte über die Akte und können diese auch einsehen. (lig)
Alle weiteren Infos zur elektronischen Patientenakte gibt es bei den neu eingerichteten Ombudsstellen der Krankenkassen oder ihren Kundenservice-Stellen.