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Kölner Pflegepersonal entlastenPfleger bekommen Hilfe durch Serviceassistenten

Lesezeit 4 Minuten

Pflegerinnen verzweifelt gesucht: Bewerber können sich die Stellen mittlerweile aussuchen.

Köln – Die einen haben Kunden, die anderen Patienten. Jessica van der Stichele spricht von Gästen. Denen teilt sie in den städtischen Kliniken demnächst das Essen aus. So hat das Pflegepersonal mehr Zeit für Patienten. Und Jessica van der Stichele wird bei der Agentur für Arbeit nicht zur Kundin.

Sechs Jahre hat die heute 39-Jährige in der Wäscherei der Kliniken Köln gearbeitet. Die wird geschlossen. Ihre Mitarbeiter möchten die Kliniken aber halten: Mit Unterstützung der Agentur für Arbeit qualifizieren sie 46 Frauen und Männer zwei Jahre lang zur „Fachkraft im Gastgewerbe“.

Sie habe mit 19 Jahren ihre Tochter bekommen, immer viel gearbeitet, aber nie einen Abschluss gemacht, erzählt van der Stichele. „Und jetzt mache ich eine Ausbildung mit fast 40!“ Das lohne sich, denn trotz aller praktischen Erfahrung lerne sie viel dazu. „Und ich sehe auf den Stationen, dass die Pflegekräfte Unterstützung brauchen.“

Denn die leiden unter dem Fachkräftemangel in der Pflege. Mittlerweile gibt es doppelt so viele offene Stellen wie Bewerber – zumindest, was die bei der Agentur für Arbeit vorliegenden Zahlen angeht. Der tatsächliche Bedarf kann durchaus noch größer sein: „Viele Einrichtungen melden ihre Stellen gar nicht bei uns, weil wir ja eh niemanden vermitteln können“, sagt Johannes Klapper, Chef der Agentur für Arbeit in Köln. 75 Fachkräfte der Gesundheits- und Krankheitspflege waren im Schnitt des Jahres 2018 arbeitslos gemeldet – das sei so gut wie nichts.

Es fehlen Pflegekräfte

In den Kölner Kliniken in Merheim, Holweide und an der Amsterdamer Straße arbeiten rund 1500 Pflegekräfte – es müssten mehr sein. Ohne den Einsatz von Zeitarbeitskräften „könnten wir manche Stationen gar nicht betreiben“, sagt Geschäftsführer Holger Baumann. Allein in Merheim fehle das Pflegepersonal für vier Stationen. Dafür sieht er auch hausgemachte Gründe: „In der Vergangenheit war der Kostendruck zu stark“, das heißt, freie Stellen wurden nicht wieder besetzt. Jetzt sei es aber einfach schwer, Bewerber zu finden.

Die Kliniken reagieren, indem sie 2020 einen zusätzlichen Ausbildungskurs für 25 Teilnehmer einrichten, aber auch das helfe nicht viel: „Die Leute gehen uns abhanden auf dem Weg zum Studium.“ Viele machten die Ausbildung in der Krankenpflege, um anschließend doch noch Medizin zu studieren. „Die Bezahlung ist nicht attraktiv, und die Dienstzeiten sind nicht attraktiv“, warum sollten sie also in dem Beruf bleiben?

„Die Lust daran, Menschen zu helfen“, nennt Intensiv-Pfleger Philipp Hagemann als Hauptmotivation. Geld spiele weniger eine Rolle als Zeit. Hier sollen Jessica van der Stichele und ihre Kollegen demnächst helfen: Indem sie ihm als Serviceassistenten Arbeiten abnehmen, die nicht zur Pflege gehören.

Auch die ambulante Pflege braucht Fachkräfte: Die Caritas-Sozialstation Chorweiler lädt für Samstag, 6. Juli, von 10 bis 15 Uhr zum Infotag. Bei Fruchtcocktails, Obst und Kölsch können sich Interessenten bei Mitarbeitern und Leiterin Barbara Esser informieren.

Fehlerkorrekturen sorgen für steigende Arbeitslosenzahlen

Mehr Kölner, die eine Arbeit gefunden haben, weniger Entlassungen, mehr Stellenmeldungen – es sieht ganz gut aus auf dem Kölner Arbeitsmarkt. Und doch: Es gibt mehr Arbeitslose. Wie die Kölner Agentur für Arbeit mitteilt, stieg ihre Zahl im Vergleich zum Vormonat um 726 auf 47 053. „Grund für den Anstieg der Arbeitslosenzahlen sind Datenkorrekturen, die seit April im Jobcenter vorgenommen werden“, erklärt Johannes Klapper, Chef der Kölner Arbeitsagentur.

Eine „Qualitätsoffensive der Datenerfassung“ sorgt dafür, dass alle Datensätze herausgefiltert werden, bei denen der „Arbeitslos“-Status nicht korrekt erfasst wurde. Viele der Daten, die jetzt berichtigt werden, gehören zu Personen, die zum Beispiel an einem Qualifizierungskursus teilgenommen haben und anschließend noch nicht wieder als Arbeitslose gezählt wurden. Die Auswirkungen der Korrekturen könnten in Köln mehr als drei Prozent ausmachen, schätzt die Bundesagentur für Arbeit.

Die positive Entwicklung auf dem Kölner Arbeitsmarkt sei – abgesehen von dem statistischen Effekt – „zwar etwas verlangsamt, aber immer noch in einer guten Phase des Beschäftigungsanstiegs“, analysiert Johannes Klapper. Mehr als 2600 neue offene Stellen kamen im vergangenen Monat dazu. 3205 Menschen mussten sich arbeitslos melden – 20 weniger als im Vormonat, aber 390 mehr als im Vorjahr. Im Juni fanden 2713 Arbeitslose einen neuen Job. Das sind 99 beziehungsweise 3,8 Prozent mehr als im Mai. Kurz vor dem Start des neuen Ausbildungsjahres sind noch 2990 von 6487 gemeldeten Ausbildungsplätzen unbesetzt. (kl)