Vor der Fußball-EM wurde der Einsatzplan für das Einsatzszenario „Massenanfall von Verletzten“ komplett überarbeitet.
Kölner NotfallpläneSo bereiten sich Rettungsdienst und Kliniken auf die EM vor
Vier Wochen sind es noch bis zur Fußball-Europameisterschaft im eigenen Land. Während bei den Fans die Vorfreude auf den sportlichen Wettkampf steigt, rüsten sich Sicherheitsbehörden vor Terroranschlägen und Fangewalt. Das ist nichts Außergewöhnliches: Pläne für den Ernstfall gehören bei solchen Großereignissen immer dazu. Die Kölner Feuerwehr hat deshalb einen umfassenden Plan zusammengestellt. Während der EM soll es zu besonderen Spieltagen unter anderem eine erhöhte Personal- und Materialvorhaltung geben, um sogenannte Großschadenslagen zu bewältigen. „Hierbei unterstützen sich die Kommunen auf Landesebene untereinander“, teilt die Stadt auf Nachfrage mit.
Insbesondere die beiden Maximalversorger, Uniklinik und die städtischen Kliniken, sind in die Planungen involviert - können sie doch die größte Zahl an Patienten aufnehmen und notversorgen. An den fünf Kölner EM-Spieltagen gilt das etablierte und aktuell noch mal komplett überarbeitete MANV-Einsatzkonzept, also für einen „Massenanfall von Verletzten“. Geregelt sind darin etwa die Bearbeitung der eingehenden Notrufe, die Leitung des Einsatzes, die Anforderung von weiteren Rettungsmitteln, die Organisation der Triage oder einer Notfallseelsorge, aber auch die Benachrichtigung von übergeordneten Stellen und der Presse.
Uniklinik: Material aufgestockt
In der Kölner Uniklinik habe es bisher keine spezifischen Planungen für die EM gegeben - denn auf eine sogenannte Großschadenslage sei man immer vorbereitet, sagt Dr. Felix Kolibay, Ärztlicher Notfallkoordinator der Uniklinik. „Wir überarbeiten unsere internen Standards regelmäßig. Dabei überprüfen wir auch alle Alarmierungswege, sowohl extern als auch intern“, so Kolibay. Wichtig sei auch eine gute Materialvorhaltung: Anfang des Jahres wurde diese an der Uniklinik modernisiert und aufgestockt. Das Klinikpersonal aus den relevanten Bereichen werde regelmäßig in alle Bereiche eingewiesen. „Durch unsere Planungen sind wir gut aufgestellt.“
Wie zu erfahren war, haben die Uniklinik und die städtischen Kliniken ihre Konzepte aufeinander abgestimmt: Eine identische Einsatzplanung soll die Prozesse im Notfall vereinfachen. Materialwägen in den sogenannten Schockräumen entsprechen mittlerweile dem gleichen Standard, damit Teams der unterschiedlichen Krankenhäuser in der Notfallversorgung auch untereinander wechseln und eingesetzt werden können.
Großeinsatz nach Busunglück auf Madeira
Für den Massenanfall von Verletzten (MANV) gibt es für das Kölner Klinikpersonal in allen Häusern und den Rettungsdienst besondere Schulungen und Übungen, in denen Ausnahmesituationen trainiert werden. Sie finden jedes Jahr statt, zuletzt im November 2023.
Es gab in der Vergangenheit aber auch bereits reale Situationen, in denen sehr viele Patienten auf einmal versorgt werden mussten. Etwa nach dem Tsunami 2004 auf dem asiatischen Kontinent. Damals wurden etliche Verletzte auch nach Köln ausgeflogen. „Gerade durch die Nähe zum Flughafen Köln/Bonn ist das Krankenhaus in Merheim eine besondere Anlaufstelle: Schwerverletzte, die zu krank für den Weitertransport sind, werden hier direkt behandelt“, sagt Prof. Dr. Bertil Bouillon, Direktor der Klinik für Unfallchirurgie in Merheim.
So wie nach einem verheerenden Busunglück auf der Insel Madeira im April 2019. 29 Menschen kamen ums Leben, als ein Bus mit einer deutschen Reisegruppe verunglückte. 15 Verletzte wurden drei Tage später im MedEvac-Airbus der deutschen Luftwaffe nach Deutschland zurückgeflogen und nach Merheim gebracht. „Wir haben das auch genutzt, um solche Großlagen zu trainieren“, so Bouillon. Die Triage, also das Priorisieren der Reihenfolge, in denen Patientinnen und Patienten behandelt werden müssen, wurde in der Wagenhalle durchgeführt, wo die Rettungswagen normalerweise vorfahren. Denkbar sei dafür auch der Einsatz von Zelten. „Wir haben für den Ernstfall gute Vorbereitungen getroffen, hoffen aber natürlich, dass wir diese nie brauchen werden“, so Prof. Bouillon weiter.
Keine Urlaubssperren geplant
Im Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales in Düsseldorf soll es zudem Überlegungen gegeben haben, ob an den Tagen, an denen Köln Spielort ist, in den hiesigen Krankenhäusern eine dreifache Zahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zur ständigen Bereitschaft verpflichtet werden können. Dazu gebe es jedoch keine Ermächtigungsgrundlage, teilt das Ministerium mit. Die Akteure seien jedoch „für den temporären Bevölkerungszuwachs durch die nach Nordrhein-Westfalen kommenden Gäste sensibilisiert worden“, so eine Sprecherin.
Im Rettungsdienst sind „während der EM die Abwesenheitsquoten im Einsatzdienst abgesenkt worden, so dass verstärkt Personal zur Verfügung steht“, so eine Sprecherin der Stadt. „Die Kliniken Köln berücksichtigen bei der Dienstplangestaltung grundsätzlich anstehende Großveranstaltungen, so auch die Euro 2024“, sagt Professor Bouillon. Durch Rufbereitschaften bestehe eine große Flexibilität, kurzfristig benötigten Personalbedarf zu decken. Urlaubssperren und zusätzliche Rufdienste seien - wie auch in der Kölner Uniklinik - jedoch nicht vorgesehen.
Der Bund unterstützt bei der EM
61 Medizinische Task Forces (kurz: MTF) hält der Bund deutschlandweit zur Versorgung von Patientinnen und Patienten vor. „Im Rahmen der Uefa Euro 2024 werden die MTF-Einheiten nicht für den sanitätsdienstlichen Einsatz in den Stadien, im Umfeld des Stadiums oder auf Fanmeilen eingesetzt. Die Länder haben aber die Möglichkeit, diese als Hintergrundeinheit für den Fall einer Großschadenslage einzuplanen“, so eine Sprecherin des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK).
Deutschlandweit haben im Rahmen des Projekts „EUROMED“ die Task Forces im Vorfeld der EM ihre Einsatzabläufe geübt. In Köln habe es allerdings keine Übung gegeben, so das BBK. Zur Bereitstellung der medizinischen Ausrüstung wird auf landesweit vorgehaltene Ressourcen zurückgegriffen, teilt die Stadt Köln mit. Die Alarmierung und Bereitstellung wird von der Bezirksregierung und dem Innenministerium NRW koordiniert.