Menschen leben in den Tunneln der Städte. Fotos aus dem Krieg gegen die Ukraine zeigen die Zerbrechlichkeit des Alltags.
Zelte und Haustiere statt AlltagsgeschäfteSchau in Kölns U-Bahn-Haltestelle Neumarkt zeigt Eindrücke aus der Ukraine
Es fühlt sich an, als wäre man in zwei Parallelwelten gleichzeitig: Die Passage der U-Bahn-Station am Neumarkt ist belebt von der Geschäftigkeit des Alltags; Einzelne, die sich durch die Menschenmenge drängeln, um ihre Bahn zu erwischen oder rechtzeitig zur Arbeit zu kommen, oder Jugendliche, die in ihre Handys vertieft ihre Umgebung nicht mehr wahrzunehmen scheinen. Inmitten des Trubels singen vier Frauen mit kräftiger Stimme Lieder ihrer Heimat: der Ukraine. Neben ihnen stehen digitale Werbetafeln, auf denen Menschen zu sehen sind, die sich ebenfalls in einer U-Bahn-Station befinden. Doch dort herrscht kein reges Treiben. In diesen U-Bahn-Stationen sind reihenweise Zelte aufgestellt, Haustiere liegen auf improvisierten Betten neben U-Bahn-Waggons, und Kinder werden auf Treppenstufen unterrichtet.
Diese großformatigen Fotografien und zwölf weitere an den Bahnsteigen stammen aus den ukrainischen Städten Kiew und Charkiw. Die 2022 von professionellen Fotografen festgehaltenen Momente werden im Rahmen des Projekts „Next Station Ukraine“ auf den Werbeflächen der U-Bahn-Station gezeigt. Organisiert wird die Aktion von dem grenzübergreifenden Journalistennetzwerk „n-ost“,das auf die Zustände, die in der Ukraine nach wie vor herrschen, aufmerksam machen will. Außerdem sollen gezielt die deutschen und ukrainischen Realitäten an öffentlichen Orten wie einer U-Bahn-Station gegenübergestellt und miteinander verbunden werden. „Es ist wie ein Fenster in eine andere Realität“, sagt Projektleiter Stefan Günther.
Das Projekt riefen Günther und seine Kollegin Anastasia Anisimova letzten Herbst in Berlin ins Leben und präsentierten die Bilder seitdem schon in Berlin, Hamburg und Prag. Ebenso wie in Köln sind die Fotografien bis zum 19. November auch in vier U-Bahnstationen in Düsseldorf zu sehen. Die nächste Station soll München sein.
Um sich vor dem russischen Luftangriffen zu schützen, flohen viele Bewohnerinnen und Bewohner der Städte in die tiefgelegenen U-Bahn-Stationen. Dort verbrachten sie Stunden, Tage und in manchen Fällen sogar Monate. „Mittlerweile ist die Situation in den ukrainischen U-Bahnhöfen nicht mehr so angespannt“, sagt Günther. Weil die Luftabwehrsysteme besser geworden seien und die Menschen gelernt hätten, die Gefahrensituationen einzuschätzen, würden sie nicht mehr bei jedem Alarm in die U-Bahn-Stationen fliehen. In Kiew würden die U-Bahnen schon wieder fahren, damit die Menschen zur Arbeit gehen könnten. Die U-Bahnhöfe als Schutzräume zu nutzen, sei bis heute jedoch noch Realität.