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Not der HelferKölner Jugendämtern fehlen Plätze für gefährdete Kinder

Lesezeit 4 Minuten
Ein Mann hält ein Kind fest am Arm (gestellte Szene).

Ein Mann hält ein Kind fest am Arm (gestellte Szene).

Kölner Jugendämtern fehlen Inobhutnahme-Plätze für gefährdete Kinder wegen Fachkräftemangel und Immobilienmangel, besonders für Kinder unter 14 Jahren.

Schläge, Vernachlässigung, Missbrauch. Wenn das Kindeswohl zu Hause in Gefahr ist, muss das Jugendamt so schnell wie möglich eingreifen und das Kind in Sicherheit bringen. Doch das wird immer schwieriger. Es fehlen die sogenannten Inobhutnahmestellen.

Das ist nicht neu. Wird aber immer schlimmer. Seitdem die Rundschau im Sommer 2023 über die angespannte Situation berichtete, hat sie sich nicht entspannt. Das bestätigt die Stadt auf Nachfrage. Britta Dahm, Abteilungsleitung Bezirksjugendämter, sagte bereits vor eineinhalb Jahren: „Die Situation bei den Stellen für die Inobhutnahme und der stationären Jugendhilfe ist in der Tat das größte Problem. Da telefoniert öfter ein ganzes Team, um einen Platz zu finden“. Jugendamtsmitarbeiter berichteten, dass sie schon bis nach Bremen fahren mussten, um ein Kind unterzubringen.

Keine Fachkräfte und Immobilien: Platzzahlen bleiben gleich

Zum Ende des Jahres 2024 waren die Platzzahlen genau so wie 2023. Die Kölner Jugendämter konnten 226 Inobhutnahme-Stellen in Anspruch nehmen. Für Kinder bis 14 Jahre gab es 151, für ältere 75 Stellen. Besserung scheint nicht in Sicht. „Neben dem Fachkräftemangel besteht weiterhin ein Defizit an geeigneten Immobilien zur Schaffung neuer betriebserlaubnispflichtiger Angebote“, heißt es von Seiten der Stadt.

Zu wenig Fachkräfte im Bereich der Wohngruppen verschärfen die Situation. Hier sieht die Stadt inzwischen eine besondere Herausforderung: „Insbesondere die Weitervermittlung aus den Angeboten der Inobhutnahme in Wohngruppen stellt die Jugendämter vor Herausforderungen.“

Verschlechterung für Kinder bis 14 Jahre erwartet

Und nicht nur das. Für Kinder bis 14 Jahre wird statt der erwünschten Verbesserung eine Verschlechterung erwartet. Der Grund: Die engagierten Pflegefamilien kommen in ein Alter, in dem sie nicht mehr die Kraft für die Betreuung haben. „Für junge Kinder bis sechs Jahren nimmt zudem die Zahl der Bereitschaftspflegefamilien vor dem Hintergrund des demographischen Wandels in den kommenden Jahren ab“, prognostiziert die Stadt.

Dabei ist die Zahl der Fälle, in denen der Gefahrendienst der Bezirksjugendämter eine Kindeswohlgefährdung feststellte, weiterhin auf einem hohen Niveau. Im Jahr 2023 gab es stadtweit 578 akute Kindeswohlgefährdungen. Zum Vergleich: 2022 erfasste die amtliche Kinder- und Jugendhilfestatistik in Köln 586. Damals war das im Vergleich zu den Vorjahren ein deutlicher Anstieg.

Allgemeinen Sozialen Dienst kann Stellen nachbesetzen

Grundsätzlich kann der Verdacht auf eine Kindeswohlgefährdung rund um die Uhr gemeldet werden. Der Kinderschutz ist ein staatliches Wächteramt und muss gewährleistet werden. 45 Stellen unterhält die Stadt im Gefährdungs-Sofort-Dienst (GSD), den es in jedem der neun Bezirksjungendämter gibt. „Aktuell sind vier Stellen unbesetzt, um die Stellen zeitnah wieder zu besetzen, finden Ende Januar Auswahlrunden statt“, antwortet die Stadt auf die Frage nach der Besetzung.

Gute Nachrichten gibt es indes von der Situation im Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD). Hier hat sich die Fachkräftesituation seit dem Sommer 2023 deutlich entschärft. Damals waren rund zehn Prozent der Stellen nicht besetzt.

„Die in 2023 vakanten Stellen konnten nachbesetzt werden. Darüber hinaus wurden neue Stellen geschaffen. Im Jahr 2024 und 2025 wurden im ASD der Stadt Köln weitere 76 Stellen zugesetzt, um die Personalsituation auskömmlich zu gestalten“, teilt die Stadt auf Nachfrage mit. Von den neu geschaffenen Stellen seien aktuell 40 Stellen noch in der Neubesetzung. Die Stellen würden nun durch monatlich durchgeführte Auswahlrunden sukzessive besetzt.

Großstadtzulage von 150 Euro scheint zu wirken

Eingeführt wurde inzwischen eine Großstadtzulage in den Jugendämtern. Diese Maßnahme zur Mitarbeitergewinnung und -bindung scheint Früchte zu tragen. „Zur Personalgewinnung und zur Erhaltung des sozialpädagogischen Fachpersonals wird den Mitarbeiter*innen seit dem 1. September 2023 eine Fachkräftezulage in Höhe von 150 Euro brutto monatlich gezahlt. Diese Zahlungen sind vorerst bis zum 31. August 2025 befristet“, bestätigt die Stadt.

Die verbesserte Personalsituation hat spürbar positive Auswirkungen. Der Allgemeine Soziale Dienst in den Jugendämtern kann wieder mehr Beratung anbieten. Wegen der schwierigen Personallage hatte es zuvor eine „Standardreduzierung“ bei den Leistungen der Jugendämter gegeben. Vorrang hatte der Kinderschutz in aktuten Gefährdungslagen. Beratungen bei Trennungen, Umgangsregelungen und präventive oder unterstützende Gespräche in schwierigen Familiensituationen waren größtenteils deutlich reduziert. Durch die personelle Aufstockung konnte die Standardreduzierung aufgehoben werden.