Hendrik Rawe (33) gründete die Freiwillige Feuerwehr Köln-Kalk mit und kommt auf bis zu 300 Einsätze im Jahr. Wir haben mit ihm über sein Engagement für Köln gesprochen.
Kölner Feuerwehrmann im Porträt„Die Gemeinschaft ist einfach bereichernd“
Köln lebt vom Engagement der Bürger. Im September wird die Stadt die Träger des Ehrenamtspreises auszeichnen. Die Rundschau stellt in einer Serie die Preisträger vor. Zum Auftakt Hendrik Rawe, der 2017 erstmals in der Geschichte der Berufsfeuerwehr eine freiwillige Löschgruppe gegründet hat.
„Bei der Feuerwehr ist es wie bei einem Pizza-Bringdienst“, sagt Hendrik Rawe, „man ruft an, jemand kommt und keiner macht sich Gedanken, was da alles hinter steckt.“ Auch wenn dieser Vergleich des Oberbrandmeisters von der Löschgruppe Kalk etwas hinkt, weil das Stillen von Hunger und das Löschen von Durst bei weitem nicht so aufwendig ist wie etwa Einsätze im Ahrtal, bei Erftstadt-Blessem oder anderen überfluteten Orten. Ganz zu schweigen von immer häufiger verkommenden Waldbränden oder zu beseitigenden Unwetterschäden. In Zeiten der Klimakrise scheint die Feuerwehr gefragter denn je. Und doch stehen vor allem in ländlichen Gebieten viele Freiwilligen-Trupps vor der Auflösung oder wurden bereits geschlossen. „Unsere Situation ist zum Glück etwas anders“, stellt der 33-jährige, im niedersächsischen Bissendorf geborene Wahl-Kölner klar.
Dank seinen Mitstreitern und ihm gibt es im Rechtsrheinischen nicht nur eine Berufsfeuerwehr, sondern seit 2017 auch einen 50 Mitglieder starken, freiwilligen Löschtrupp, einen Förderverein und seit 2021 eine Jugendgruppe mit 40 Nachwuchs-Feuerwehrleuten. „Es hängt immer vom Engagement jedes Einzelnen ab, ob sich so etwas entwickeln kann“, spricht der studierte Marketing- und Vertriebsmanager über seinen „Nebenjob“, bei dem er im vermeintlichen Problem-Stadtteil Kalk eine kaum für möglich gehaltene Ehrenamtsstruktur aufgebaut hat. Nachdem er der Freiwilligen Feuerwehr schon als Teenager in seiner Heimat beigetreten war und nach der Uni als Projektleiter an der Köln-Messe in Deutz landete, kam er dort nicht von seinem liebsten Hobby los. „Ich habe einfach die Hotline angerufen und gefragt, ob ich mitmachen kann“, berichtet Rawe von seinen Anfängen im Jahr 2015. Der Bau des großen Gerätehauses an der Gummersbacher Straße hatte damals gerade erst begonnen und auch sonst gab es laut Rawe „praktisch Nichts“.
Hilfe als Motivation und Antrieb
„Mich motiviert es einfach, Menschen zu helfen“, nennt er die „professionelle Nachbarschaftshilfe“ als persönlichen Antrieb. Genau wie die von ihm für all seine ehrenamtlichen Mitglieder geschaffene Möglichkeit „Feuerwehr zu machen“. Auch wenn sich die Berufsfeuerwehr in Köln seit 150 Jahren bewährt hat, musste die „tolle Gemeinschaft“ in Kalk erst geschaffen werden. „Wir hatten keine Fahrzeuge, keine Liegenschaft, keine Übungen und keine Kameradschaft. Das musste alles organisiert werden“, gibt der Niedersachse zu bedenken. Dafür investiert er bis heute täglich zwei, drei Stunden administrative Arbeit und ist bei der Mitgliederwerbung auf dem Kalker Straßenfest genauso dabei wie bei allwöchentlichen Übungen am Deutzer Hafen oder Werbe-Videodrehs. „Dass wir mit Tom Gerhardt als Kalker Ehrenbürger einen Spot gedreht haben, der im Internet über eine Million Mal geklickt wurde, hat den Zahn der Zeit getroffen“, erinnert sich Rawe an die Aktion von 2018 genauso gerne zurück, wie an die Einweihung des Gerätehauses ein Jahr später, wo mit christlichen Pfarrern und Pastoren, dem jüdischen Rabbi und einem muslimischen Imam alle im Stadtteil vertretenen Weltreligionen zu Gast waren. „Diese Gemeinschaft bei uns ist einfach bereichernd“, hält der Ehrenamtler fest. Wenn Familienväter zusammen mit Studenten, Handwerkern, Stadtmitarbeitern oder Auszubildenden gemeinsam in Aktion treten, sei der Querschnitt der Gesellschaft gut getroffen.
Im Jahr 2021 fuhr der Kalker Löschtrupp 308 Einsätze und im Jahr darauf 207. Dafür müssen sich männliche und weibliche Freiwillige von der Arbeit befreien lassen, sich auch im Sommer in zentnerschwere, feuerabweisende Schutzkleidung werfen und ihr Leben für die zu rettenden Brand-, Flut- oder Sturmopfer riskieren. „Für diese Aufgabe muss man brennen“, meint er nach tausenden Ehrenamtsstunden, „da geht schon der Großteil der Freizeit drauf, aber bei uns machen Menschen mit, die anpacken wollen“. Was nicht in ihrer Hand liege, seien die ganz schweren Momente. „Der Tod der beiden Feuerwehrleute in Sankt Augustin ist uns allen sehr nahe gegangen“, sagt Rawe. „Er hat uns nochmal gezeigt, dass unser Ehrenamt immer ein Risiko birgt – egal, wie gut die Mannschaft zusammenarbeitet, wie gut Technik und Ausbildung sind.“ Belastend sei auch gewesen, Menschen, die in den Überflutungsgebieten alles verloren hätten, bei den Gängen in ihre abbruchreifen Häuser zu begleiten.
Wenn man aber den Menschen, deren Leben bedroht war, nach dem Einsatz ins Gesicht schaue und Dankbarkeit erkenne, lohne sich diese Arbeit allemal. „Das ist dann doch etwas anderes, als wenn nur eine Pizza geliefert wurde“, gibt der Ehrenamtspreisträger 2023 zu.
Der Ehrenamtspreis
Folgende Aktive wurden in diesem Jahr ausgezeichnet: Hendrik Rawe und Erika Wittkamp; sie ist seit 23 Jahren Mitglied im Verein „Helfen durch geben – der Sack“, der Lebensmittel an 19 Kitas in benachteiligten Veedeln liefert. Preisträger sind auch der AK der Kölner Willkommensinitiativen und die Kulturliste Köln, die Menschen mit wenig Geld kulturelle Teilhabe ermöglicht.
Auch Schulen und Unternehmen wurden ausgezeichnet: Das Berufskolleg Ulrepforte für seine Weihnachtsaktion für Bedürftige im Veedel, das Gymnasium Kreuzgasse für seinen Einsatz für religiöse Toleranz und die Zurich Gruppe Deutschland für ihre „community Tage“ bei voller Lohnfortzahlung für die Mitarbeitenden.
Der Miteinander-Preis für Demokratie und Vielfalt ging an Joana Peprah und den Verein InteGreater Köln, der Jugendliche mit Migrationsgeschichte für Bildung sensibilisiert. Joana Peprah ist Sprecherin von „Köln stellt sich quer“ und vielfach im Bereich Antirassismus aktiv. (bos)