Warum der Kölner Seniorenchor "Oldkehlchen" außergewöhnlich ist.
Besondere AufnahmekriterienChorprojekt „Oldkehlchen“ singen aus Freude und für die Gemeinsamkeit

Gesangsprobe der Oldkehlchen.
Copyright: Thomas Banneyer
Gut gelaunt sitzen sie in einem abgetrennten Raum eines großen Restaurants am Heumarkt. Mehrere Seniorinnen und Senioren tuscheln miteinander, es wird gescherzt und gelacht. Jeder hat einen Zettel in der Hand, es sind die Liedblätter mit den Stücken, die diesmal gesungen werden sollen. Der Chor der „Oldkehlchen“ trifft sich alle zwei Wochen zur Probe, den Michael Kokott gekonnt leitet. Es ist aber nicht irgendein Gesangsverein: Hier dürfen nur Menschen teilnehmen, die eine besonders geringe Rente haben. Es gehe darum, so Kokott, mit Singen und Geselligkeit gegen die Einsamkeit anzukämpfen.
Das Projekt ist Teil einer bundesweiten, gemeinnützigen Bewegung. Schlager und kölsche Lieder stehen bei den „Oldkehlchen“ besonders hoch im Kurs. Diesmal ist es zum Beispiel der Titel „Achtung und Respekt“ von Roland Kaiser. Der Text dieses aktuellen Liedes spricht den meisten hier aus der Seele. Für sie ist es wichtig, überhaupt soziale Kontakte zu pflegen.
„Obwohl ich Pollenallergie habe, habe ich mich auf den Weg gemacht, weil ich auf keinen Fall die Probe verpassen wollte“, erzählt Karin Kraemer. Die 72-Jährige aus Weidenpesch schätzt an den regelmäßigen Treffen vor allem die Gemeinschaft. Sie ist schon länger dabei, Beate Müller-Bley dagegen ist das jüngste Mitglied der „Oldkehlchen“.
Die Kölner „Oldkehlchen“: „Jeder kann auf seine Art singen“
Die 67-Jährige hatte vor ihrem ersten Besuch ein mulmiges Gefühl. „Ich dachte, dass ich überhaupt nicht singen kann“, berichtet sie: „Herr Kokott jedoch meinte, jeder könne auf seine Art singen.“ Für sie sei das eine Ermutigung von jemandem gewesen, den sie nun als Mensch kennengelernt habe – davor sei der Chorleiter für sie bloß ein bekannter „Promi“ gewesen.
Michael Kokott leitet mehrere Erwachsenen-Chöre in Köln, darunter den bekannten Jugendchor Sankt Stephan. Man kennt ihn von Fernsehauftritten und großen Konzerten. Im Hinterzimmer des Gastrobetriebs ist er aber nahbar und freundschaftlich, begeistert mit seiner Art die Laien-Sänger im Seniorenalter. „Es ist manchmal ganz schön viel Arbeit, die Gruppe zu disziplinieren“, grinst er. Singen mache glücklich und gesund: „Wir machen auch viel Blödsinn zusammen.“
In den Pausen gibt etwa Helmut Birkenbach inzwischen schon traditionell einen Witz zum Besten. Ihm sei es auch wichtig, im Kreis des Chores regelmäßig Gespräche führen zu können. Viele in seinem Alter würden vereinsamen, meint Birkenbach: „Wenn man alleine lebt, ist es wichtig, dass man sich artikuliert, dass man Sätze bildet. Sonst verschwindet diese Fähigkeit im Alter irgendwann.“
Passanten an der Fensterscheibe
Die anwesenden „Oldkehlchen“ stimmen mit einem kleinen Applaus zu. Und was ist mit seinem aktuellen Witz? Helmut Birkenbach setzt sich in Position und legt los: „Wer glaubt, dass Volksvertreter das Volk vertreten, glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten.“
In diesen Tagen feiert die außergewöhnliche Senioren-Singgemeinschaft ihr einjähriges Bestehen. Sie hatte bereits große Auftritte, zum Beispiel bei einem Benefizkonzert in der Philharmonie. Und wenn sie im Gastro-Hinterzimmer üben, passiert es auch schonmal, dass sich Passanten an der Fensterscheibe die Nase plattdrücken.
„Am meisten schätze ich die Herzenswärme hier“, sagt Helga Euskirchen. Sigrid Sünkler ergänzt, dass sie stets längere Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln auf sich nimmt, um keine Probe zu verpassen: „Das ist in unserem Alter nicht selbstverständlich.“ In Kürze stehen weitere größere Auftritte an – bei der Rheinischen Musikschule, beim Festival „Sommer Köln“ und wieder in der Philharmonie.
Für das Projekt werden derzeit noch neue Mitstreiter gesucht. Voraussetzung ist, dass man im Seniorenalter ist und eine Rente von bis zu 1300 Euro brutto hat. „Es geht darum, denen zu helfen, denen das Geld fehlt, am sozialen Leben teilzunehmen“, erklärt Michael Kokott. Mitsingwillige können sich per E-Mail melden unter nrw@einherzfuerrentner.de.