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Auch in Kölner Arztpraxen120 Euro Strafe für einen nicht abgesagten Termin

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Stethoskope hängen in einer HNO-Praxis

Bei nicht wahrgenommenen Arztterminen werden auch in vielen Kölner Praxen Ausfallhonorare genommen.

Ausfallgebühren in Arztpraxen sollen für weniger kurzfristig abgesagte oder nicht wahrgenommene Termine sorgen. Eine Praxis spricht über ihre Gründe.

Mit Fachärzten verhält es sich ähnlich wie mit einem guten Restaurant: Termine sind schwer zu bekommen. Die sogenannte „No-show“-Gebühr, wenn man ohne Absage doch nicht speist, haben Gastronomen eingeführt, damit es keine Umsatzeinbußen gibt und bereits eingekaufte Lebensmittel nicht weggeworfen müssen. Letzteres ist bei den Fachärzten nicht das Problem, wohl aber die fehlenden Umsätze. Ausfallgebühren werden deshalb auch in Kölner Arztpraxen immer häufiger fällig, wenn Termine nicht oder zu spät abgesagt werden.

Den Umfang nicht wahrgenommener Arzttermine könne man zwar nicht exakt beziffern, teilt die Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO) mit. „Wir gehen anhand der Hinweise und Rückmeldungen unserer Mitglieder aus der Vergangenheit für das Rheinland aber davon aus, dass mindestens zehn Prozent der ambulanten Termine nicht eingehalten werden.“ Eine weit höhere Dunkelziffer sei nicht auszuschließen. „Manche Praxen sprechen sogar von 30 Prozent nicht eingehaltener Termine“, heißt es bei der KVNO. Beschwerden von Patientinnen und Patienten habe es zu dem Thema in der Kölner Kreisstelle der KVNO jedoch noch nicht gegeben, sagt der Vorsitzende Jan Schirmer.

Für Termine und Folgetermine, die unentschuldigt nicht wahrgenommen werden oder nicht mindestens 48 Stunden vorher abgesagt werden, wird ein Ausfallhonorar in Höhe von 100 Euro erhoben.
Vereinbarung eines Kölner Nierenarztes

„Klar ist“, sagt Schirmer, „dass sehr kurzfristig abgesagte oder nicht wahrgenommene Termine ein Ärgernis für alle Niedergelassenen sind, da es die Organisation und Abläufe in den Praxen stört.“ Nicht nur hätten die Zeitfenster alternativ an andere Erkrankte vergeben werden können, auch für die Patientinnen und Patienten, die sich bereits in der Praxis eingefunden haben, verlängere sich die Wartezeit vor der Behandlung, da oft doch noch mit dem Erscheinen der Patientin oder des Patienten gerechnet werde.

Fachärzte lassen sich die Möglichkeit der Ausfallgebühr bereits im Anmeldebogen für Neu-Patienten unterschreiben - denn nur so wird sie rechtlich wirksam (siehe Infotext). „Für Termine und Folgetermine, die unentschuldigt nicht wahrgenommen werden oder nicht mindestens 48 Stunden vorher abgesagt werden, wird ein Ausfallhonorar in Höhe von 100 Euro erhoben“, schreibt etwa ein Kölner Nephrologe in einer Vereinbarung, die Patientinnen und Patienten vor der ersten Behandlung unterzeichnen müssen. Auch ein Kölner Psychotherapeut legte fest: „Wir stellen Ihnen daher grundsätzlich alle reservierten Stunden (dies gilt auch für das Erstgespräch), die von Ihnen nicht wahrgenommen wurden, unabhängig vom Grund der Verhinderung, sei es wegen Krankheit, Vergessen, Verkehrsproblemen, als Ausfallhonorar in Rechnung.“ 60 Euro sind es hier.

Schriftliche Vereinbarung eines Ausfallhonorars ist nötig

Bei anderen Fachgruppen kann ein Fernbleiben noch kostspieliger werden. Etwa wenn bei einer zeitaufwendigen Diagnostik ein Gerät für einen Termin freigehalten werden muss, zum Beispiel bei einer MRT-Untersuchung beim Radiologen oder einer Gastroskopie beim Internisten. Auch Kölner Zahnärzte machen von Ausfallhonoraren Gebrauch. „Die schriftliche Vereinbarung eines Ausfallhonorars ist hierbei von entscheidender Bedeutung“, heißt es bei der Zahnärztekammer Nordrhein. „Bei kurzfristigen Terminabsagen bleiben nicht nur die Kosten in den Praxen ungedeckt, sondern es bleibt zu bedenken, dass vor allem auch andere Patienten diese Termine nicht nutzen können.“

Wir schauen uns jeden Fall individuell an und auch die Höhe der Gebühr wird konkret an den ausgefallenen Termin angepasst. Sie kann jedoch bis zu 120 Euro pro angefangener Stunde betragen - was noch wenig ist, wenn man bedenkt, was wir für enorme Kosten für eine Stunde Praxisablauf haben.
Praxismanagerin Katrin Gysler, Praxismanagerin Dr. Jarleton & Kollegen

Auch die Kölner Zahnarztpraxis von Dr. Dorothee Jarleton in der Innenstadt arbeitet in Ausnahmefällen schon länger mit dieser Gebühr. „Wir sind eine Bestellpraxis mit einem eng getakteten Terminbuch. Trotzdem wollen wir uns für jeden Patienten möglichst viel Zeit nehmen, damit eine stressfreie und besonders hochwertige Behandlung möglich ist“, sagt Praxismanagerin Katrin Gysler. Die drei Zahnärztinnen der Praxis seien zwar mit vollem Einsatz dabei, aber auch gleichzeitig Mütter und arbeiteten nur halbtags. „Unsere Behandlungszeiten sind teilweise wochenlang im Voraus ausgebucht. So ist es besonders schade und ärgerlich, wenn ein Termin sehr kurzfristig ausfällt oder nicht wahrgenommen wird“, so Gysler. Patienten werden mit einer SMS an den Termin erinnert, es komme aber trotzdem vor, dass Termine nicht wahrgenommen werden. „Beim ersten Ausfall bekommen Sie dann einen freundlichen Brief oder einen Anruf, in dem wir schildern, was der Terminausfall für uns bedeutet. Kommt es jedoch häufiger vor, geht auch mal eine entsprechende Rechnung an den Patienten.“

Trotzdem werde mit Fingerspitzengefühl vorgegangen. „Wir schauen uns jeden Fall individuell an und auch die Höhe der Gebühr wird konkret an den ausgefallenen Termin angepasst. Sie kann jedoch bis zu 120 Euro pro angefangener Stunde betragen - was noch wenig ist, wenn man bedenkt, was wir für enorme Kosten für eine Stunde Praxisablauf haben.“ Das seien Personal, Miete und laufende Kosten für die Praxis sowie Materialien, die gegebenenfalls schon für die geplante Behandlung angebrochen wurden.

Jan Schirmer, der selbst eine psychiatrisch-neurologische Praxis führt, kann sich Strafzahlungen dagegen nicht vorstellen. „Bei vielen meiner Patienten gehört das ‚nicht wahrnehmen‘ von Terminen leider zum Krankheitsbild“, sagt Schirmer. Dazu gehören unter anderem Demenz, wahnhafte Störungen oder schwere Depressionen. „Ich muss diesen Effekt in meinem Termin-Management einplanen. Es kommen aber auch genug Notfälle und meine Praxis ist ohnehin immer eher zu voll.“


Die rechtliche Seite

Praxen mit wochen- oder monatelangen Wartezeiten können eher eine Ausfallgebühr verlangen, als Praxen mit viel Durchlauf. Gerichte haben in der Vergangenheit nicht einheitlich geurteilt, generell gilt aber: Wenn Praxen ein „Ausfallhonorar“ von Patientinnen und Patienten fordern, handelt es sich dabei um einen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch. Der Schadensersatz wegen des sogenannten „Annahmeverzug“ des Patienten ist im Paragraf § 293, 296 und 615 im Bundesgesetzbuch geregelt.

Ärztinnen und Ärzte müssen dies schriftlich mitteilen, etwa bei der Erstanmeldung, in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder bei der Terminvergabe. Eine Absagefrist von mehr als 48 Stunden ist nicht rechtens.