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Interview

Amtsleiterin Christina Boeck
Interesse an Einbürgerung in Köln steigt weiter

Lesezeit 7 Minuten
Mit effizienteren Serviceleistungen, Digitalisierung und zukünftig womöglich auch mit dem Einsatz von KI gleicht Amtsleiterin Christina Boeck den weiter bestehenden Mangel an Fachkräften aus.

Mit effizienteren Serviceleistungen, Digitalisierung und zukünftig womöglich auch mit dem Einsatz von KI gleicht Amtsleiterin Christina Boeck den weiter bestehenden Mangel an Fachkräften aus. 

Vom neuen Einbürgerungsgesetz über den Einsatz von KI bis zum Umbau des Ausländeramtes zur Willkommensbehörde - Amtsleiterin Christina Boeck hat zahlreiche Herausforderungen zu bewältigen.  

Schon im Mai 2024 waren die Termine im Ausländeramt bis Jahresende ausgebucht, mit der Änderung des Einbürgerungsgesetzes am 27. Juni stieg die Zahl der Anfragen erneut. Das Gesetz hatte einen geringen Vorlauf, Sie konnten erst Mitte des Jahres mit der Personal-Aufstockung beginnen. Wie ist die Situation jetzt?

Das Interesse der Menschen an Einbürgerung ist ungebrochen groß. Wir haben aktuell rund 12.000 Antragsbegehren vorliegen, die wir noch nicht abschließend gesichtet haben. Für viele gibt es Zweit- und Drittanschreiben, wir gehen also von 5000 bis 6000 Anträgen aus. Pro Monat gehen 1000 bis 2000 neue Anfragen ein. Wir sind in der Terminvergabe jetzt bei Mai.

Wie viele sind in Bearbeitung?

Wir bearbeiten aktuell 9000 laufende Verfahren.

Hat die geplante Aufstockung des Personals geklappt?

Wir konnten die Stellen im Bereich Einbürgerung von 29 auf 73,5 erhöhen, damit sind wir sehr zufrieden. Und wir sind zuversichtlich, dass wir in zwei, drei Monaten 90 Prozent besetzt haben.

Im Oktober war noch 100 Prozent bis Ende 2024 das Ziel…

Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist schwierig. Deshalb wären 90 Prozent schon ein riesiger Gewinn. Dazu kommt, dass wir eine deutlich effizientere Serviceleistung anbieten. Ein Teil unserer Mitarbeitenden arbeitet im Frontoffice und hat Kundenkontakt. Der andere Teil kann sich im Backoffice auf die Entscheidungen konzentrieren. Vorher hat jeder Sachbearbeiter beides gemacht. Schon verbessert hat sich im Vorjahrsvergleich die Zahl der Termine pro Monat. Die konnten wir von 300 auf 500 Termine steigern, unser Ziel sind 800 Termine. Und die Wartezeit vom Erstkontakt bis zum Termin hat sich von 16 auf elf Monate verkürzt.

Wie viele Anträge wurden 2024 gestellt und wie viele Menschen eingebürgert?

In 2024 konnten wir 4300 Verfahren starten, hier lagen die komplett gesichteten Unterlagen vor. 3400 Personen wurden eingebürgert, darunter auch viele, die 2023 oder früher ihren Antrag gestellt hatten.

Wieviele wurden abgelehnt?

2024 haben wir von 3400 Anträgen 26 abgelehnt.

Das sind wenige Ablehnungen…

…auch deshalb, weil bei unseren Antragsklärungen nicht nur geschaut wird, ob alle Unterlagen da sind. Wir besprechen auch, ob wirklich alle Voraussetzungen erfüllt sind oder ob der Antrag vielleicht erst später gestellt werden sollte. Diese Beratung ist nicht Pflicht, aber sie wird von den Antragstellern sehr gerne angenommen.

Bei wie vielen gab es Sicherheitsbedenken?

Von den 26 Fällen haben wir vier oder fünf deshalb abgelehnt.

Das Einbürgerungsverfahren ist nach derzeitiger Gesetzeslage aber kein rein digitales Verfahren.
Christina Boeck

Anders als in einigen anderen Städten ist ein Antrag auf Einbürgerung ja nur mit Termin möglich. Soll sich das ändern?

Die Antragsunterlagen können auch bei uns ohne Termin per E-Mail oder auf dem Postweg eingereicht werden. Anschließend erfolgt das Antragsklärungsgespräch, in dem Unterschriften vor Ort abgegeben und die benötigten Urkunden von uns im Original auf Echtheit geprüft werden müssen. Dabei überzeugen wir uns davon, dass die Person, die sich einbürgern lassen möchte, auch vor uns sitzt, prüfen also ihre Identität. Ob diese Vorgehensweise in allen Fällen oder in bestimmten Fallkonstellation in Zukunft durch ein rein digitales Verfahren ersetzt werden kann, werden wir prüfen. Das Einbürgerungsverfahren ist nach derzeitiger Gesetzeslage aber kein rein digitales Verfahren.

Wie lange dauert eine Einbürgerung ab dem ersten Termin im Amt?

Da wir unser Bearbeitungssystem erst im Januar umgestellt haben, können wir noch nicht auf verlässliche Erfahrungswerte zurückgreifen. Auch haben wir noch mehrere tausend Altfälle aufzuarbeiten, die schon vor der Gesetzesänderung im Sommer 2024 anhängig waren und nach der neuen Rechtslage nun ebenfalls abgeschlossen werden können. Bei Neufällen wollen wir bis Jahresende eine durchschnittliche Bearbeitungszeit von vier Monaten erreichen. Schon jetzt sind wir in der Lage, einfache Fälle in wenigen Wochen zu entscheiden und abzuschließen.

Welche Gruppe stellt die meisten Einbürgerungsanträge?

Die Kriegsflüchtlinge aus Syrien. Sie haben in den letzten drei Jahren 15 bis 20 Prozent der Anträge gestellt. Groß ist das Interesse an Einbürgerung auch bei den Menschen aus dem Irak, dem Iran und der Türkei.

2024 haben wir 502 Menschen mit syrischer Staatsangehörigkeit eingebürgert. In den Vorjahren waren es sogar noch mehr, denn seit 2022 hatten viele Geflüchtete aus Syrien oder dem Irak die Regelfrist eines achtjährigen Aufenthaltes, die wegen besonderer integrativer Leistungen auf fünf Jahre verkürzt werden konnte, als ein wichtiges Kriterium erfüllt. Viele waren da schon dauerhaft berufstätig.

Es hat noch nie eine Konstellation gegeben, in der für eine so große Gruppe ein Widerruf erfolgen sollte. Ich glaube nicht, dass hier nach dem aktuell gültigen Verfahren vorgegangen werden würde, das ja eher für Einzelfälle gemacht ist.
Christina Boeck

Nach neuem Recht kann die ursprüngliche Staatsbürgerschaft beibehalten werden. Gibt es deshalb mehr Anträge von Menschen der Gastarbeitergeneration, die aus der Türkei stammen?

Das Interesse an der Einbürgerung ist durch die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft generell gestiegen. Ob dies auch speziell für die türkischen Staatsangehörigen der Gastarbeitergeneration gilt, können wir beim derzeitigen Bearbeitungsstand noch nicht sagen.

Ganz aktuell ist die Sorge vieler Menschen aus Syrien, dass es einen Widerruf der Gefährdungseinschätzung durch das Bundesamt für Migration gibt und ihre Flüchtlingseigenschaft widerrufen werden kann. Was hieße das für Menschen, deren Einbürgerungsantrag gestellt, aber noch nicht bearbeitet ist?

Das ist für mich alles noch Spekulation, da wir überhaupt noch nicht wissen, ob und in welcher Weise solche Widerrufe geschehen sollen. Es ist noch völlig offen, wie und ob überhaupt man auf die derzeitige Änderung der politischen Lage in Syrien reagieren wird.

Es muss doch rechtliche Regelungen geben für so einen Fall.

Es hat noch nie eine Konstellation gegeben, in der für eine so große Gruppe ein Widerruf erfolgen sollte. Ich glaube nicht, dass hier nach dem aktuell gültigen Verfahren vorgegangen werden würde, das ja eher für Einzelfälle gemacht ist. In einem Einzelfall ist alles klar geregelt.

Wenn das Bundesamt einen Widerruf für eine Person ausspricht, prüft die Ausländerbehörde, ob sie deren Aufenthaltstitel aufhebt. Wir prüfen dann die ganze Palette des Aufenthaltsgesetzes. Etwa, ob neben dem humanitären Aufenthaltstitel auch ein Aufenthaltstitel als Fachkraft greifen könnte. Wenn ja, bezieht dieser auch die Ehefrau und Kinder mit ein.

Bei einer Niederlassungserlaubnis liegt es ebenso in unserem Ermessen, ob wir den Aufenthaltstitel aufheben oder nicht. Und wir gewichten bei unserer Prüfung selbstverständlich auch die Integrationsleistung, die ein Mensch in den Vorjahren erbracht hat und beziehen diese in unsere Ermessensentscheidung mit ein.

Ich bin überzeugt, dass wir das Willkommensbehörden-Gen in unsere Behörden-DNA bereits aufgenommen haben. Auch das externe Unternehmen, das uns 2023 und 2024 begleitet hat, bestätigte uns, dass wesentliche Veränderungen angestoßen sind.
Christina Boeck

Laut Ratsbeschluss soll Ihr Amt zur Willkommensbehörde werden. Unter der Prämisse haben Sie vor gut zwei Jahren die Leitung übernommen. Was gelingt schon gut? Wo ist noch Luft nach oben?

Ich bin überzeugt, dass wir das Willkommensbehörden-Gen in unsere Behörden-DNA bereits aufgenommen haben. Eine Ausländerbehörde zur Willkommensbehörde zu machen beinhaltet zwei wesentliche Aspekte: Haltung und Service. Was die Haltung anbetrifft, wird uns von NGOs, Politik und Ehrenamt bestätigt, dass eine deutliche Veränderung festzustellen ist. Auch das externe Unternehmen, das uns 2023 und 2024 begleitet hat, bestätigte uns, dass wesentliche Veränderungen angestoßen sind, wir überdurchschnittlich viel etwa mit Ehrenamtlichen zusammenarbeiten und über eine motivierte und diverse Mitarbeiterschaft verfügen, die Veränderungen sehr offen gegenübersteht.

Wie lange ist die Wartezeit auf Termine derzeit?

Das hängt vom Anliegen ab, denn wir arbeiten diese nach Dringlichkeit ab. Außer bei der Einbürgerung und teils in rechtsrheinischen Bezirken können Sie bei uns alle Anliegen in wenigen Wochen erledigen.

Wie setzen Sie Digitalisierung oder künftig KI ein?

Wir arbeiten schon lange mit der digitalen Akte. Die Einführung digitaler Antragstrecken im zweiten Halbjahr 2025 wird dazu führen, dass die Kundinnen und Kunden leichter durch die Antragstellung durchgeführt werden und Antragsunterlagen vollständig bei uns ankommen. Mit dem dann freigeschalteten digitalen Terminbuchungssystem können sie ihren Termin   selber buchen. Geplant ist auch die Zusammenarbeit mit Videodolmetschern. Und ich kann mir vorstellen, dass KI uns künftig dabei unterstützen kann, Anträge auf Vollständigkeit zu prüfen und Fragen der Kunden zu beantworten.

Wirkt sich die Forderungen nach mehr Abschiebungen aus?

Wenn der politischen Forderung eine Gesetzänderung folgt, dann wirkt sich diese natürlich direkt auf unsere Arbeit aus. Wir nutzen aber schon jetzt effizient alle Kapazitäten, die uns für Aufenthaltsbeendigung zur Verfügung stehen, und auch der Fokus auf Straftäter und Gefährder gehört schon seit langem zu unseren Amtszielen.