Bei seinen Workshops bringt der Verein Kindern und Jugendlichen die Geschichten von Zeitzeugen nahe.
Ehrenamtspreis Köln„Zweitzeugen“ halten Erinnerungen an Holocaust-Überlebende wach
„Jeder, der heute einem Zeugen zuhört, wird selbst ein Zeuge werden“, sagte einst der Holocaust-Überlebende Elie Wiesel. Diesen Satz hat sich der ehrenamtliche Verein „Zweitzeugen“ zur Mission gemacht. Er ermöglicht Zeitzeugen des Holocausts, ihre persönlichen Geschichten weiterzugeben, um zu verhindern, dass diese in Vergessenheit geraten. In Workshops, Ausstellungen und Online-Formaten kommen hauptsächlich Kinder und Jugendliche, aber auch Erwachsene in Kontakt mit Geschichten von Zeitzeugen, die die Auswirkungen von Antisemitismus und des Holocausts am eigenen Leib erfahren haben. In diesem Jahr wird der Verein mit dem Ehrenamtspreis der Stadt „Köln Engagiert“ ausgezeichnet.
Vor rund 10 Jahren wurde durch ein Studienprojekt der Grundstein für den gemeinnützigen Verein gelegt. Die Gründerinnen Sarah Hüttenberend und Anna Damm reisten nach Israel, um Gespräche mit Zeitzeugen des Holocausts zu führen. Tief berührt von den Begegnungen kamen sie zurück nach Deutschland, wo sie die Geschichten weitererzählten.
2014 entstand aus diesen Begegnungen der Verein. Inzwischen umfasst er rund 100 ehrenamtliche und 12 hauptamtliche Stellen. „Wir wurden komplett aus dem Ehrenamt heraus gegründet. Das ist bis heute auch die Besonderheit unseres Vereins“ sagt Nina Taubenreuther, die Geschäftsführerin.
Die Mission des Vereins ist es, für Antisemitismus zu sensibilisieren. Mithilfe der (Über-) Lebensgeschichten von Betroffenen stellt er eine Verbindung zwischen der Vergangenheit und der heutigen Welt her. Dafür gibt Zweitzeigen Workshops für Kinder und Jugendliche. Ab der vierten Klasse können sie daran teilnehmen. Die Workshops können drei Schulstunden dauern, einen ganzen Schultag füllen oder in einem AG-Format durchgeführt werden. Nahezu alle Angebote des Vereins können barrierefrei gestaltet werden.
Zweitzeugen in Köln: Kinder schreiben Briefe an Holocaust-Überlebende
„Herz-Kopf-Hand-Prinzip“ heißt der besondere Ansatz, dem die Workshops des Vereins folgen. „Herz, weil es emotionale Geschichten sind, die das Herz der Teilnehmer berühren“, erklärt Nina Taubenreuther. Die „Kopf“ Komponente ist das Wissen, welches sich die Kinder und Jugendlichen im Laufe der Workshops aneignen. Die „Hand“ Komponente meint die grundlegende Mission eines jeden Zweitzeugen: die gehörte Geschichte weitergeben, um die Erzählungen am Leben zu erhalten.
Aber nicht nur in Schulen werden die Geschichten von Zeitzeugen erzählt. In Zusammenarbeit mit dem Verein Lernort Stadion bekommen manche Gruppen die Möglichkeit, in Stadien auf Spurensuche zu gehen und zu entdecken, was für eine Rolle Antisemitismus vielleicht auch dort gespielt hat. Im vergangenen Jahr fand dies auch erstmals im Rheinenergie-Stadion statt.
Am Ende der Workshops können die Teilnehmenden einen Brief an Zeitzeugen oder deren Angehörige zu schreiben. „So gestalten wir das Konzept nachhaltiger“, erklärt Taubenreuther. Kinder und Jugendliche können so ihre Gefühle und Gedanken ausdrücken, die bei ihrer unmittelbaren Reaktion auf die Geschichte meist noch nicht zum Vorschein kommen. Inzwischen wurden bereits rund 12.000 Briefe verfasst. Durch den engen Kontakt des Vereins mit den Zeitzeugen werden manche sogar persönlich beantwortet.