Oft wurde die Platte schon totgesagt. Zurzeit erlebt sie gar einen zweiten Frühling. Auch in der Kölner Innenstadt.
Das wohlige KnisternWas Köln für Schallplatten-Liebhaber zu bieten hat – Trend verfestigt sich
Die Schallplatte ist ein Renner. Oder besser gesagt, ein Läufer. 1897 kamen die ersten Schellackplatten auf den Markt. Spätestens Mitte des 20. Jahrhundert wurde sie zum Goldesel der Musikindustrie. Und das Geschäft mir ihr läuft immer noch gut – nein, es läuft wieder gut. Oft wurde die Platte schon totgesagt. Erst sollte ihr die CD den Garaus machen, dann die MP3 und heute tragen angeblich die Streamingdienst sie zu Grabe. Und tatsächlich: Im Jahre 2011 gingen in Deutschland gerade noch 700.000 Schallplatten in den Verkauf. Es gab Zeiten, da brachte es alleine eine Scheibe von Udo Jürgens auf mehr verkaufte Exemplare. Dennoch, tot war die Schallplatte nie. Zurzeit erlebt sie gar einen zweiten Frühling. Wer durch die Straßen der Kölner Innenstadt schweift, der entdeckt sie mehr und mehr: Vinyl-Läden.
Die Generation Z. Ihr Markenzeichen: In allen Lebenslagen das Handy in der Hand. Und dennoch, die analoge Schallplatte hat sich auch in ihr Herz geschlichen. Und sei es nur als Blickfang in der Wohnung. Das ist Teil eines Erfolgs, der sich wie folgt in Zahlen fassen lässt: Im Jahr 2023 gingen wieder rund 4,6 Millionen Schallplatten über die Ladentheke. Ein letztes Aufbäumen vor dem endgültigen Dahinsiechen. Wer sich in den Kölner Plattenläden umhört, erntete für diese These Kopfschütteln. Auf welchen Musikstil die Ladeninhaber sich auch immer spezialisiert haben, in einem sind sich alle einig: Der Hype um die Scheiben hat noch lange kein Ende.
Plattenladen in Köln: Platten im Wert von bis zu 2350 Euro
Auf der Brabanter Straße findet man mit Parallel Schallplatten einen der Platzhirsche in Köln, was Vinyl angeht. Mark Sommer hat den Laden im Oktober 2000 mit zwei Partnern ins Leben gerufen: „Ich glaube, dass wir das größte Angebot an Schallplatten in Köln haben: 18 000 Platten liegen bei uns in der Auslage, dazu kommen nochmals 35 000 Stück in unserem Lager für die Online-Bestellungen. Bei uns gibt es Platten für 5 Euro, aber auch etwas im höheren Segment.“ Im Angebot sind unter anderem absolute Raritäten, ganze 2350 Euro kostet die Jazz-Scheibe „The Stark Reality – Discovers Hoagy Carmichael“s Music Shop“. „Das ist eine Sache von Angebot und Nachfrage – dieses Album von 1970 ist sehr selten und in perfektem Zustand“, erklärt Sommer. Offensichtlich lässt sich mit Vinyl gutes Geld verdienen, und offenbar gibt es Menschen, die dafür viel investieren.
Warum diese riesige Begeisterung für Schallplatten? Mark Sommer hat viele Antworten parat: „Wir leben aktuell in einer beschleunigten Zeit – die Digitalisierung macht alles unglaublich schnell verfügbar. Schallplatten sind das Werk eines Künstlers, und so etwas wird heute wertgeschätzt, mit Artwork, dem haptischen Erlebnis und einem abgerundeten musikalischen Erzeugnis.“ Außerdem weiß der Experte: „Für viele klingt die Schallplatte einfach besser.“
Hier stimmt auch Volker Valenzano zu, der im Andrä-Shop nahe der Breiten Straße Filialleiter ist: „Die Menschen lieben das Knistern einer Schallplatte und den warmen Klang.“ Das Unternehmen Andrä bietet an verschiedenen Standorten in NRW Second Hand-Medien aller Art in gutem bis neuwertigem Zustand an. Die teuerste Platte kostet hier „nur“ knapp 300 Euro – es handelt sich dabei um einen Soundtrack zu einem Videospiel, „Life is strange“. „Bei uns geht es ab drei Euro los, die meisten Platten bei uns liegen bei fünf bis acht Euro. Gerade das junge Publikum kommt zu uns – wir haben rund 10.000 Platten im Angebot, aus fast allen Musikgenres. Nur bei Schlager sagen wir Nein, das läuft heute nicht mehr“, lacht Valenzano. Er sieht, dass der Hype seit 10 Jahren durch die Generation Z befeuert wurde.
Schallplatten-Enthusiasten sind oft junge Leute
Die neuen Schallplatten-Enthusiasten sind also oft junge Leute, die Videospiele und Schallplatten lieben. Laut einer BBC-Umfrage sind über ein Drittel der britischen Schallplatten-Käufer zwischen 25 und 34 Jahre alt. Jedoch nutzt lediglich die Hälfte aller Vinylkäufer zum Hören überhaupt einen Plattenspieler. Junges Publikum findet sich auch bei „Underdog“ in der Ritterstraße, nahe des Eigelstein. Vor allem junge Männer finden sich hier ein, um in Ruhe den Fundus von über 10 000 Platten zu durchstöbern. „Seit 27 Jahren gibt es unseren Laden schon“, betont André Böhle, genannt „Friese“, stolz. Underdog bietet viel an Indie, Punk oder Rock – aber auch Pop und Hiphop. „Zu uns kommt jeder – wir haben aber ausschließlich Neuware, das unterscheidet uns von den anderen Läden. Wer mit einer gewissen Sicherheit eine Platte haben will, kommt zu uns.“ Daher habe man vielleicht nicht große Raritäten. Den Schallplattenhype merke er weiterhin: „Es ist so konstant mehr geworden, dass man sich an die Begeisterung bereits gewöhnt hat. Und die Käufer sind wirklich jünger geworden.“
Für Mark Sommer ist der Plattenhype auch eine Entwicklung der Geschlechtergleichheit: „Im Vergleich zu früher gibt es viel mehr Käuferinnen. Zudem wird sehr historisch gekauft, die Kids hören auch T-Rex oder Jimi Hendrix statt nur Taylor Swift oder Lana Del Rey.“ Am wichtigsten sei jedoch, dass es ein anderes Bewusstsein beim Hören von Musik gebe: „Musik war noch nie so billig, und man bekommt auf den Streaming-Diensten wie Spotify alles, was man will. Aber die Schallplatte ist ein Gegenstand, welcher einen Wert hat. Und dieser geht nicht so einfach verloren wie der flüchtige Moment im Internet.“