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KölnWarum man Rettungswesen jetzt auch studieren kann

Lesezeit 4 Minuten
Die Wache in der Gleueler Straße wurde bereits vor 104 Jahren in Betrieb genommen.

Die Wache in der Gleueler Straße wurde bereits vor 104 Jahren in Betrieb genommen.

Immer mehr Rettungskräfte verlassen den Rettungsdienst, gleichzeitig werden die Einsätze immer komplexer.

Bereits vor 125 Jahren hat der Kölner Rat beschlossen, einen ständig verfügbaren Krankentransport mit zwei Pferdekutschen bei der Berufsfeuerwehr einzurichten. Der Vorläufer des Rettungsdienstes hat sich seit 1899 stetig weiterentwickelt - und auch die Arbeitsbelastung ist gestiegen. Heute sind in Köln täglich 153 Menschen als Notfallsanitäterinnen und -sanitäter im Einsatz, die in Not geratenen Menschen seelisch und medizinisch versorgen.

Wie in vielen anderen Heilberufen ist das Streben nach einer Weiterentwicklung groß. In diesem Wintersemester startet an der privaten HSD Hochschule Döpfer in Köln nun erstmalig der Bachelorstudiengang Rettungswissenschaften. Bereits ausgebildete Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter können nach drei Jahren berufsbegleitendem Studium mit dem „Bachelor of Science“ abschließen. Das Studium ist weitestgehend online, die Willkommensveranstaltung für die Erstsemester findet aber vor Ort in den Räumen der Hochschule am Waidmarkt statt. 60 Studierende haben sich ab September eingeschrieben.

Thomas Hofmann, Leiter des neuen Studiengangs „Rettungswissenschaften“ an der HSD Hochschule Döpfer in Köln

Thomas Hofmann, Leiter des neuen Studiengangs „Rettungswissenschaften“ an der HSD Hochschule Döpfer in Köln

„Die Arbeit als Notfallsanitäter wird immer komplexer“, sagt Thomas Hofmann, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Rettungswissenschaften und Leiter des neuen Studiengangs an der HSD Hochschule Döpfer. „Das kann die dreijährige schulische Ausbildung nicht mehr komplett auffangen.“ Die Tätigkeit als Notfallsanitäter sei exponiert und mit komplexen Versorgungsentscheidungen verbunden - sowohl bei akuten als auch weniger schwerwiegenden Notfällen.

„Der Rettungsdienst entscheidet, ob und in welches Krankenhaus jemand gebracht wird. Liegen bei Patientinnen und Patienten gleichzeitig mehrere Krankheiten vor, erhöht sich die medizinische Komplexität des Einsatzes“, so Hofmann. Dafür sei sehr viel Expertise notwendig. Im Studium geht es um eine gezielte Patientenversorgung, die sich auch auf die immer älter werdende Gesellschaft und multiple Vorerkrankungen der Patientinnen und Patienten einstellt. Studierende werden fachbezogen noch besser ausgebildet, etwa im Umgang mit einem Ultraschallgerät oder einer Spezialisierung auf psychiatrische oder pädiatrische Notfälle.

Vorbild Großbritannien

Die Zukunft sieht Hofmann im Zuge der Krankenhausreform und einer geplanten Reform des Rettungsdienstes in der noch spezifischeren Ausbildung der Rettungskräfte und einer Veränderung der Strukturen. Denn nicht immer muss der Weg in die Klinik führen. Hofmann, selbst gelernter Notfallsanitäter, konnte nach seiner Ausbildung viel Erfahrung im Ausland sammeln. Nachahmungswürdig sei etwa die Arbeit des Rettungsdienstes in Großbritannien. „Einfache Wundversorgung übernehmen dort zum Beispiel die gut ausgebildeten Mitarbeiter des Rettungsdienstes - eine Fahrt ins Krankenhaus ist damit nicht mehr nötig“, sagt der 40-Jährige. Das schone das Gesundheitssystem, entlaste die Notärzte und halte die Notaufnahmen für schwerwiegende Fälle frei.

Der Rettungsdienst muss sich nicht zuletzt auch auf die veränderte sozial-gesellschaftliche Situation einstellen, so Hofmann, der neben seiner Lehrtätigkeit selbst noch nebenberuflich im Rettungsdienst tätig ist. „Viele Menschen in Großstädten leben alleine und haben keinen familiären Rückhalt, psychische Erkrankungen sind häufiger, oft gibt es Sprachbarrieren.“ Auch auf diese Herausforderungen im modernen Rettungsdienst müssen die Retterinnen und Retter vorbereitet werden.

Fehlende Weiterbildungsmöglichkeiten

Die Teil-Akademisierung sieht Hofmann als Chance, Personal in dem Beruf des Notfallsanitäters zu halten. Nachwuchs in die Ausbildung zu bringen, sei nicht das Problem. „Sie langfristig im Beruf zu halten, ist schwierig.“ Eine Berufstreuestudie zeige, dass mehr als 65 Prozent der Retterinnen und Retter planen, die Branche in den nächsten zehn Jahren zu verlassen. Auch fehlende Weiterbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten gehören zu den Gründen. Der neue Studiengang ziele daher auch auf die persönliche intellektuelle Weiterbildung hin und die Bereitschaft fürs lebenslange Lernen, so Hofmann.

Weitere Infos gibt es hier: www.hs-doepfer.de/studium/bsc-rettungswissenschaften


Rettungsdienst in Zahlen

56 Rettungswagen, zwölf Notarzteinsatzfahrzeuge, fünf Notfallkrankenwagen sowie zwei Rettungshubschrauber hält die Feuerwehr Köln an einem Regeltag vor. Hierzu gehören auch Sonderfahrzeuge wie der Schwergewichtigenrettungswagen und der Intensivtransportwagen.

2 Rettungskräfte fahren im Rettungswagen mit, beim Intensivtransport und im Hubschrauber sind es jeweils drei Personen. So ergibt sich eine tägliche Einsatzstärke von 153 Personen. Kurzfristig können aber auch mehr Einsatzkräfte eingesetzt werden.

209.663 Einsätze hatte der Rettungsdienst am Boden im Jahr 2022. Zum Vorjahr ist das eine Steigerung von 7,3 Prozent, zum Jahr 2018 eine Steigerung um rund 15 Prozent. 2708 Mal war der Rettungshubschrauber 2022 im Einsatz.