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22 ToteVor 50 Jahren geriet das Kabinenschiff „Prinses Irene“ in Köln in Brand und sank

Lesezeit 4 Minuten
Auf einer Bahre tragen Feuerwehrleute eines der Todesopfer aus dem geborgenen Wrack der „Prinses Irene“.

Auf einer Bahre tragen Feuerwehrleute eines der Todesopfer aus dem geborgenen Wrack der „Prinses Irene“.

Eine Urlaubsreise in den Tod: Die „Prinses Irene“ geriet 1975 in Köln in Brand, 22 Passagiere starben. Die Ursache blieb unklar, die Ermittlungen wurden eingestellt.

Es ist das schwerste Schiffsunglück in Köln seit Menschengedenken. Vor 50 Jahren, in den frühen Morgenstunden des 19. April 1975, gerät das niederländische Passagierschiff „Prinses Irene“ an der Kaimauer des Konrad-Adenauer-Ufers in Brand und sinkt rund 80 Minuten später. Besonders tragisch: An Bord befinden sich vor allem ältere und gebrechliche   Passagiere, die teils auf Rollstühle angewiesen sind und sich nicht selbst retten können.

22 Menschen finden in den Flammen den Tod. Ihr Schicksal ereilt sie auf einer Urlaubsreise nach Deutschland, die die niederländische Wohlfahrtsorganisation „Zonnebloem“ (Sonnenblume) für Kranke, Körperbehinderte und Kriegsinvaliden organisiert hat.

Köln - Bei einem der schwersten Unglücke auf dem Rhein gerät das niederländische Kabinenschiff "Prinses Irene" am Kölner Rheinufer in Brand und sinkt. - 22 Menschen sterben. - Foto vom 19.04.1975

Bei einem der schwersten Unglücke auf dem Rhein gerät das niederländische Kabinenschiff „Prinses Irene“ am Kölner Rheinufer in Brand und sinkt. Foto vom 21.04.1975

Auf der Rückfahrt von Rüdesheim und Königswinter legt die „Prinses Irene“ am Freitag, 18. April, mittags mit 92 Passagieren und 13 Crewmitgliedern in Köln an. Am Abend findet an Bord noch eine fröhliche Abschlussfeier statt, bei der die Besucher aus den Niederlanden auf Deutsch das Lied „O du wunderschöner deutscher Rhein…“ singen, wird die „Kölnische Rundschau“ später berichten. Am Samstagmorgen soll es zurück nach Arnheim gehen. Doch dann nimmt das Drama seinen Lauf.

80 Wehrleute und 30 Beamte der Polizei im Einsatz

Gegen 2.46 Uhr bemerkt eine Streifenwagenbesatzung auf der Rheinuferstraße, dass das Kabinenschiff brennt, und alarmiert die Feuerwehr. Es wird Großalarm ausgelöst. Rund 80 Wehrleute rücken mit Dutzenden Löschfahrzeugen und Rettungswagen an, die Polizei ist mit 30 Beamten im Einsatz.

Köln - Bei einem der schwersten Unglücke auf dem Rhein gerät das niederländische Kabinenschiff "Prinses Irene" am Kölner Rheinufer in Brand und sinkt. - 22 Menschen sterben. - Foto vom 19.04.1975

Köln - Bei einem der schwersten Unglücke auf dem Rhein gerät am 19.04.1975 das niederländische Kabinenschiff 'Prinses Irene' am Kölner Rheinufer in Brand und sinkt. - 22 Menschen sterben. - Foto vom 21.04.1975

Kommissar Bruno Küpper gehört zu den ersten, die auf das brennende Schiff stürmen, um zu helfen. Ihm kommen spärlich bekleidete, meist ältere Menschen entgegen – viele barfuß, in Nachthemd und Pyjama, zitternd, weinend. Besatzungsmitglieder, Polizisten und Feuerwehrleute versuchen, möglichst viele der hilflosen Personen aus dem unteren Deck zu befreien. Doch es kommt Wind auf, die Flammen lodern immer stärker, der Qualm wird dichter.

Das gesunkene Schiff ragt während der Bergung halb aus dem Wasser.

Das gesunkene Schiff ragt während der Bergung halb aus dem Wasser.

Um kurz nach 3 Uhr müssen Kapitän Jan Tillema, seine Crew und die Einsatzkräfte die Rettungsaktion einstellen. 83 Menschen haben die Katastrophe überlebt, für die anderen gibt es keine Hoffnung mehr. Die Feuerwehr konzentriert sich darauf, den Brand zu löschen, der in der Mitte des Schiffs ausgebrochen ist.

Drama am 18. April: „Prinses Irene“ sinkt um 4 Uhr morgens

Während die Beamten die Schläuche auf das Schiff richten, wird gleichzeitig das Löschwasser aus dem Rumpf abgepumpt. Trotzdem sinkt die „Prinses Irene“ um kurz nach 4 Uhr morgens. Die Feuerwehrmänner, die in letzter Sekunde von Bord gegangen sind, schauen entsetzt zu, wie das Schiff erst in Schräglage gerät, dann mit einem gewaltigen Krachen gegen die Ufermauer schlägt und schließlich in den trüben Fluten versinkt. Die verstörten und teils verletzten Passagiere werden in Krankenhäuser gebracht oder in den Riehler Heimstätten einquartiert. Viele haben nichts als ihr nacktes Leben retten können.

Mit riesigen Schiffskränen wird die „Prinses Irene“ angehoben. Im Vordergrund das Wrack der 1973 dort gesunkenen „Regina“.

Mit riesigen Schiffskränen wird die „Prinses Irene“ angehoben. Im Vordergrund das Wrack der 1973 dort gesunkenen „Regina“.

Zeitzeuge Georg Bönisch (76), damals 26 Jahre alt und Reporter bei der „Kölnischen Rundschau“, erinnert sich. In der Sammelstelle in dem Riehler Altersheim hat er seinerzeit den 69-jährigen Kriegsinvaliden Jan Willem Uiterweyk interviewt. Der berichtet, wie er im Schlaf geweckt wurde, als jemand wie wild an die Kabinentür klopfte und „Feuer, Feuer!“ schrie. Er sei aus dem Bett raus, habe aber keine Zeit gehabt, seine Beinprothese anzulegen, und sei deshalb auf seinem gesunden Bein aufs Oberdeck gehumpelt, gestützt von einem Begleiter.

Auf Bönischs Frage, wie viele seiner Landsleute ihr Leben gelassen haben, sagt der Niederländer, er glaube nicht, dass noch jemand an Bord gewesen sei. Das ganze Ausmaß der Katastrophe hat man der Reisegruppe zu diesem Zeitpunkt offenbar vorenthalten.

„Was soll ich nur tun? Was soll ich nur tun?“

Dann wird Bönisch Zeuge, wie einer der geretteten Passagiere, ein 75-jähriger Mann, erfährt, dass seine Frau den Brand nicht überlebt hat. Der Mann habe sekundenlang unbeweglich dagestanden, die Finger verkrampft gespreizt, dann sei er ans Fenster gestürzt und habe geschrien: „Was soll ich nur tun? Was soll ich nur tun?“, schildert Bönisch die beklemmende Szene später in seinem Artikel. Im Rückblick sagt er heute: „Das war einer der bewegendsten Momente in meinem Journalistenleben.“

Das Leid, das der Brand über die Opfer und ihre Familien gebracht hat, hält Schaulustige nicht davon ab, sich das Wrack aus der Nähe anzuschauen. Von nah und fern strömen die Menschen zu Tausenden ans Rheinufer, um einen Blick auf das Totenschiff zu erhaschen. Viele haben Proviant und Kameras dabei und harren viele Stunden vor Ort aus. Besonders makaber: Gleich neben der Unglücksstelle liegt noch das Wrack der „Regina“ im Rhein. Das Kabinenschiff ist im Oktober 1973 in Köln gesunken, wird aber erst im Januar 1976 geborgen.

Um die „Prinses Irene“ aus den Fluten zu heben, werden die riesigen Schwimmkräne „Gigant“ und „Hai“ angefordert. Am Montagmorgen gelingt die Mission, am Dienstag wird das Wrack zurück nach Arnheim geschleppt. Die Brandursache kann nicht eindeutig geklärt werden. Die Ermittler sind sicher, dass es kein technischer Defekt war, sondern offenes Feuer, möglicherweise ausgelöst durch eine brennende Zigarette. An Bord galt Rauchverbot, doch das hätten einige nicht beachtet, heißt es.

Nach etwa einem Jahr habe die Staatsanwaltschaft Köln die Ermittlungen eingestellt, erinnert sich Bönisch. Für das schwerste Schiffsunglück, das sich in Köln je ereignet hat, sei am Ende niemand zur Rechenschaft gezogen worden.