AboAbonnieren

Kostenloses FrühstückViele Kölner Kinder kommen hungrig in die Schule – ein Verein will helfen

Lesezeit 5 Minuten
Für viele Kinder fällt das Frühstück vor der Schule flach.

Für viele Kinder fällt das Frühstück vor der Schule flach.

Der Verein „brotZeit“ bietet hungrigen Schülern kostenloses Frühstück an und sucht dafür ehrenamtliche Helfer, vorzugsweise Senioren. Die Initiative soll auch in Kerpen und Bonn starten.

Hungrig in den Unterricht? Das darf nicht sein, sagt der Verein „brotZeit“ und bietet kostenloses Frühstück an Grund- und Förderschulen in ganz Deutschland. In Köln startet er jetzt an vier Schulen und sucht dafür ehrenamtliche Helferinnen und Helfer.

„Jeder, der gerne mit Kindern arbeitet und im Team etwas bewirken will“, sei willkommen, sagt Timo Wagner, der Projektleiter der Region südliches Rheinland. An zwei oder drei Vormittagen in der Woche sollten die Interessenten Zeit haben. Deshalb wendet sich der Verein vor allem an Seniorinnen und Senioren oder Menschen auf dem Weg in den Ruhestand, „die eventuell schon Teilzeit arbeiten“.

Kostenloses Frühstück: Los geht es in Köln-Kalk

Los geht es Ende April an der Grundschule Westerwaldstraße in Kalk und an der James-Krüss-Grundschule in Ostheim. Die Meschenicher Schule im Süden und weitere sollen folgen; auch in Kerpen und Bonn stehen schon Schulen in den Startlöchern.

Die Aufgaben der Ehrenamtlichen: Sie schnippeln frühmorgens Obst und Gemüse, kochen Tee und schneiden Vollkornbrot, richten Wurst und Käse an. Dann erwarten sie die Schülerinnen und Schüler mit einem gesunden Büffet und freundlichen Worten. Sie arbeiten mindestens zu zweit, je nach Schülerzahl auch in größeren Teams. Der Einsatz dauert mit Aufräumen etwa zweieinhalb Stunden am Tag.

Der Frühstücksraum einer Schule öffnet eine dreiviertel Stunde vor Unterrichtsbeginn. „Jeder darf mitessen“, sagt Timo Wagner. Das Angebot ist aber besonders für die wichtig, die zu Hause kein Frühstück bekommen – laut verschiedener Studien jedes fünfte Kind in Deutschland.

Manche Kinder werden zu Hause gar nicht geweckt. Die müssen sich allein fertigmachen und wissen gar nicht, wieviel Uhr es ist, wenn sie ankommen.
Timo Wagner, Projektleiter

Da ist es gut, wenn an der Schule schon ein Raum offen ist, wenn Erwachsene da sind, die sich kümmern, wenn neben dem Hunger nach Brot auch der nach Zuwendung und Gemeinschaft gestillt wird. Hier können die Kinder bei Apfelschnitzen und Käsebrot schon mal eine Runde quatschen mit den Freunden oder den Frühstückshelfern. „Die Lehrer“, so Wagner, „berichten uns, dass die Kinder in der ersten Stunde dann konzentrierter sind“.

Uschi Glas gründete Verein „brotZeit“

Wie wichtig das Frühstück für Schulkinder ist, erkannte die Schauspielerin Uschi Glas vor 15 Jahren und gründete in München den Verein brotZeit. „Aktuell versorgt unser Verein täglich 15 000 Kinder in Deutschland. Das ist immens wichtig, denn wir wissen, dass Hunger von Kindern unter anderem zu Konzentrationsschwierigkeiten beim Lernen und damit zu Chancenungerechtigkeit im Vergleich zu den Kindern führt, die zuhause ein Frühstück bekommen“, erklärt brotZeit-Vorstandsvorsitzender Hans-Jürgen Engler.

Mit 100 Grund- und Förderschulen kooperiert der Verein schon in Nordrhein-Westfalen. Bis 2025 sollen es 220 werden. Das Land NRW unterstützt brotZeit und stattet die teilnehmenden Schulen mit Kühlschränken, Ausgabetheken und Teekannen aus. In der James-Krüss-Grundschule wird so eine ehemalige Lehrküche zum Frühstücksraum umgerüstet. In der Westerwaldstraße ist der Aufwand geringer: Hier kann der Verein die Räume der OGS nutzen.

Aufnehmen darf der Verein alle Grund- und Förderschulen mit einem Schulsozialindex zwischen 6 und 9. Dieser Index bildet die Herausforderungen ab, die sich aus der Zusammensetzung der Schülerschaft ergeben – wie hoch der Anteil mit armen Kindern, Kindern mit nichtdeutscher Familiensprache, mit eigener Migrationserfahrung oder Förderbedarf ist. 9 steht dabei für die höchste Belastung.

2020 gab es laut Schulministerium die erste Evaluierung; 2023 dann eine Überarbeitung. Dabei stieg die Zahl der Kölner Grund- und Förderschulen mit Anspruch auf ein brotZeit-Frühstück von 19 auf 46, so Timo Wagner: „Der Bedarf ist also rasant gewachsen.“ Bisher hätten sich allerdings erst zehn Schulen um das brotZeit-Frühstück beworben.

Die Lebensmittel spendet eine Supermarktkette; mit Spendengeldern bezahlt der Verein die Aufwandsentschädigung von sieben Euro die Stunde für die Ehrenamtlichen. „Ohne die Seniorinnen und Senioren ginge es nicht“, sagt Timo Wagner. Er nennt sie liebevoll Frühstücksomis und -opis. An Schulen im Ruhrgebiet hat er gesehen, welche herzlichen Beziehungen Helfer und Kinder aufbauen: „Manche Frühstücksomi ist seit zehn Jahren dabei – die begleitet die Kinder durch die gesamte Schulzeit.“

Seniorinnen und Senioren, die Interesse und an Schultagen morgens Zeit haben, das Projekt von brotZeit in Köln zu unterstützen, können sich bei Timo Wagner, Projektleiter der Förderregion Südliches Rheinland, melden unter der Telefonnummer . 0173/429 88 75 oder E-Mail wagner@brotzeit.schule. Für das Ehrenamt zahlt brotZeit eine Aufwandsentschädigung im Rahmen der Übungsleiterpauschale.


Ohne Frühstück zum Unterricht: Die Lage an Kölner Schulen

800 kostenlose belegte Brötchen werden an der Martin-Köllen-Schule in Kalk pro Monat ungefähr verteilt. Seit rund sechs Jahren gibt es an der Förderschule eine „Butterbrot-Aktion“, die jeden Morgen drei Brötchen pro Klasse bereitstellt. Bei circa 13 Kindern in jeder Klasse nimmt also rund ein Viertel der Kinder das Angebot wahr. „In Köln ist es ein weit verbreitetes Problem, dass Schülerinnen und Schüler ohne Frühstück zum Unterricht kommen. Oft haben sie auch keine gefüllten Brotdosen dabei“, erklärt Anke Schmucker, Koordinatorin des Jugendhilfeträgers CJG Haus Miriam an der Schule. Es gebe jedoch Unterschiede zwischen den Stadtteilen. „Von den Brötchen, die bei uns verteilt werden, bleibt nichts übrig. Wenn alle ein Brötchen bekommen würden, die eins brauchen, wäre das in den meisten Fällen die Hälfte der Klasse“. Finanziert wird der kostenlose Snack vom Verein „Aktion Murmeltier – Zeit für Kinder“.

Über fünf Stunden hungern

Wer nicht frühstückt, muss bis circa 13.30 Uhr aushalten, dann gibt es Mittagessen im Ganztag. Am Kiosk der Martin-Köllen-Schule gebe es zwar gesunde Kost wie belegte Körnerbrötchen für 80 Cent, aber auch damit können viele Betroffene Kinder und Jugendliche nicht erreicht werden. „Zum einen, weil den Familien nicht genug Geld zur Verfügung steht, aber auch, weil die Eltern nicht daran denken Ihren Kindern Geld mitzugeben“, erklärt Schmucker. „Die Verpflegung der Kinder mit ausreichend Essen hat nicht in allen Familien eine hohe Priorität.“ Besonders im Kalker Raum werde die Verpflegung, die Kinder von ihren Eltern bekommen immer mauer. Gerade in den unteren Klassen seien Kinder jedoch darauf angewiesen.

„Bei uns hat sich das Problem in den vergangenen Jahren auf Grund der Inflation und steigenden Kosten verschärft.“ Früher hätten Eltern ihren Kindern einfach 50 Cent für den Bäcker zugesteckt. Dafür gebe es heute aber oft noch nicht mal ein trockenes Brötchen. (lig)