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Hilfe für SchmerzpatientenDieses Kölner Unternehmen beliefert ganz Deutschland mit Cannabis

Lesezeit 4 Minuten

Ärzte können im Einzelfall medizinisches Cannabis verschreiben.

Das Kölner Unternehmen „enua pharma“ gehört zu den größten Anbietern von medizinischem Cannabis in Deutschland.

Seit dem 1. April dieses Jahres ist Cannabis kein Betäubungsmittel mehr. Das bedeutet, dass medizinisches Cannabis bei entsprechenden Beschwerden nun über ein rosafarbenes Standardrezept erhältlich ist. Für das Kölner Pharma-Unternehmen „enua“ ein Meilenstein: Seit dem vergangenen Jahr hat das einstige Start-up seine Mitarbeiterzahl verdoppelt und seinen Umsatz verdreieinhalbfacht. Heute zählt „enua“ zu den drei größten unabhängigen Anbietern für medizinisches Cannabis in Deutschland.

„Enua“ bedeutet soviel wie positives Denken. 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sitzen auf einer Etage der Ehrenfelder Büroimmobilie „The Ship“, eine der digitalsten Deutschlands. In der Kaffeeküche gibt es Sauerkraut- und Ingwersaft zum Zapfen, kleine Boxen im Großraum dienen als Besprechungsräume, an den Wänden hängen stark vergrößerte Bilder von Cannabispflanzen. Aktuell bietet das Unternehmen 22 verschiedene Sorten an, am Ende des Jahres sollen es 30 sein. Ungefähr eine halbe Tonne medizinisches Cannabis verkaufen sie im Monat, rund 20 Millionen Euro Umsatz macht „enua“ damit 2024 und ist dabei profitabel.

Cannabis kommt aus Kanada

Dabei gilt die Kölner Firma zwar als offiziell als Hersteller für Medizinalcannabis, produziert wird es allerdings nicht selbst und nicht in Deutschland. „Wir arbeiten aktuell mit acht verschiedenen Produzenten in Kanada zusammen“, erklärt Geschäftsführer und Gesellschafter Albert Schwarzmeier. Dort wurden Milliarden in die Cannabis-Produktion investiert - als eine Art Pendant zur Tech-Hochburg Silicon Valley. Hier werden die Pflanzen teilweise auf fußballgroßen Feldern angebaut.

„enua“-Geschäftsführer Albert Schwarzmeier

Die Gründung des Unternehmens hat auch einen privaten Hintergrund. Die Tante von Lars Möhring erkrankte an Brustkrebs, legal an Cannabis für ihre Schmerztherapie zu kommen, war jedoch in einem Radius von 200 Kilometer rund um Aachen kaum möglich. 2018 gründeten Lars Möhring und Markus Musiol „enua“ in Aachen, vor allem um die schlechte Versorgungssituation von Cannabispatienten in Deutschland zu verbessern.

2023 zog das Unternehmen nach Köln um. Mittlerweile beliefern sie laut Schwarzmeier mehr als 850 Apotheken in Deutschland, darunter auch Online-Apotheken. Patientinnen und Patienten können mit einem Rezept, das es mittlerweile auch bei Telemedizinern gibt, in rund 2000 Apotheken Cannabis kaufen. Zwischen fünf und 15 Euro kostet das Gramm in der Apotheke inklusive Mehrwertsteuer, je nach Krankheitsbild bezahlen es auch die Krankenkassen.

Seit 2017 gibt es in Deutschland medizinisches Cannabis auf Rezept. Aber schon vor zwei- bis dreitausend Jahren ist die Pflanze im alltäglichen Gebrauch in der Schmerztherapie eingesetzt worden.
Albert Schwarzmeier, CEO von „enua“

„Krebs, Epilepsie, Multiple Sklerose, Alzheimer“, zählt Albert Schwarzmeier die schwerwiegenden Krankheiten auf, bei denen Cannabis schmerzlindernd wirkt oder auch Anfälle verhindert. Aber auch Volkskrankheiten wie Rückenschmerzen, Rheuma, Migräne oder Schlafstörungen können behandelt werden. „Seit 2017 gibt es in Deutschland medizinisches Cannabis auf Rezept. Aber schon vor zwei- bis dreitausend Jahren ist die Pflanze im alltäglichen Gebrauch in der Schmerztherapie eingesetzt worden“, sagt Schwarzmeier über das Naturprodukt. „Im Labor hergestellte Schmerzmittel haben zum Teil viele unschöne Nebenwirkungen.“

Eben weil es sich um ein Naturprodukt handelt, sind die Vorschriften für das Unternehmen sehr streng. Mehrere unabhängige Kontrollen durchläuft das Produkt, bevor es beim Verbraucher landet. Unter anderem wird die Haltbarkeit geprüft - unbehandelt sind die Blüten nur rund drei Monate haltbar - und der THC-Gehalt. „Dieser ist entscheidend für die Dosierung, die vom Arzt verschrieben wird“, erklärt der Geschäftsführer. Per Flugzeug kommt die Fracht nach Deutschland, natürlich unter den wachsamen Augen des Zolls und des Gesundheitsministeriums.

Gründer wollen medizinisches Cannabis entstigmatisieren

Dark Shadow Haze, Strawberry Cake oder Cold Creek Kush heißen die verschiedenen Sorten, die alle unterschiedlichen Krankheitsbildern zugeordnet werden. Bei der Verschreibung übernehmen erfahrene Ärzte die Beratung, es gebe aber auch viele Patienten, die sich in Foren und sozialen Medien vernetzen und informieren. Auch bei „enua“ ist die Meinung der Kunden wichtig. „Bei uns stehen die Patientinnen und Patienten im Fokus. Wir wollen ihr Leben besser machen und ihnen helfen, besser durch den Tag oder durch die Nacht zu kommen“, sagt Schwarzmeier. „Unsere Vision ist ‚We change Society for the Better.‘“ Übersetzt heißt das soviel wie die Gesellschaft zu einem besseren verändern - und medizinisches Cannabis zu entstigmatisieren.

Dass es auch in diesem Bereich Medikamentenmissbrauch gibt, sei auch dem Unternehmen klar. „Im Großen und Ganzen hilft medizinisches Cannabis von Enua über 20.000 kranken Patienten jeden Monat. Es gibt jedoch auch einen kleinen Teil von privaten Selbstzahlern, die nun nicht mehr ungeprüfte und oft verunreinigte Blüten im Schwarzmarkt kaufen müssen, sondern medizinisches Cannabis aus der Apotheke zum Freizeitkonsum nutzen.“ Wer in dem Kölner Unternehmen anfängt, muss übrigens keine Erfahrungen mit dem Konsum haben. „Wir haben Leute im Team, die haben noch nie Cannabis geraucht“, so der Geschäftsführer. Für die Einkäufer gilt das aber im Übrigen nicht. „Die müssen die Produkte natürlich kennen und verstehen.“