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Interview

Neuer Kölner „Hochwasserpapst“
„Wahrscheinlichkeit für Hochwasser in Köln steigt“

Lesezeit 5 Minuten
Der Pegel des Rheins steigt zuzeit wieder. Am Mittwoch stand er bei 6,12 Metern.

Der Pegel des Rheins steigt zuzeit wieder. Am Mittwoch stand er bei 6,12 Metern.

Die Kölner und „ihr“ Rhein, das ist eine hochemotionale Bindung. Es ist also kein Job wie jeder andere, für das Hochwasser am Rhein zuständig zu sein.

Welche Bedeutung Ihren Aufgaben in Köln beigemessen wird, lässt sich vielleicht am besten daran ablesen, dass Ihre Vorgänger in dieser Position jeweils als „Hochwasserpapst“ bezeichnet wurden. Ein Titel, der Ihnen Respekt einflößt — oder gefällt er Ihnen gar?

Erst einmal zeigt der Titel, dass da sehr gute Arbeit geleistet wurde — und dass die Fußstapfen damit sehr groß für mich sind. Aber ob ich als Hochwasserpapst benannt werden möchte? Nein, lieber nicht. Denn zum einen bin ich noch zu kurz dabei, um schon einen wesentlichen Beitrag zum Hochwasserschutz in Köln geleistet zu haben. Zum anderen ist es nie eine Person allein, die eine so große Aufgabe bewältigen kann. Als ich meinen Job aufgenommen habe, habe ich gleich erkannt, dass hier sehr viele Menschen Hand in Hand am Hochwasserschutz arbeiten: in der Hochwasserzentrale der Steb Köln, beim THW, bei der DLRG, bei der Polizei, der Feuerwehr sowie in den zuständigen Ämtern der Stadtverwaltung. Und nicht zuletzt – was ich sehr schön finde – sind es lokale Betriebe und Firmen, die im Hochwasserfall dabei helfen, die mobilen Schutzwände aufzubauen. Das zeigt für mich, wie verbunden die Menschen mit ihrer Stadt sind.

Ulf Schulze Hennings ist der neue Kölner „Hochwasserpapst“.

Ulf Schulze Hennings ist der neue Kölner „Hochwasserpapst“.

Wenn ein neuer Papst gewählt wird, steigt weißer Rauch auf. Ich glaube, bei Ihnen war der Weg ein anderer. Welcher?

Ich war vorher in einem ähnlichen Arbeitsbereich tätig. Ich war im Chemiepark in Wesseling für die Entsorgung zuständig, also auch für Abwasserbehandlung, Kanalisation, Hochwasserschutz … Vorher hatte ich in Aachen am Institut für Siedlungswasserwirtschaft promoviert. Vor diesem Hintergrund fand die ich die Aufgabe bei der Steb Köln sehr interessant, denn die lässt sich auf den einfachen Nenner reduzieren: Wir schützen Köln und wir schützen den Rhein. Das finde ich motivierend.

Würden wir hier nur über den Hochwasserschutz reden, dann hätten wir Ihr neues Arbeitsfeld unzulässig verknappt. Für was sind Sie alles zuständig?

Tatsächlich sind das Hochwasser und der Hochwasserschutz nur ein Teil der Aufgaben in meinem Geschäftsbereich. In die Zuständigkeit fällt auch noch das Betreiben und der Erhalt des Kanalnetzes in Köln, der Bäche und Weiher.

Immer mehr Starkregenereignisse, die Flutkatastrophe an Ahr und Erft - hat das den Hochwasserschutz verändert?

Die Prognosen sagen uns, dass zwar die Gesamtmenge der Niederschläge über das Jahr verteilt annähernd gleich bleibt, aber die Ereignisse verschieben sich: Im Sommer haben wir vermehrt Trockenphasen, im Winter vermehrt Regenfälle. Das hat Auswirkungen auf den Abfluss im Rhein. Also im Winter zunehmenden Abfluss, im Sommer abnehmenden. Dabei gibt es eine Tendenz zu stärkeren Regenfällen und zu weniger Schnee. Wir werden häufiger Extremwetter haben, also auch extremere Abflüsse im in den Rhein. Die Wahrscheinlichkeit für Hochwasser im Rhein steigt also. Kurz gesagt: Es kommt alles geballter.

Hochwasser im Rhein „relativ gut vorauszusehen“

Das klingt problematisch.

Wir haben das Glück, mit dem Rhein an einem sehr großen Fluss zu leben. Im Gegensatz zu kleinen Bächen können wir am Rhein relativ gut voraussehen, wie sich das Hochwasser entwickelt. Darauf beruht ja auch unser Schutzkonzept. Wir haben immer ein, zwei Tage Vorlauf, um Maßnahmen treffen zu können.

Welche Warnsignale gibt es für das Hochwasser in Köln?

Der Kölner Pegel ergibt sich daraus, wie im Oberlauf des Rheins die Wasserverhältnisse sind. Das hängt mit der Schneeschmelze zusammen und den Zuläufen aus den Zuflüssen, wie beispielsweise der Mosel. Daraus resultiert dann der Pegel für Köln.

Seit den katastrophalen Hochwässern in Köln in den 1990er Jahren wurde die Stadt unter anderem mit den Schutzwänden für einen Pegel von bis zu 11,90 Meter abgesichert. Reicht das noch angesichts der Prognosen?

Mit den Sicherheitsmaßnahmen, wie wir sie heute haben und dem Vorteil, eine Hochwassergefahr frühzeitig erkennen zu können, sind wir in Köln wirklich gut aufgestellt. Wenn sie Sie dann noch in Betracht ziehen, wie viele Leute hier im Ernstfall helfen, so haben wir wirklich eine sehr gute Ausgangslage. Darauf kann man stolz sein. Dennoch muss bedacht werden, jeder technische Schutz endet irgendwann einmal. Darum ist es zudem wichtig, dass die Bürgerinnen und Bürger auch Verantwortung übernehmen, sich gegen das Hochwasser schützen. Beispielsweise sich dagegen wappnen, dass Hochwasser über den Abfluss in die Häuser drückt. Darum bieten wir den Wasser-Risiko-Check auf unserer Internetseite an. So kann jeder in Erfahrung bringen, ob er in einem Gefahrenbereich lebt und wie Schutzmaßnahmen für ihn aussehen könnten.

Bei der jüngsten Hochwasserschutzübung gab es erstmals den Aufruf an freiwillige Helfer aus der Bevölkerung. Wie war die Resonanz? Ist das ein Konzept für die Zukunft?

Wir wollten damit testen, ob wir die Bevölkerung einbeziehen können. Rund 50 Freiwillige haben uns dabei unterstützt, Sandsäcke zu füllen und einen Wall aus Sandsäcken aufzubauen. Insgesamt hat das gut funktioniert. Für das nächste Mal wollen wir aber noch eine höhere Verbindlichkeit für beide Seiten schaffen. Das heißt, die, die sich angemeldet haben, müssen sich im Notfall auch wieder abmelden können, damit wir sicher wissen, mit wie vielen Helfern wir planen dürfen. Das Konzept ist aber grundsätzlich zukunftsweisend.


Der Weg zum Kölner Hochwasserexperten

42 Jahre ist Dr. Ulf Schulze Hennings alt. Zum 1. Oktober hat er die Leitung des Geschäftsbereiches „Infrastrukturbewirtschaftung Netze“ übernommen, der zuvor kommissarisch von Heinz Brandenburg geleitet wurde.

Den gebürtigen Kölner verschlug es zunächst zum Studium in den hohen Norden: Er studierte Verfahrenstechnik an der Technischen Universität der Hamburg und promovierte anschließend an der RWTH Aachen am Institut für Siedlungswasserwirtschaft.

Zuletzt war Ulf Schulze-Hennings im Chemiepark Wesseling für Evonik tätig. Dort verantwortete er die Entsorgung, zu der die Bereiche Abfall, Kläranlage, Hochwasser, Kanäle und ein Umweltlabor gehörten.

Abwasser war auch der Schwerpunkt seiner vorherigen beruflichen Stationen bei Currenta in Krefeld und beim Ingenieurbüro „Sweco GmbH“, wo er Projekte leitete.

Seine Freizeit verbringt Ulf Schulze-Hennings gerne mit seiner Familie und Freunden. Darüber hinaus geht er zum Taekwondo, spielt Skat, liest und hört gerne Musik. In seiner Plattensammlung befindet sich alles von Klassik bis Elektro.