Vor Gericht steht eine Tochter, die versucht haben soll, ihre demente Mutter zu töten. Sie gab der 88-Jährigen hohe Dosen Insulin, woraufhin die Anklage wegen Mordes folgte.
Insulin-ProzessTochter wollte ihre demente Mutter erlösen – Tränen vor Kölner Gericht
Emotional und tränenreich ging es am Dienstag im Prozess gegen eine 62-Jährige weiter, die unter anderem wegen versuchten Mordes an ihrer demenzkranken Mutter (88) derzeit vor dem Landgericht steht. Im Zeugenstand sagten zwei Söhne (26 und 30) der Angeklagten aus, nachdem ein weiterer Sohn (28) und ihr Ehemann (57) von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht und geschwiegen hatten. Beim Prozessauftakt am Montag hatte die 62-Jährige ein Geständnis abgelegt. Demnach habe sie ihrer in einem Pflegeheim in Ehrenfeld untergebrachten Mutter im Januar dieses Jahres rund 60 Einheiten Insulin mit einem Pen verabreicht. Damit habe sie ihrer Mutter das Leben, das keines mehr gewesen sei, „abzunehmen“ versucht. Weiter hieß es in der von einem Verteidiger verlesenen Erklärung, dass die 62-Jährige auf „ausdrückliche Bitte“ ihrer Mutter gehandelt habe. Die 88-Jährige überlebte jedoch und befindet sich wieder in einem Pflegeheim.
Großmutter äußerte den Wunsch zu sterben
Die Zeugenvernehmungen machten mit all ihrer Emotionalität einmal mehr deutlich, dass Tod und Sterben Themen sind, über die niemand gerne spricht. Weder vor Gericht, noch mit der hochbetagten Großmutter, die den Wunsch äußerte, sterben zu wollen. Der 30-Jährige schien es in gewissem Maße zu bereuen, dass er mit seiner Großmutter nicht tiefergehender über das Sterben gesprochen hatte. „Ich wollte das leider alles nicht hören, weil sie ja meine Großmutter ist“, sagte der 30-Jährige aufgewühlt unter Tränen. Er habe aber auch den Eindruck gehabt, dass die Oma einsam gewesen sei und auch Mitleid wollte. Auf die Nachfrage des Staatsanwalts, ob der Sterbewunsch vielleicht nur geäußert wurde, um Mitleid zu erwecken, sagte der 30-Jährige: „Mir kam der Sterbewunsch immer ernsthaft vor.“
Der 26-jährige Sohn der Angeklagte, der von Beruf Polizist ist, berichtete dem Gericht, dass die Großmutter immer einen verbitterteren Eindruck gemacht habe. Am Älterwerden habe die 88-Jährige zu knabbern gehabt: „Ihr passte nicht, dass sie einen Rollator brauchte.“ Eine gewisse Eitelkeit und Exzentrik könne er der Großmutter ebenfalls nicht absprechen. Da er wegen seines Berufs von Köln nach Wiesbaden gezogen sei, habe er die Großmutter zuletzt nur noch selten gesehen. „Ich war immer der Kleine für sie. Meinen Namen hat sie irgendwann nicht mehr gewusst. Dann hat sie geweint, weil sie sich geschämt hat“, sagte der 26-Jährige. Es sei auch mal vorgekommen, dass sie ihm gesagt habe: „Ich kenne Sie nicht.“ Die Großmutter habe auch immer wieder geäußert, sterben zu wollen.
Als sie noch in ihrer Wohnung gelebt habe, habe er den Sterbewunsch eher als Wehklagen verstanden. „Im Heim war das aber schon deutlich konkreter“, sagte der 26-Jährige weiter und berichtete von Weihnachten 2023. „Da saß sie auf einem Stuhl und hat geweint und gesagt: Warum muss ich so leben, ich möchte das doch nicht.“ Ob er sich Sorgen gemacht habe, wenn die Großmutter sowas gesagt habe, fragte der Vorsitzende. Der 26-Jährige verneinte: „Nennen Sie mich herzlos, aber es war mir zu dem Zeitpunkt egal. Das war nicht mehr meine Oma“, sagte er unter Tränen. Der Prozess wird Ende Oktober fortgesetzt.