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Individuelle MedikamenteZwei junge Kölner wollen mit ihrem 3D-Pillendrucker die Medizin verbessern

Lesezeit 4 Minuten
Zwei junge Männer stehen neben einer Maschine.

Die Gründer von goatAM: Fabian Loose (l.) und Tilmann Spitz mit dem Prototypen ihres 3D-Pillendruckers.

Beste Medizin für alle, das ist das Ziel der Entwicklung von zwei Kölner Maschinenbauern. Das Kölner Start-Up will den Medizinmarkt revolutionieren.

Immer wieder fährt die Druckerdüse über eine Fläche. Aus dem hauchdünnen Strahl, den sie aufträgt, baut sich Schicht um Schicht eine ovale Tablettenform auf. Nach knapp eineinhalb Minuten ist die Tablette fertig. Ihr Wirkstoffgehalt: präzise so wie vorher eingestellt. Das, was die Gründer des Kölner Startups goatAM im Rechtsrheinischen Technologie- und Gründerzentrum (RTZ) in Humbold-Gremberg zeigen, könnte bald in allen Apotheken stehen. Tilmann Spitz, 36, und Fabian Loose, 33, haben einen 3D-Drucker für Medikamente entwickelt. Sein Einsatzgebiet: die personalisierte Medizin.

In der personalisierten Medizin wird den unterschiedlichen Voraussetzungen und Bedürfnissen einzelner Patientinnen und Patienten besonders Rechnung getragen. Denn nicht jeder braucht ein Medikament genau in der handelsüblichen Dosierung. In der Kinderheilkunde beispielsweise sind sehr viele unterschiedliche Dosierungen notwendig. Der Drucker ermöglicht die nachhaltige und wirtschaftliche Produktion personalisierter Arzneimittel in kleinen Mengen und individuellen Dosierungen.

„Grundsätzlich verstoffwechseln viele Menschen bestimmte Medikamente unterschiedlich“, sagt Professor Julian Quodbach vom Institut für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie an der Universität Utrecht. Quodbach sieht ein enormes Potential in der personalisierten Medizin - und im goatAM-3D-Drucker. Die Kölner Entwicklung kennt er seit ihren Kinderschuhen und findet sie „klasse“.

„Wir können für den Drucker die Dosierung eines Wirkstoffs bis auf 0,1 mg genau einstellen“, erklärt goatAM-Gründer Spitz. Zudem ist es möglich, Wirkstoffe zu kombinieren. Das führt dazu, dass ein Patient weniger Tabletten schlucken muss. Geliefert werden die Wirkstoffe von der Pharmaindustrie vermischt mit Trägermaterial als dünne runde Stäbchen.

Oberfläche kann individuell gestaltet werden

Dass Oberfläche und Form einer gedruckten Tablette beliebig gestaltet werden können, bietet zusätzliche Möglichkeiten. „Zum einen werden unterschiedliche Formen unterschiedlich freigesetzt, zum anderen ist es auch möglich, für Kinder attraktivere Tabletten-Formen wie Teddys herzustellen“, sagt Loose.

Die Pharmafirma Merck hat die Medikamente in dünnen Stäbchen aus biokompatiblem Trägermaterial für das Kölner Startup entwickelt. Und zwar während der rund dreieinhalb Jahre langen Entwicklungsphase von 2019 bis 2022. „Diese Stäbchen kann man wunderbar transportieren und lagern“, sagt Spitz.

Welche Anforderungen an die Herstellung von Medikamenten gestellt werden, mussten Spitz und Loose sich erst einmal gründlich aneignen. Denn als Professor Jörg Breitkreuz vom Bereich  „Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie“ an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf 2017 bei der TH anklopfte, waren die beiden Maschinenbauer mit etwas ganz anderem beschäftigt. „Wir haben im Labor für Fertigungssysteme unter anderem Prototypen, die die  Automobilindustrie nutzen kann, im 3D-Druck entwickelt“, sagt Loose, der aus Bonn stammt.

Steile Lernkurve

Wenn er sich an die ersten Gespräche zum Projekt 3D-Druck für Medikamente erinnert, gibt er zu: „Am Anfang haben wir uns gefühlt wie Rehe, die gerade überfahren werden. Pharmazeuten sprechen ja eine ganz andere Sprache als Maschinenbauer.“ Bei manchen Ausdrücken hätten sie erst einmal nachsehen müssen, ob das ein Fachbereich, eine Krankheit oder ein Wirkstoff sei, ergänzt der gebürtige Euskirchener Spitz.

Klar ist, dass es hohe Anforderungen an Sicherheit und Qualität gibt, so dass die gaotAM-Maschine mit viel Überwachungs-Sensorik und KI-basierten Algorithmen arbeitet. „Wichtig ist auch, dass die Bedienung inklusive Reinigung extrem sicher und sehr einfach ist“, sagt Spitz.

Seit Anfang 2023 ist goatAM als GmbH eingetragen. „Alles, was die Maschine einzigartig macht, haben wir patentiert“, sagt Loose. Die jungen Gründer sind im Gespräch mit Investoren, damit ihr 3D-Pillendrucker den letzten Sprung zur Marktreife vollziehen kann. Interesse gebe es. Von wem, ist noch geheim.

Eine Tablette, die per 3D-Druck hergestellt wurde.

Eine Tablette, die per 3D-Druck hergestellt wurde.

Ende 2024 waren Spitz und Loose auf eine Innovationsmesse in der Nähe von Shanghai eingeladen. Ebenfalls im vergangenen Jahr hat Kölnbusiness das Startup in sein Programm Cologne Masterclass aufgenommen. Dort sollen herausragende Startups am Wirtschaftsstandort Köln  bei Investoren bekannt gemacht werden.

Fester Glaube an Erfolg

Fakt ist: Noch ist ein entscheidender und kostspieliger Schritt Mit Investitionen in rund sechsstelliger Höhe notwendig. Denn der Prototyp, der im Firmensitz im RTZ steht, ist mit seinen rund zwei Metern Höhe noch zu groß. „Der Drucker soll auf die Größe eines Kaffeevollautomaten schrumpfen, damit er auch in jeder Apotheke unproblematisch Platz findet. In gut einem Jahr könnte er auf dem Markt angeboten werden“, sagen die Gründer.

An ihren Erfolg glauben sie fest. „Das ist ein Herzensprojekt von uns beiden. Wir haben viel Zeit und Energie und Geld investiert. Wir setzen alles daran, dass es funktioniert“, unterstreicht Loose. Und sein Kompagnon ergänzt: „Ich gehe zu hundert Prozent davon aus, dass unser Drucker auf den Markt kommt.“