Aktuell laufen drei Klagen gegen das Verweilverbot, das derzeit am Brüsseler Platz gilt. Auch der Hotel- und Gaststättenverband klagt.
Diskussion um LärmbelastungMehrheit im Stadtrat ist gegen verschärftes Verweilverbot am Brüsseler Platz

Die Diskussion um den Lärm auf dem Brüsseler Platz beschäftigt die Anwohnenden seit Jahren.
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Im Streit um den Brüsseler Platz deutet sich eine Klage-Welle an. Sowohl Anwohnende als auch Vertretende der Gastronomie klagen gegen das von der Stadtverwaltung angeordnete Verweilverbot.
Einer der Kläger ist Markus Schulte. Er wohnt auf der Südseite des Brüsseler Platzes im Bereich des „Hallmackenreuther“. Gemeinsam mit seiner Frau ist er eine von neun Parteien, die sich in einer Streitgenossenschaft zusammengetan haben. „Ich hätte mir nicht träumen lassen, mich einmal in einer solchen Situation engagieren zu müssen“, sagt Schulte.
Ihm sei wichtig: Die Anwohnenden, die sich gegen das Verweilverbot aussprechen, wollen damit nicht ihre eigene Nachtruhe gefährden. „Wir denken nur, die Verwaltung soll Ruhestörer wegen Ruhestörung verknacken und nicht ein ganzes Viertel in Sippenhaft nehmen für ein Vergehen, das sie selbst begangen hat.“ Es sei unvorstellbar, dass man abends nicht mehr ungezwungen vor die Tür gehen könne, um mit einem Nachbarn zu „klönen“. Die Stadtverwaltung habe sich „durch die gerichtlich festgestellte Nicht-Leistung den Mist selbst eingebrockt“, sagt Schulte. Damit meint Schulte auch den „Modus Vivendi“, den bereits 2013 ausgehandelten Kompromiss zwischen Stadt, Anwohnenden, Gastronomen und anderen Gewerbetreibenden. Dieser sah unter anderem eine „ausreichende Anzahl von Mitarbeitern des Ordnungsamtes“ vor, die Besucher des Brüsseler Platzes ab 22 Uhr darauf aufmerksam machen sollte, den Platz bis spätesten 24 Uhr zu verlassen.
Stadt will Verweilverbot auf alle Tage ausweiten
Per Gerichtsurteil ist die Stadt nach einem jahrelangen Rechtsstreit nun dazu verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die kritische Lärmwertgrenze von 60 dB(A) nicht überschritten wird. Das Verweilverbot soll aus Sicht der Verwaltung die Lösung bringen. Seit dem 7. Februar gilt per Allgemeinverfügung ein vorübergehendes Verweilverbot ab 22 Uhr, jeweils freitags, samstags und vor Feiertagen. Geht es nach der Verwaltung, reicht die Maßnahme nicht aus, um den Lärm am Brüsseler Platz so einzudämmen, wie das Gerichtsurteil es vorsieht. Eine Beschlussvorlage sieht deshalb eine Ausdehnung des Verweilverbots auf alle Tage von 22 bis 6 Uhr vor. Dieser Ausdehnung in Form einer ordnungsbehördlichen Verordnung muss der Stadtrat allerdings in der Sitzung am 3. April zustimmen.
Schulte ist mit seiner Streitgenossenschaft nicht der einzige Kläger. „Derzeit sind drei Klagen und zwei Eilverfahren anhängig, die darauf gerichtet sind, das Verweilverbot wieder aufzuheben – sowohl von Anwohner*innen als auch von Gastronomiebetrieben“, teilt die Stadt auf Anfrage mit. Für eine Klage hat sich etwa der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga mit einem Gastronomen zusammengetan. Das bestätigte Christoph Becker, Geschäftsführer des Dehoga Nordrhein.
Einen Teilerfolg sieht Anwohner Markus Schulte in der Entscheidung der Bezirksvertretung Innenstadt, die sich am Donnerstagabend sowohl gegen ein dauerhaftes als auch ein temporäres Verweilverbot aussprach. Am Montag geht das Thema in den Ausschuss Allgemeine Verwaltung (AVR), am 3. April muss der Rat entscheiden.
Ratsfraktionen lehnen ausgedehntes Verweilverbot ab
Gegen das auf alle Tage ausgedehnte Verweilverbot zeichnet sich in den Ratsfraktionen allerdings eine klare Mehrheit ab. Manfred Richter, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen-Fraktion, sagt: „Es muss mildere Mittel geben, die den Lärmschutz sicherstellen, aber das Leben auf dem Brüsseler Platz und den angrenzenden Straßen nicht so stark einschränken.“
Der CDU-Fraktionsvorsitzende Bernd Petelkau sagt: „Aus unserer Sicht wäre ein gezieltes Alkoholkonsumverbot am Brüsseler Platz die angemessenere und verhältnismäßigere Maßnahme als ein komplettes Verweil- oder Aufenthaltsverbot.“ Für „mildere Maßnahmen“ wie ein temporäres Alkoholkonsumverbot hatte sich bereits am Donnerstag die SPD-Fraktion ausgesprochen. Die Stadt lehnt ein Alkoholkonsumverbot in ihrer Beschlussvorlage jedoch ab. Der Alkoholkonsum fördere störendes Verhalten zwar, allerdings sei es die reine Menge an Personen auf der Fläche, die zur Lärmentwicklung führe - auch ohne weiteren Alkoholkonsum.
Genau wie Petelkau glaubt auch der FDP-Fraktionsvorsitzende Volker Görzel, dass ein generelles Verweilverbot ab 22 Uhr unter der Woche zum Präzedenzfall für ganz Köln werden könnte. Das könne auch Folgen für Orte wie den Heumarkt oder die Schaafenstraße haben. „Köln ist kein Eifeldorf – wir brauchen Lösungen, die Rücksicht nehmen, aber das urbane Leben nicht abwürgen.“ Güldane Tokyürek, Sprecherin der Linken-Fraktion, spricht sich für aus ihrer Sicht „verhältnismäßige Ordnungsmaßnahmen“ aus: ein tägliches Alkoholkonsumverbot ab 21 Uhr in Kombination mit einem Verweilverbot an den Wochenenden.
Bezirksvertretung ist gegen ein Verweilverbot am Brüsseler Platz
Die Bezirksvertretung (BV) Innenstadt hat sich in seiner Sitzung am Donnerstag gegen ein nächtliches Verweilverbot und für ein Alkoholkonsumverbot am Brüsseler Platz ausgesprochen. Einem entsprechenden Ersetzungsantrag stimmten unter anderem die Fraktionen der SPD, der CDU sowie Teile der Grünen zu.
Der Antrag sieht unter anderem ein Alkoholkonsumverbot ab 20 Uhr an allen Tagen vor, gastronomische Betriebe sind davon ausgenommen. Das Verweilverbot soll aufgehoben werden, bis eine Evaluierung der durch das Alkoholkonsumverbot ausgelösten Effekte auf die Lärmentwicklung vorliegen.
Die Argumente der Stadt für ein Verweilverbot seien nicht überzeugend, sagte die BV-Fraktionsvorsitzende der Grünen, Julie Cazier. Das Gericht erwäge ein Verweilverbot als letztes Mittel. „Warum es daher nicht vorher mit milderen Mitteln versucht wird, damit tun wir uns schwer.“ Alicem Polat (SPD) sagte: „Die Stadt geht das Problem direkt mit dem schärfsten Schwert an. Damit schafft sie Tatsachen, nie nur schwer wieder zurückgenommen werden können.“