„Viele Neubauten sind austauschbar“Kölns Stadtkonservator Thomas Werner im Interview
- Köln hat viele Denkmäler. Doch wie wirkt sich das auf die Stadtentwicklung aus?
- Matthias Hendorf hat mit Stadtkonservator Thomas Werner gesprochen.
9500 eingetragene Denkmäler gibt es in Köln. Sie stammen aus der Zeit der Römer bis in die 1970er-Jahre. Matthias Hendorf sprach mit Stadtkonservator Thomas Werner über ihre Bedeutung für die Stadtentwicklung.
Herr Dr. Werner, in Köln stehen in den nächsten Jahren große Stadtentwicklungsprojekte an: die „Historische Mitte“, der Deutzer Hafen samt der Ellmühle, die Parkstadt Süd oder auch der Mülheimer Süden. Sie sind alle mehr oder weniger vom Denkmalschutz betroffen. Was ist Ihre Aufgabe dabei?
Bei all diesen Großprojekten haben wir einzelne eingetragene Denkmäler, in der Parkstadt Süd beispielsweise ist es die Großmarkt-Halle. Das ist ein herausragendes Denkmal, das integriert werden muss. Dabei stellen sich zwei Fragen: Wie weit kann man mit einer Bebauung an das Denkmal heranrücken, damit seine architektonische Wirkung erhalten bleibt und wie hoch dürfen die Baukörper sein?
Und in Mülheim-Süd?
Dort befindet sich zum Beispiel der „Eckige Rundbau“, ein historisches Lagergebäude der Deutz AG. Dieses Denkmal wird demnächst umringt sein von einzelnen Wohnblöcken. Früher war der Rundbau Teil eines zusammenhängenden Industriegeländes, es stellt sich jetzt die Frage, ob das Denkmal seine Wirkung und Identität als Zeitdokument in diesem Zusammenhang noch entfalten kann. In diesen neuen Quartieren besteht die Gefahr, dass solche Einzel-Denkmäler nur noch als eine Art verstreuter „Stadtmöblierung“ wahrgenommen werden.
Investoren bringen viel Geld in die Stadt, bauen dringend benötigte Wohnungen, Büros. Wie hart sind da die Auseinandersetzungen in der Planung?
Ganz unterschiedlich. Es gibt Leute, die sind sensibler für das Thema und solche, mit denen müssen Sie hart verhandeln und einen Kompromiss erzielen. Denkmalpflege hat immer mit Kompromissen zu tun, wir arbeiten ja nicht museal. Aber es gibt gewisse architektonische Schwellen, die nicht überschritten werden können.
Was ist eigentlich ein Denkmal?
Zum Denkmal erklärt werden können „Sachen, an deren Erhaltung und Nutzung ein öffentliches Interesse steht“. Der Landschaftsverband Rheinland sagt: „Bedeutend ist dabei nicht gleichzusetzen mit berühmt, besonders alt oder kostbar.“ Es muss nicht schön sein, entscheidend sei „allein der an der Bausubstanz fest zu machende historische Zeugniswert“.
Denkmäler dürfen verändert werden, sollen erhalten und genutzt werden. Ziel sei es, „so viel an historischer Substanz wie möglich zu erhalten“.
52 000 Denkmäler gibt es im Rheinland, die 396 Städte und Gemeinden bilden jeweils die Untere Denkmalschutzbehörde, sie setzen das Gesetz um, stimmen sich mit dem LVR ab. In Köln kümmert sich darum seit 2012 Stadtkonservator Dr. Thomas Werner, 56.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Eben der Eckige Rundbau. Der Investor wollte das Haus aufstocken, aber das konnten wir denkmalpflegerisch nicht genehmigen. Oft versuchen Investoren, eine wirtschaftliche Begründung zu finden, nach dem Motto: „Wir brauchen noch weitere Geschosse, damit das Projekt sich lohnt. Oder das Senats-Hotel im neu geplanten Laurenz-Carré, dies sollte um zwei Vollgeschosse aufgestockt werden. Da hier das gesamte Denkmalensemble mit dem Spanischen Bau empfindlich gestört würde, konnten wir dieser Maßnahme nicht zustimmen.
Was sagen Sie zum Eindruck mancher Leute, dass der Denkmalschutz schon aufgehoben werden kann, wenn der Investor genug Geld investiert?
Der Eindruck täuscht. Es gibt da keine Unterschiede zwischen Großinvestor und Privatmann. An der Schanzenstraße zum Beispiel haben lokale Projektentwickler gezeigt, wie alte Hallen qualitätsvoll umgebaut werden können. Da hätte man ja auch vermuten können, dass die Investoren lieber Neubauten errichtet hätten.
Ist die Vorgehensweise mit dem Erhalt der Fassaden wie beim Dom-Hotel der kleinste gemeinsame Nenner?
Am Ende ist das so, ja. Der Nachteil ist, dass so ein Denkmal nur auf seine städtebauliche wirksame Fassade reduziert wird. Das Dom-Hotel ist so eine Lösung, eigentlich war ja nur eine innere Sanierung geplant. In einem Sanierungsprozess kann es aber passieren, dass gravierende Probleme auftauchen. Das Dom-Hotel war statisch ein Graus. Da blieb gar nichts anderes übrig, als nur die Fassade stehen zu lassen, damit der Roncalliplatz sein typisches „Gesicht“ behält.
Sie haben gesagt, dass Sie einen musealen Charakter verhindern wollen. Bei der Bastei am Rheinufer stand ein Investor bereit, das Haus umzubauen und wieder für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Trotzdem haben Sie Ihr Veto eingelegt.
Die Bastei ist ein gutes Beispiel. Viele Menschen denken, ein Denkmal ist unveränderlich. Dem ist aber nicht so. Die notwendigen Anforderungen, wie Brandschutz, Barrierefreiheit, bis hin zu einer zeitgemäßen Nutzung der Bastei erlauben wir selbstverständlich.
Was geht nicht?
Es gibt bauliche Maßnahmen, mit denen der Charakter eines Gebäudes und seine Proportion komplett überformt wird, aus diesem Grund lehnen wir eine große Terrasse mit weitem Dachüberstand, die dem historischen Restaurant vorgelagert werden soll, ab. Das hat nichts mehr mit der ursprünglichen Gestaltung und Idee von Riphahn zu tun (Architekt Wilhelm Riphahn, Anmerkung d. Redaktion).
Welche Zeitraum betrachten Sie aktuell?
Das sind die Bauten der späten 60er und der 70er-Jahre.
Die sind häufig recht brachial. Müssen Sie dafür werben?
Ja, es ist eine sperrige Architektur, die viel Erklärungsbedarf hat, alleine schon materialbedingt. Das klassische Fassadenmaterial ist hier der Sicht- und Waschbeton, der zunächst relativ abweisend wirkt. Ein Beispiel ist die Kirche des katholischen Hochschulverbandes an der Berrenrather Straße von Josef Rikus. Wir wollen auch nicht alle Bauten unter Schutz stellen, es geht um Qualität und nicht Quantität. Es gibt zum Beispiel ein wunderbar erhaltenes Sichtbeton-Wohnhaus in der Belvederestraße in Müngersdorf.
Kommen wir in die Gegenwart. Wenn man sich anschaut, was am Rudolfplatz passiert, aber auch an anderen Stellen in der Stadt: Man hat den Eindruck, dass viele Neubauten ein sehr ähnliches Erscheinungsbild haben.
Absolut. Wir sehen oft Gebäude, die mit dem jeweiligen Ort und seinem architektonischen Umfeld nichts zu tun haben, sie sind völlig austauschbar und könnten genauso auf der grünen Wiese stehen. Ein solches Beispiel ist für mich der neue Gebäudekomplex mit dem Hotel am Waidmarkt anstelle des alten Polizeipräsidiums. Der steht dort und ich frage mich, wo ist hier der Kontext. Der Komplex hat nichts mit seiner Umgebung zu tun, weder im Maßstab noch in seiner Architektursprache.
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Was ist die Gefahr?
An wichtigen Stellen muss es um die Bewahrung eines städtischen Charakters gehen – allerdings nicht im Sinne einer Konservierung, um Stellen, die es nur in Köln gibt und sein Stadtbild prägen. Viele Neubauten sind momentan austauschbar, es fehlt der Bezug zu Stadt und Ort.
Woran liegt das?
An der neuen Struktur der Immobilienbranche. Großinvestoren haben viel Geld über Fonds gesammelt, sie entwickeln Großprojekte in verschiedenen Städten und verkaufen diese vor deren Fertigstellung. Darunter leidet die architektonische Qualität, weil es häufig um die reine Baumasse geht, um möglichst wirtschaftlich zu sein. Das macht mir schon Sorgen. Dies ist keine ausschließliche Frage des Denkmalschutzes – hier sind wir als Stadtgesellschaft alle gefragt, wie sich das Bild unserer Stadt in Zukunft präsentieren will.