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Vorsitzender des Stadtsportbundes KölnSportfunktionär Peter Pfeifer verzweifelt zuweilen an der Lokalpolitik

Lesezeit 7 Minuten
Peter Pfeifer am Basketballfeld im Grüngürtel

Peter Pfeifer am Basketballfeld im Grüngürtel

Warum ihn die Sportpolitik Kölns manchmal schlaflose Nächte bereitet, was es mit Mitternachtsboxen auf sich hat und was das sein Sporthighlight 2024 war, erklärt Pfeifer im Interview.

Sie wollten sich am frisch sanierten Basketball-Platz treffen. Bekommen Sie Lust, ein paar Körbe zu werfen?

Ja, natürlich. Der Platz erfüllt mich wirklich mit Stolz, denn die Situation war damals verzwickt. Der alte Platz war kaum noch bespielbar, dann wollte die Firma Snipes einen Platz sponsern und diesen dann auch hin und wieder für Veranstaltungen nutzen. Die politische Diskussion darüber nahm Ausmaße an, die ich in dieser Stadt für nicht möglich gehalten hätte und die fast peinlich war für die sogenannte „Sportstadt“. Vorsichtig formuliert würde ich sagen, das Projekt der Firma Snipes ist aus sehr irritierenden Gründen im Rat abgelehnt worden. Es hätte doch jedem klar sein müssen, dass es immer ein Geben und Nehmen ist, wenn Unternehmen sich engagieren wollen und sollen.

Dann hat sich der Stadtsportbund der Sache angenommen.

Wir hatten die Aufgabe, das Landes-Programm „Moderne Sportstätten 2022“ zu administrieren. Als Belohnung gab es 500 000 Euro, die für Projekte im öffentlichen Raum eingesetzt werden sollten. In eine meiner schlaflosen „Sportstadt-Köln“-Nächte dachte ich: das ist es. Damit sanieren wir den Basketballplatz und die Tennisanlage. Der Vorstand war sofort Feuer und Flamme. Hinzu kam, dass der Vorschlag parteiübergreifend Zustimmung gefunden hat.

Welches Gefühl hat das Hin und Her bei Ihnen hinterlassen?

Oft überlege ich, was alles in dieser Stadt passieren könnte, wenn man sich im Sport und in Sportpolitik einig wäre. Projekte zwischen Stadt und Stadtsportbund sind übrigens auch ein Geben und Nehmen, denn wir bieten Leistungen zu einem Preis an, den die Stadt, müsste sie diese Leistung erbringen, nicht stemmen könnte. Kontraproduktiv bleibt, dass ein privates Unternehmen verschreckt wurde. Da ist etwas zerstört worden, dass man nur mühsam wieder aufbauen kann: Vertrauen!

Nebenan befindet sich der Bewegungsparcours. Wie viele Klimmzüge schaffen Sie?

Ich zitiere frei: Ein Teil meiner Antwort könnte Sie verunsichern: Lassen wir das also lieber, besser für mich ist es allemal.

Früher haben Sie im Verein Fußball gespielt. Wie viel Sport gönnen Sie sich noch?

Mich fasziniert Bergsteigen als Sport und als Besinnung auf das Wesentliche, aber das ist zeitaufwändig. Und als Vorsitzender des Stadtsportbundes muss ich Woche für Woche aufpassen, dass in dieser Stadt nicht irgendetwas gegen oder ohne den Sport läuft und das raubt viel Zeit und Energie. Ich fahre noch Fahrrad, Bergsteigen hat nachgelassen, Wandern ab und zu.

An den Wochenenden sind in allen Veedeln Kindern mit Vereinstrikots und Trainingsjacken unterwegs zu Spielen. Vereine bieten ein Gemeinschaftsgefühl und sorgen für Bewegung. Freut Sie die Anziehungskraft?

Ja, durchaus. Und die Kinder tragen ja oft auch die Trikots ihrer Vorbilder. Vorbilder sind ein Bewegpunkt, selbst Sport zu treiben. Viele wollen wie Lionel Messi oder Cristiano Ronaldo werden, oder inzwischen auch wieder deutsche Nationalspieler. Es erfüllt mich mit großer Freude, Kinder beim Sport zu sehen.

Wer war Ihr Vorbild?

Im Fußball Günter Netzer, der für mich neben Franz Beckenbauer der beste Fußballer war. Trotzdem hatte ich selbst ein Trikot von Alemannia Aachen.

Am größten ist die Identifikation mit dem eigenen Club bei Nachbarschaftsduellen. Spüren Sie noch das Kribbeln?

In Dürwiß sind wir ständig zwischen Kreisliga und Bezirksliga rumgekrebst. Die größten Kämpfe fanden gegen den SC Laurenzberg statt, der Ort ist inzwischen abgebaggert worden. Das gleiche Schicksal hat den Ort Lohn ereilt. Rhenania Lohn spielte immer eine Klasse über uns, das war nicht auszuhalten. Einmal im Jahr wurde zwischen den drei Vereinen ein Pokal ausgespielt, da standen Hunderte Menschen auf der Sportanlage. Das waren schöne Zeiten und zeugte trotz aller Konkurrenz für ein Gemeinschaftsgefühl, das heute scheinbar in den Hintergrund geraten ist.

Die Stadt hat ein umfangreiches Sportjahr erlebt. Was war Ihr schönster Moment?

Das war ein gutes Jahr. Ich hatte für die Fußball-Europameisterschaft eine VIP-Karte für das Spiel zwischen Schottland und der Schweiz erhalten. Das war ein wunderbares Erlebnis. Allerdings kommt der Breitensport in der Wahrnehmung nicht deutlich zutage. Neulich wurde dann im Sportausschuss über Großveranstaltungen 2025 gesprochen. Am Ende musste ich mich melden und sagen: Die einzige sportliche Großveranstaltung, die stattfinden wird, ist „Kölle aktiv“. Da machen Zehntausende Menschen kostenlos unter Anleitung der Vereine Sport in der Stadt.

Aber meist mit geringer öffentlicher Wirksamkeit, weil sich immer eher kleine Gruppen zu verschiedenen Sportarten treffen.

Das ist richtig. Im Gegensatz zum Fußball bewegen sich bei Kölle Aktiv drei Monate lange mehr als 10 000 Menschen und niemand schaut zu. Das hat nicht den Charme eines Länderspiels, bei dem sich 30 Menschen bewegen und Zehntausende zuschauen. Aber groß ist es allemal.

Beim Mitternachtsboxen gibt es auch keine Zuschauer. Wie kam es zu dieser Idee?

Es handelt sich beim Mitternachtssport ja um eine gewaltpräventive Maßnahme. Heute sind es stadtweit 25 Projekte. Mit Basketball ging es zunächst los. Wir haben dann begriffen, dass wir den Jugendlichen vielleicht mal zuhören sollten. Denn dort wurde unter anderem Boxen vorgeschlagen. Nach anfänglichem Zögern haben wir dann einen Trainer gefunden, der selbst Boxer war. Zu ihm konnten die Jugendlichen aufschauen. Da kamen Jugendliche hin, die wenige Regeln kannten. Der Trainer forderte Disziplin ein: Ihr stellt euch in einer Reihe auf, das geht hier um 22 Uhr los. Und wer nicht pünktlich kommt, ist draußen. Die Jungs standen brav Schlange, ein absolutes Erfolgsmodell, weil es die Jugendlichen abholt und keinen erhobenen Zeigefinger mit sich rumträgt.

Was war Ihr ungewöhnlichstes Sporterlebnis?

Vor zwei Jahren habe ich in Leutkirch im Allgäu meinen ersten Fallschirmsprung aus 4000 Meter Höhe gemacht. Als Tandemsprung. Eine Minute befand ich mich im freien Fall. Unterwegs habe ich mich gefragt, ob das eine gute Idee war. Man denkt schon: Hoffentlich geht der Schirm auf. Auch beim Bergsteigen und Klettern befand ich mich manchmal in außergewöhnlichen Situationen. Diese individuellen Erlebnisse sind prägend, vor allem, wenn sie gut ausgehen.

Wo war das?

Das kann überall passieren, bei mir war es in Nepal. Dort habe ich übrigens totale Hochachtung vor der Leistung von Reinhold Messner bekommen, den ich kürzlich bei einer Veranstaltung in Köln kennenlernen durfte. Das war ein großes Erlebnis für mich. Ich habe ihm dort gesagt, dass er für mich eine Inspiration war, meine „Karriere“ allerdings bei 6000 Metern bereits endete. Er meinte, das sei trotzdem eine sehr gute Leistung. Für mich natürlich ein Ritterschlag.

Sie mögen den Nervenkitzel?

Hin und wieder. Wobei ich mal einen Bungee-Sprung verweigert habe. In Österreich war das, man sollte von einer Brücke springen und wäre in die Drau getunkt worden. Ich bin aber Nichtschwimmer, obwohl das aus 90 Metern Höhe nicht wirklich ein entscheidender Punkt ist. Mit meinem Schwager hatte ich die Wartezeit auf der Brücke mit einer ganzen Packung „Ernte 23“ verbracht. Aber vor mir sollte ein Niederländer springen. Erst beim dritten Countdown hat er sich getraut und ist mit einem verzweifelten Neeeeiin-Schrei in die Tiefe gefallen und wieder hoch gezappelt. Da habe ich gesagt: Ich springe nicht. Auf keinen Fall.

Sie hatten eben über positiv bekloppte Menschen gesprochen. Das müssen Sie als ehrenamtlicher Vorsitzender des Stadtsportbundes doch auch sein.

Ja, mit einer ganzen Portion. Aber mein Ende ist nach sieben Jahren Vorsitzender Stadtsportbund und zuvor zwölf Jahren Vorsitzender Sportjugend greifbar. Im Oktober werde ich mich nicht mehr zur Wahl stellen und den Weg frei machen für eine jüngere Generation. Ich übergebe den Staffelstab! Das Etikett Sportstadt ist schwierig zu greifen und zu verstehen. Sport in all seinen Facetten, mit seinen Werten und Wirkungsweisen ist wichtiger denn je in unserer Stadt und unserem Land.