Bundesfinanzminister Christian Lindner stellt sich im Bürgerhaus Stollwerck in Köln den Fragen der Bürger.
Bürgerhaus StollwerckSo lief der Bürgerdialog mit Christian Lindner in Köln
Etwa 120 Gäste, davon rund ein Drittel Frauen, sitzen am Dienstagnachmittag im Saal des Bürgerhauses Stollwerk in der Kölner Südstadt. Sie warten auf Bundesfinanzminister Christian Lindner, der sich zu einem Bürgerdialog angekündigt hat. Der FDP-Spitzenpolitiker verspätet sich um 15 Minuten. Das Treffen mit den mittelständischen Unternehmern in Berlin, zu dem er am Vormittag ohne Anwesenheit des Kanzlers und des Bundeswirtschaftsministers im Beisein der FDP-Bundestagsfraktion eingeladen hatte, hätte ihn aufgehalten.
Dann betritt er lächelnd den Saal. Dunkelblauer Anzug, lila Krawatte. Die meisten Bürger im Saal schauen ihm neugierig nach bis zur Gesprächsbühne, leichter Applaus brandet auf.
Lindner in Köln: Quer durch den Themengarten
Mit einer rund zehnminütigen Eingangsrede begrüßt er „Veranstaltungen wie diese“, wo er mit den Bürgern ins Gespräch komme. Man müsse miteinander reden, auch wenn es unterschiedliche Meinungen gebe. Ansonsten würden auch hier Verhältnisse wie aktuell in den USA Einzug halten, wo Meinungen in Hass umkippen, warnt der Minister. Zudem wirbt er für die geplante Reform der privaten Altersversorgung. „Wir brauchen mehr Wahlfreiheit! Wer Riester nicht will, soll auch die Chance bekommen, einen geförderten Aktienfonds-Sparplan für seine Altersvorsorge zu nutzen.
Dann sind die Bürger im Saal an der Reihe. Neben der Rente geht es quer durch den Themengarten vom Schuldenerlass in den Entwicklungsländern über Wohnungsbau, Sozialpolitik, Politikverdrossenheit und den Ukrainekrieg. Eine Frau um die 50 greift Lindner an, Bürgern mit wenig Geld mit seiner Politik keine Angebote zu machen und sich vor allem um die gut Verdienenden zu kümmern. Zudem würde er und FDP-Verkehrsminister Wissing dem Auto weiter mehr Priorität einräumen als der Bahn. Lindner widerspricht und pocht darauf, dass in die Bahn so viel investiert werde wie noch von keiner Regierung zuvor. Zudem werbe er dafür, sich nicht nur um die Ränder, die Superreichen und Bedürftigen, zu kümmern, sondern die Anliegen der Mitte, „also der Mehrheit unserer Gesellschaft zu sehen und zu bedienen“. Es kommt zu einem emotionaleren Disput zwischen beiden, der aber die Ausnahme an diesem Nachmittag bleibt.
Maßnahmen für bezahlbares Wohnen
Beim Thema Wohnungsbau meldet sich ein Mann im mittleren Alter, der sich ein Haus gekauft hat. Er fragt den Minister, was die Regierung gedenkt zu tun, um bezahlbares Wohnen zu fördern. Zudem beklagt er, mit 6,5 Prozent im Vergleich zu anderen Bundesländern eine hohe Grunderwerbssteuer zahlen zu müssen. Lindner berichtet, dass er mit den Ländern im Gespräch sei, den aktuell sehr niedrigen Freibetrag bei der Grunderwerbssteuer deutlich zu erhöhen. „Ich könnte mir einen Betrag von 300 000 Euro oder mehr gut vorstellen.“ Zudem kritisierte der Minister, dass die „zwar gut meinten Auflagen beim Brandschutz, der Wärmedämmung und den Solarenergie“ kleine und große Investoren abschrecken.
Geht es ohne Schuldenbremse?
Eine ältere Frau, die in jungen Jahren nach Deutschland eingewandert war, lobt „ihre jetzige Heimat“: „Ich habe viel von diesem Land profitiert.“ Nach dieser persönlichen Einleitung kommt sie dann etwas überraschend auf ein „Lieblingsthema“ von Christian Lindner zu sprechen: Ob er sich denn wirklich vorstellen könne, die aktuellen Herausforderungen ohne eine Lockerung der Schuldenbremse zu bewältigen sind. Lindner antwortet darauf mit bekannten Sätzen: Deutschland hat genug Geld zur Verfügung. Es gehe um andere Prioritäten, wie das Steuergeld eingesetzt werde. Zudem sei es ja nicht so, dass die Regierung keine Schulden mache: Im laufenden und nächsten Jahr seien es 50 Milliarden Euro, die zusätzlich zum Haushalt aufgenommen werden.
Am Ende war auch der Ukraine-Krieg noch Thema. Ein Ehepaar sprach sich für mehr diplomatische Friedensinitiativen mit Russland aus. Außerdem kritisierten sie, dass die Regierung ihr Handeln nicht genug erkläre. Hier wurde Lindner deutlich: „Russland hat die Ukraine angegriffen. Die Ukraine hat sich entschieden, sich zu verteidigen. Und deswegen ist es klug, sie bei ihrem Kampf zu unterstützen, solange sie diese Hilfe benötigt.“ Dieses sei im Interesse Deutschlands und seinen europäischen Verbündeten. Danach, pünktlich nach den angesetzten 90 Minuten Dialog, musste der Minister weiter.
Hinweis der Redaktion: „Hallo, guten Tag Köln. Für Alaaf ist es ja noch etwas früh“ – so hat Moderatorin Vera Bünting die Gäste eines Bürgerdialogs mit Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) am Dienstag in Köln begrüßt. Aufgrund eines akustischen Missverständnisses hatte die Rundschau in einer früheren Version dieses Textes versehentlich berichtet, das Publikum sei mit „Helau“ begrüßt worden, und Lindner habe dann auf die kölsche Alaaf-Praxis hingewiesen. Wir bitten dies zu entschuldigen. Tatsächlich machte der bekennende Rheinländer Lindner der aus Ostfriesland stammenden Moderatorin aber das scherzhafte Kompliment, er sei erleichtert, dass sie wisse, „dass man hier nicht Helau, sondern Alaaf sagt“. (EB)