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„Das andere Gespräch“Kölner Sängerin Nici Kempermann: Zwischen Bühne und Boxring

Lesezeit 7 Minuten
Nici Kempermann steht mit Boxhandschuhen im Ring.

Nici Kempermann trainiert regelmäßig im Boxstudio „Boxing Company Cologne“ ihrer Schwester.

Nici Kempermann, Sängerin der Kölner Band „Kempes Feinest“,  fühlt sich nicht nur auf der Bühne, sondern auch am Boxsack wohl. 

Frau Kempermann, warum gerade Boxen und kein anderer Kampfsport?

Das ist durch Zufall entstanden, weil meine Schwester eine Boxschule, die ‚Boxing Company Cologne‘, eröffnet hat. Zu dem Zeitpunkt war Kempes Feinest grade in den Anfängen, das heißt, ich hatte noch nicht so viel zu tun und auch noch nicht so viel Geld, was ich mit der Band verdient habe. Weil ich einen Job brauchte, habe ich am Empfang der Boxschule gearbeitet und durfte kostenlos trainieren. Eigentlich war ich eher Sportmuffel, jetzt trainiere ich seit 2016 mindestens zweimal die Woche.

Machen Sie nur klassisches Boxen oder auch Kick- oder Thaiboxen?

Ich habe zwischendurch auch Kickboxen gemacht. Das ist super cool, aber am Ende habe ich gemerkt, dass mir das Boxen am meisten Spaß macht…und es tut nicht so weh. (lacht) Wenn dich Kicks treffen, ist das viel schmerzhafter.

Rechnen Sie trotzdem mit Verletzungen?

Ich mache wenig Sparring, also direkten Kampf. Für mich wäre es eine Katastrophe, wenn ich mir die Nase breche, mir ein Zahn ausfällt oder irgendwas geschwollen ist. Dann kann ich nicht mehr singen. Ich mache viele Technikkurse, wo man die Schläge und Kombinationen in Pratzen oder gegen den Sandsack macht - einfach um das Verletzungsrisiko zu minimieren. Ich trainiere nicht darauf hin, zu kämpfen. Mein Trainer Luis ist zwar überzeugt davon, dass ich das gut hinkriegen würde, aber die Vorsicht ist einfach größer.

Hat das Boxen denn auch Vorteile für eine Sängerin?

Zu 100 Prozent. Du musst unglaublich ausdauernd fürs Boxen sein. Das hilft mir bei dem, was wir auf der Bühne machen. Ich bewege mich ja sehr viel, während ich singe. Mein Trainer lacht sich immer kaputt: Wenn wir trainieren, läuft oft Musik und ich fange an, Songs mitzusingen während ich am Sandsack bin, weil ich eben noch die Luft dazu habe. Meine Bühnenperformance trainiert mich fürs Boxen und andersrum.

Ein harter linker Haken

Das klingt schweißtreibend, vor allem in den Handschuhen.

Ja, man schwitzt generell sehr viel. (lacht) Es gibt aber ein paar Tricks, denn die Handschuhe kannst du nicht in die Waschmaschine werfen. Wenn man die Feuchtigkeit und den Geruch raushalten will, legt man Senseo-Kaffee-Pads da rein. Die saugen das ein bisschen auf und die Handschuhe riechen angenehmer. Irgendwann sind die Handschuhe dann einfach durch und müffeln fies. Ich habe mittlerweile schon das achte Paar.

Genauso gut wie für die Ausdauer ist Boxen wahrscheinlich auch, um mal Dampf abzulassen, oder?

Ich bin ein sehr geerdeter Mensch, mich richtig wütend zu machen ist echt schwierig. Trotzdem ist Boxen ein krasses Ventil. Jeder hat ja etwas, das ihn nervt oder eine Person, die einem tierisch auf den Keks geht. Meistens geht’s am Ende des Trainings nochmal an den Sandsack. Da haut man dem Ding richtig ein paar um die Ohren und das tut schon gut. Ich stehe null auf Gewalt und würde niemals jemanden einfach schlagen. Aber es ist trotzdem schön, negative Energien quasi ‚rauszuhauen‘.

Der Gedanke ‚Wenn ich müsste, könnte ich‘ ist aber wahrscheinlich beruhigend, gerade nachts auf der Straße.

Ich war schon immer sehr selbstbewusst und nicht ängstlich. Aber es wird einem jetzt noch bewusster: Auf meinem Heimweg vom Proberaum laufe ich über die Venloer, wo nachts am Wochenende ziemlich viele pöbelnde Leute sind. Da habe ich mir schon oft gedacht: ‚Sollen sie doch kommen‘. (lacht) Man muss trotzdem realisieren, dass ein 1,80 großer Mann im Gegensatz zu mir als 1,60 großer Frau mehr Kraft aufwenden kann. Aber wenn ich ihn einmal richtig treffen würde, mit meinem linken Haken, der sehr gut ist, würde er wahrscheinlich von mir ablassen.

Eine Schlägerei anzetteln würden Sie aber nicht?

Ich glaube nicht, dass jemand mit Kampfsporterfahrung sowas anleiert. Kampfsportler sind nicht auf Schlägereien aus. Das ist ein sehr respektvoller Sport. Die Leute, die ich da kennenlerne, sind sich ihrer Kraft und ihres Könnens bewusst, aber würden das nie auf der Straße ausleben. Es ist ein Sport: Man meldet sich zu einem Turnier an, um da Leute zu verprügeln, ja - aber kontrolliert und respektvoll. (lacht)

Das Klischee der Männerdomäne

Wie weit geht Ihre Faszination fürs Boxen? Gucken Sie Kämpfe oder haben Vorbilder?

Tatsächlich stecke ich in der eigentlichen Box-Welt gar nicht so tief drin. Ich habe das als Hobby angefangen, weil es mir Spaß macht. Ich gucke, wenn ich ehrlich bin, auch gar nicht so gerne Boxen. Ich könnte nicht sagen, wie einige Profis heißen. Die Box-Welt ist ja auch riesengroß. 

Wahrheit oder Klischee? Boxstudios sind Männerhöhlen.

Ich habe schon von Frauen gehört, die sich Studios angeguckt haben und dann gesagt haben: ‚Das war wie bei Rocky. Da hingen noch die Schweinehälften von der Decke, wo die gegen schlagen.‘ Ich kenne aber nur das Boxstudio von meiner Schwester und da ist es ausgeglichen. Vor allem altersgemischt. Heute Morgen habe ich noch mit einer Dame Ende 50 trainiert. Wenn sie Bock darauf haben, sollten Frauen Boxen auf jeden Fall mal ausprobieren.

Trainieren Sie immer in gemischten Gruppen?

Manchmal findet ein Training statt, wo ich die einzige Frau in der Runde bin. Natürlich nehmen die Männer sich nicht komplett zurück, aber die wissen schon, dass sie sich erstmal zurückhalten, damit ich sagen kann, wenn sie fester schlagen können. 

Wie aus Zucker behandeln die Sie aber nicht, oder?

Es gibt auch Körper-Schläge, für die einem dicke Polster-Gürtel umgeschnallt werden. Ich durfte mich beim Trainer als Vorzeigeobjekt hinstellen. Der hatte Spaß wie Bolle und hat richtig reingehauen. Ich bin halb durch die Halle geflogen und es hat echt etwas wehgetan. Die anderen dann nur: ‚Ich hab’s nicht ganz verstanden, kannst du’s nochmal zeigen?‘ Richtig fies. (lacht)

Ein karnevalistisches Promi-Boxen wäre doch schön.
Nici Kempermann, Sängerin

Wie sieht's in der fernen Zukunft aus? Können Sie sich da vorstellen, den Ring mit der Bühne zu tauschen?

Nein, noch nicht. Dafür liebe ich die Musik doch ein bisschen mehr. Aber es gibt ja das große Promi-Boxen. Und ich weiß, dass Detlef Vorholt von den Paveiern auch boxt. Mit dem habe ich mich schon mal darüber unterhalten.

Aber ihn noch nicht herausgefordert?

Nein. (lacht) Aber Björn Heuser hat mir auch erzählt, dass er boxt. Da dachte ich, ein karnevalistisches Promi-Boxen wäre doch schön. Problem wäre, dass man nur Frauen gegeneinander kämpfen lässt. Da hätte ich nicht viel Auswahl. Nachher müsste ich gegen Marita Köllner kämpfen und ich glaube, die macht mich fertig. (lacht)

Gehirnjogging am Boxsack

Wenn nicht der Ring, haben Sie bestimmte Trainingsziele?

Ja, intuitiv Schläge zu setzen. Am Anfang sagt der Trainer dir Schlagkombis an, dann machst du die in ständiger Wiederholung. Cool wird’s, wenn du diese Kombinationen ohne Ansage machen kannst und jemand nur die Pratzen vor dir hochhält. Dein Gehirn arbeitet dann schneller in Verbindung zu deinen Armen. Ich glaube, das hilft auch gegen Alzheimer, wenn ich in das Alter komme, in dem das anfängt.

Die größte Herausforderung beim Boxen ist also die geistige?

Ja, vom Fitness-Level her bin ich fast unkaputtbar. Aber es ist dieses Kopf-Ding, denn das merk ich ja trotzdem immer noch.

Macht Boxen es leichter, sich Songtexte einzuprägen?

Ich glaube, ich hätte in meinem Leben von der Medizinerin bis zur Raketenwissenschaftlerin alles werden können, wenn ich nicht meinen Lebtag damit verbracht hätte, meine Gehirnkapazität mit allen Songtexten seit Ende der Achtziger vollzuballern. Ich habe ein super Textgedächtnis. Ob das Boxen da noch was bringt, glaube ich nicht. Ich hab eher Angst, dass ich wieder welche vergesse, wenn ich zu oft eine vor den Schädel kriege. (lacht)

Dass man vom Boxen dumm wird, ist bestimmt auch nur ein Klischee.

Es bedarf einer gewissen Grundfitness des Hirns, um diesen Sport überhaupt machen zu können. Es ist ganz viel Taktik und Theorie. So doof können Boxer also nicht sein. Es ist genauso ein Klischee wie dass, das Boxen ein Männersport ist.