Interview mit den Räuber-Gründern Karl-Heinz Brand und Kurt Feller über Erfolge, harte Zeiten, neue Töne und Unsterblichkeit.
Interview mit den Gründern der Räuber„Vermutlich hätte ich blockiert, wenn jemand mit so einem Lied gekommen wäre“
Beim Sessionshit „Oben unten“ mussten Sie im Boyband-Stil tanzen. Ist der Muskelkater schon verheilt?
Kurt Feller: So schlimm war es gar nicht. Wir hatten für unser Musikvideo zum ersten Mal eine Choreografin engagiert. Im Mittelteil sollten wir tanzen, im Ballettstudio haben wir trainiert. Es war verdammt schwer – eine Herausforderung. So was sehr schnell lächerlich wirken, und das sollte es nicht. Die Band fragte, ob ich mittanzen will, aber ich hätte ja schlecht zuschauen können. Wie hätte das ausgesehen. Dann haben wir bei jedem Auftritt getanzt. Ich war sogar ganz froh, das schwere Akkordeon mal ablegen zu können.
Karl-Heinz Brand, sind Sie traurig, zu früh aufgehört zu haben?
Karl-Heinz Brand: Nein, ich bin jetzt 72 Jahre alt. Und ich habe damals zu einem Zeitpunkt aufhören, wo die Leute sagen konnten: Schade. Und nicht: Wurde aber auch Zeit. Aber ich habe auch gemerkt, dass die Lieder, die ich schrieb, nicht mehr so ankamen, weil sich auch das Publikum geändert hat. Die neuen Bands spielen Rock-Musik, und zwar sehr erfolgreich.
Zum frühen Repertoire der Räuber gehören auch einige Walzer. Im Karneval ist das heute selten geworden.
Kurt Feller: Es geht mehr in Richtung Party und Amüsement.
Karl-Heinz Brand: Ich weiß, wie erfolgreich die neuen Lieder sind. Aber ich selber hätte solche Lieder nie geschrieben. Vermutlich hätte ich sogar blockiert, wenn jemand mit so einem Lied gekommen wäre. Das ist absolut nicht mein Stil. Mit mir hätte die Band nicht den heutigen Erfolg gehabt. Die Zukunft wird zeigen, welche Lieder in 30 Jahren noch gesungen werden.
Die Räuber: Noch im stolz auf das „Trömmelche“
Bei jedem Tor des 1. FC Köln läuft noch immer „Wenn et Trömmelche jeiht“. Eine Ehre?
Kurt Feller: Wir sind sehr stolz darauf, absolut.
Karl-Heinz Brand: Und bei jedem Auftritt des Dreigestirns wird „Op de Maat stonn de Boore“ gespielt. Es gibt nichts Schöneres, als wenn ein Lied zum Kulturgut wird. Wir haben einige Lieder, die Volksgut geworden sind und nie kaputt gehen werden. Mit diesen Liedern wird die Band immer identifiziert werden. Viele andre Lieder interessieren heute keinen Menschen mehr.
Die Band hat die Pandemie überlebt. Wie knapp war es?
Kurt Feller: Zwei unserer Musiker haben sich in der Pandemie beruflich umorientiert. Es gab den Punkt, wo wir gesagt haben: wir hören auf. Wir wussten nicht, ob es weitergeht, denn auch die Technikcrew und der Steuerberater hatte sich verabschiedet. Aber dann haben Sven West und Andreas Dorn um mich gekämpft. Damit war klar, dass ich auch mit 65 Jahren nicht aufhören werde. Dann haben wir gecastet und viel Glück gehabt mit Martin Zänder und Tommy Pieper zwei Musiker zu finden, die sich schon aus dem Studium kannten.
Neue Musiker gab es schon häufiger bei den Räubern. Der Abgang von Frontmann Torben Klein, Ihrem Nachfolger, war ein Einschnitt.
Karl-Heinz Brand: Wir waren schon ein paar Mal mental am Ende und haben uns gefragt, ob wir den Karren nochmal hochbekommen. Die Literaten hatten uns eine Zeit lang auch mal verdrängt. Für jede Band kommt irgendwann der Punkt, wo man sich neu beweisen muss und von jungen Gruppen verdrängt wird.
Personelle Einschnitte: Der Abschied von Sänger Torben Klein kam überraschend
War das die Befürchtung als Torben Klein plötzlich gekündigt hatte?
Kurt Feller: Nachdem wir ihn fünf Jahre aufgebaut hatten, war sein Abschied einfach schade. Wir sind nicht im Krach auseinander gegangen, er wollte allein Musik machen.
Karl-Heinz Brand: Er hat super gepasst, hat gut gesungen, war ein Frauenschwarm. Er hatte sich sogar den Band-Namen tätowieren lassen. Um so überraschender kam der Abschied. Ich war gerade im Urlaub. Auf einmal kam meine Frau zur Tür rein und sagte nur: Du musst die E-Mail lesen. Schnörkellos war das, eine fristgerechte Kündigung. Dann standen wir da, weil wir auf ihn gebaut hatten. Die Enttäuschung war groß.
Beim Casting entdeckten Sie dann den heutigen Sänger, der auf der Bühne große Präsenz hat. Und großen Bewegungsdrang.
Kurt Feller: Mit Sven West haben wir dann Glück gehabt, seine Vielseitigkeit ist großartig. Und ihn kannte in Köln niemand. Noch ein Vorteil. Mir war von Anfang an klar: das ist ein großes Talent, das wir mit der kölschen Sprache und dem Karneval vertraut machen mussten.
Karl-Heinz Brand: Für mich ist er der vielseitigste Sänger aller Kölner Bands. Ich war auf der Bühne immer nur der charmante Charly, der ins Publikum gelächelt hat. Aber wenn du älter wirst, hat sich das mit dem Charme auch erledigt.
Wie wirkt sich der Erfolg der beiden jüngsten Hits aus? Sind die Konzerte alle ausverkauft?
Kurt Feller: Wir können die Entwicklung von Liedern sehr genau an Streamingzahlen verfolgen. Die Daten sind jederzeit abrufbar, das geht heute viel genauer als früher. Ich kann feststellen, wo auf der Welt zu welcher Uhrzeit unsere Lieder gestreamt werden.
Karl-Heinz Brand: Es gibt noch einen anderen Faktor – das Stammpublikum. Die Räuber hatten immer ein sehr zuverlässiges Publikum. Solche Fans akzeptieren auch eher neue Lieder. Die Kunst ist es, durch die Lieder Jung und Alt zu verbinden. Das „Trömmelche“ hat etwas, was andere Lieder nicht haben. Was auch immer das ist. Und deshalb funktioniert dieses Lied und ist geblieben. Das ist keine kompositorische Meisterleistung, aber es trifft die Seele. Davon gibt es heute nur noch sehr wenige Lieder. Oft ist die Verpackung größer als der Inhalt. So etwas muss einer Band gelingen. Das denke ich jedenfalls als Musik-Rentner.
„Wir waren nie vulgär oder plump. Die Texte waren das Salz in der Suppe.“
Wenn es einen typischen Räuber-Stil gab, dann war es der Humor und das leicht Frivole in den Liedern.
Karl-Heinz Brand: Auch andere Bands haben damals zweideutige Texte geschrieben – das passte in die Zeit. Das war so bei den „Vögelein vom Titicacasee“ oder bei „Am Eigelstein is Musik“. Es kommt immer drauf an, wie man das Frivole ausdrückt.
Kurt Feller: Wir waren nie vulgär oder plump. Die Texte waren das Salz in der Suppe. Damals funktionierte das. Heute muss man sehr aufpassen.
Es gab immer wieder Einschnitte, der erste war der Tod von Norbert Campmann, dem Vater von Kasalla-Sänger Basti Campmann, im Jahr 2007. Zweifellos ein Schock.
Karl-Heinz Brand: Ich habe wenige Stunden vor seinem Tod noch mit ihm telefoniert. Normalerweise dauerten solche Gespräche nicht lange. Aber das Gespräch war anders. Er bedankte sich für Dinge, sprach über alles, was ihm einfiel. Eine Stunde haben wir gesprochen und zum Abschied gesagt: Bis Morgen, dann reden wir weiter. In der Nacht starb er dann.
Kurt Feller: Das war der schwärzeste Tag unserer Band. Wir haben ernsthaft überlegt, ob wir überhaupt weitermachen sollen. Aber das haben wir getan.