Ob Kino, Museum oder Sportclub: Berechtigte Personen können über die spendenfinanzierten Gutscheine am sozialen Leben teilhaben. Neue Partner werden gesucht, um das Angebot zu erweitern.
Spendenplattform aus KölnMit kostenlosen Freizeitgutscheinen hilft „plusX“ finanziell Benachteiligten
Ein Stuhlkreis nach den Sommerferien: „Und, was habt ihr schönes im Urlaub gemacht?“, lautet die Frage an die Klasse. Während die einen vom Meer schwärmen, kommen andere in Bedrängnis. Was, wenn das Geld nicht mal für Ferien Zuhause gereicht hat? Freizeitpark, Zoo und Schwimmbad können teuer werden. Und der immergleiche Spielplatz fällt nicht unbedingt in die Kategorie aufregende Urlaubsstory. So oder so ähnlich könnte es auch in diesem Jahr in Kölner Schulen passieren.
Die Spendenplattform „plusX“ will gegensteuern und Menschen dabei helfen, ihre Freizeit reichhaltig zu gestalten. Das Konzept ist denkbar einfach: Wer an die Organisation spendet, ermöglicht jemandem ein Erlebnis. Berechtigte Personen buchen online kostenlos Gutscheine für Aktivitäten in Köln, die von den Spenden finanziert werden. Dafür müssen sie vorher zum Nachweis ein Dokument wie den Köln-Pass oder eine Bürgergeld-Bescheinigung hochladen. Wenn ihr Geld zum Einsatz kam, bekommen Spenderinnen und Spender eine Mail.
Nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene gibt es Aktivitäten unter den aktuell 31 Angeboten in Köln und Umgebung: Das Kino Cinenova, das Schokoladenmuseum, eine Kletterhalle und ein Sportcenter sowie der Gertrudenhof gehören unter anderem zu den Partnern der Organisation. Wenn „plusX“ bei ihnen Tickets bezahlt, wird ein Rabatt gewährt. So kann sich das bisher rein ehrenamtliche Projekt finanzieren. Weitere Partner werden dringend gesucht.
An Personen, die das Angebot in Anspruch nehmen, mangele es nicht. Besonders in den Sommerferien werde der Bedarf für kostenlose Freizeitaktivitäten deutlich, erklärt Gründer Felix Meuer. „Die Anzahl der monatlichen Buchungen hat sich mehr als verdoppelt.“ Auch aus der Umgebung nutzen Menschen die Gutscheine, um Ausflüge nach Köln zu finanzieren.
„Ich war mit meinen drei Kindern über ‚plusX‘ im Kino und es war einfach nur klasse“, bedankte sich ein alleinerziehender Vater schriftlich für die Arbeit der Organisation. „Ich bin aufgrund gesundheitlicher Umstände derzeit nicht in der Lage arbeiten zu gehen. Ich könnte meinen Kindern sonst solch einen Ausflug, wenn überhaupt, nur sehr schwer anbieten. Endlich kann man auch wieder an gesellschaftlichen Aktivitäten teilnehmen und die Kinder erleben mal wieder Dinge, die für viele andere selbstverständlich sind.“
„Wir glauben, dass es ein essenzieller Bestandteil der Persönlichkeitsbildung ist, am sozialen Leben teilzuhaben“, erklärt Meuer. Mit dem Köln-Pass erhalte man zwar Rabatte auf viele Aktivitäten, für viele seien die Eintrittspreise dann aber immer noch zu teuer. Den Besuch im Zoo gibt es mit dem Pass für die Hälfte, eine vierköpfige Familie zahlt dann 35 Euro. „Verdammt viel Geld, wenn du knapp bei Kasse bist“. Bald auch den Kölner Zoo im Katalog zu haben, sei deshalb ein großer Traum für „plusX“.
Lange sah es nicht so aus, als würde der Gründer sich einmal ausgerechnet für soziale Gerechtigkeit engagieren. Der gelernte Wirtschaftsingenieur aus dem Rathenau-Viertel machte als Manager Karriere bei einem Telekommunikationsunternehmen, bevor er sich fragte: „Welchen Beitrag leistest du in dieser Welt?“ In „plusX“ habe er eine Antwort gefunden und leiste einen Beitrag zu einer besseren Gesellschaft.
„plusX“ aus Köln: Gründer machte zuvor Karriere als Manager
Als sein Neffe geboren wurde, habe der 34-Jährige über seine eigene erfüllte Kindheit gedacht. Dass das nicht selbstverständlich ist, hielt ihm seine damalige Kollegin aus Indien vor Augen: Sie habe damals kaum Möglichkeiten gehabt und sei heute glücklich, es trotzdem geschafft zu haben. Da war das Thema Chancengleichheit plötzlich sehr präsent. 2020 gründete er „plusX“ im Alleingang und verzichtet mittlerweile auf 40 Prozent seines Gehalts als Softwareentwickler, um das Projekt mit seinem Team voranzutreiben.
„Wir würden uns wünschen, dass wir mehr Förderungen erhalten“, sagt Meuer. Den Staat wolle das Team durch seine Arbeit grundsätzlich nicht aus der Verantwortung nehmen. Im Gegenteil: Meuer sieht in seinem Projekt Potenzial, um es im ganz großen Stil einzusetzen. Besonders, weil es so unbürokratisch sei. „Man könnte es mit Mitteln aus dem Bundes- oder Landeshaushalt füttern, damit es bundesweit wirksam sein kann. So könnten wir der Gesellschaft auf möglichst effiziente Weise etwas zurückgeben.“
Bis es so weit ist, hofft er, dass möglichst viele auf sein Projekt aufmerksam werden – und dass Lehrer aufhören, in Stuhlkreisen nach dem Sommerurlaub zu fragen.