10.500 originale Negative und 6000 originale Abzüge umfasst das August Sander Archiv der Photographischen Sammlung Köln. Der Bildband „Point auf View“ zeigt dessen Breite.
Bildband „Point of View“Photographische Sammlung Köln zeigt die Kraft des Moments
Ein Foto verschwindet heute schon im Moment seiner Erstellung im Strudel der Bedeutungslosigkeit. In der Regel jedenfalls. Millionenfach werden Bilder Stunde für Stunde um die Welt geschickt und ihr dokumentarischer Charakter ruft bisweilen nicht mal einen Wimpernaufschlag hervor. Wie anders waren die Bedingungen, unter denen August Sander Arbeiter, Landgesellen oder Hausierer porträtiert hat.
Vor fast 60 Jahren ist der berühmte Fotograf, der den Menschen in die Seele schauen konnte, gestorben. Wer in den Räumen der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur einmal den Originalabzug vom Glasnegativ seiner Bilder angeschaut hat, kann die dokumentarische Kraft des Bildes, diesen eingefrorenen Moment der Zeit, ermessen. 10.500 originale Negative und 6000 originale Abzüge umfasst das August Sander Archiv, das die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur der Sparkasse Köln Bonn 1992 erworben hat. Der Ankauf war Grundstock einer immer weiter gewachsenen Sammlung, die selbst in Köln oft um Anerkennung ringen muss. Der Bildband „Points of View“ fasst nun eine Auswahl des Bestandes zusammen.
Photographische Sammlung Köln besteht aus 40.000 Bildern
40.000 Bilder (ohne Negativmaterial) umfasst die Photographische Sammlung heute. Viele werden zuerst an die Bilder von Sander denken, auch an Karl Blossfeldt, Albert Renger-Patzsch oder Bernd und Hilla Becher. Hauptsächlich sind die Namen der sachlichen, dokumentarischen Fotografie verpflichtet, handelt es sich um Porträts, Landschaften oder Schwarzweiß-Aufnahmen von Industrieanlagen.
Die Leiterin der Sammlung, Gabriele Conrath-Scholl, pflegt aber auch die Auseinandersetzung mit ähnlichen oder auch konträren Arbeiten, mit anderen Blicken auf die Welt. So besteht eine enge Zusammenarbeit mit dem US-Künstler Jim Dine, der vor 20 Jahren der Sammlung 1500 Werke überlassen hat. Seine Bilder finden sich ebenso in diesem Band, wie Bunker von Boris Becker, die Ruhrpott-Porträts von Wilhelm Schürmann oder die Gärten von Simone Nieweg. „Es geht um Annäherungs- und Betrachtungsweisen, die bis heute gemäß einem festgesetzten Diskurs über Photographie ausgelotet werden“, sagt Conrath-Scholl.
Das Spannungsfeld spannt sich zeitlich von 1860 bis in die Gegenwart. Doch der Bestand ist — zum Glück — in dem 440 Seiten schweren Werk nicht chronologisch geordnet, sondern nach visuellen, inhaltlichen und ästhetischen Prinzipien. Dass die Grenzen zwischen sachlicher und künstlerischer Fotografie fließend sind, zeigt Lee Friedlander mit ihrem Blick durchs Fernglas auf den Mount Rushmore. Aber auch August Sander: Dessen Handlanger bekommt als letztes Bild der Buches einen fast sphärischen-leuchtenden Anstrich im Originalnegativ.
Die Photgraphische Sammlung/SK Stiftung Kultur: „Points of view. Konzepte und Sequenzen“, 440 S., 68 Euro.