Zwischen Würstchen und BierPfarrer bietet Tauffeiern im heimischen Garten an

Taufen im Garten oder in einem Kölner Stadtpark; Pfarrer Nico Ballmann ist da vollkommen frei. „Der Ort ist doch theologisch nicht wichtig“, sagt er. Es gehe um den Glauben.
Copyright: Thomas Banneyer
Köln – Ein lauer Sommerabend im Garten. Die Würstchen brutzeln auf dem heißen Grill. Das Freizeithemd flattert über der kurzen Hose. Der Kronkorken ploppt von der kühlen Bierflasche. Entspannt stehen alle beisammen. Und mittendrin Pfarrer Nico Ballmann. „Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“: Er tauft gerade das Kind der Gastgeber. Vielleicht treibt dieses Szenario das neue Projekt des evangelischen Geistlichen aus Bickendorf etwas auf die Spitze. Aber: „Warum nicht. So kann es auch aussehen, ich bin da vollkommen frei“, sagt Nico Ballmann. Er will nun mal die Taufe zu den Menschen bringen und nicht darauf warten, dass vielleicht Menschen zur Taufe kommen.
Ort theologisch nicht wichtig
Ob auf dem Rasen hinterm Haus, ob im Schrebergarten oder im Park: „Der Ort ist doch theologisch nicht wichtig“, sagt Ballmann, der sich als Sinnfluencer in den sozialen Medien eine Namen über Bickendorf hinaus gemacht hat. Da lehnt sich der reformierte Geistliche ein bisschen bei Luther an: „Nicht das Wasser macht es, sondern der Glaube.“ Aber zwischen Würstchen und Bier? Wird da ein Sakrament nicht etwas wohlfeil ausgeteilt? Kommt auf den Anfang der Geschichte an, nicht aufs Ende. Jedenfalls aus der Sicht von Ballmann.
Der Anfang: das Taufgespräch. „Was gehört denn für Sie dazu, zu der Taufe?“ Eine mögliche Einstiegsfrage an die Interessenten der Taufe im Garten oder im Park. „Ein Altar? Eine Taufschüssel? Eine Bibel? Ein Kreuz? Ein Kreuz also. Wollen sie selbst eins basteln?“, spielt Ballman so ein Gespräch mal durch. Ah, alles klar. Die dogmatische Keule kommt durch die Hintertür. Am Ende steht ’ne kleine Kirche im Garten, nur ohne Mauern. Möglich, aber auch nicht notwendig. Wenn es sein soll, entnimmt Ballmann das Taufwasser aus einer Salatschüssel. „Auch da bin ich vollkommen frei.“
Spurensuche
Moment mal, wenn das so weiter geht, spielt am Ende selbst der Glaube keine Rolle mehr. Was, wenn die Taufeltern sagen, im Grunde können sie mit dem christlichen Gott gar nichts anfangen, finden aber das Ritual so schön? „So schnell schmeiße ich auch in einem solchen Fall die Flinte nicht ins Korn“, erwidert Ballmann. Er habe mal ein Taufgespräch geführt, da sagten die Eltern, sie glaubten eher an so eine universelle Liebe. „Na also, da ist doch der Ansatz“, kontert er. „Gott wirkt bei den Menschen, er hinterlässt Spuren in unserem Leben. Ich will versuchen, sie sichtbar zu machen.“
Spurensuche – diese Arbeit muss sich ein Pfarrer heute wohl schon machen. „Ich darf nicht meinen Glaubensweg absolut setzen“, sagt Ballmann. Viele Wege führten zu Gott. Um sie zu orten , denkt er in Milieus. „In einem kirchennahen Milieu ist die Taufe im Gottesdienst, im Beisein der Gemeinde, wichtig. Und das soll auch so bleiben. In einem bürgerlich liberalen Milieu herrscht der Wunsch nach Individualisierung vor. Da wirkt ein klassischer Taufgottesdienst wie ein Schublade.“ Die Konsequenz: „Erziehen zum Gottesdienst, das geht gar nicht.“ Ansonsten? „Verpassen wir Chancen“, sagt er.
Taufen
Um 50 Prozent sind die Taufen in der evangelischen Kirche im Rheinland in 2020 zurückgegangen. Das berichtete Tatjana Laubach aus der Kirchenleitung auf der Frühjahrssynode des Kirchenkreises Köln-Süd. „Wie viele nachgeholt werden, ist noch nicht klar“, sagte Laubach. Sie warb dafür, Initiativen zur Mitgliederwerbung und -bindung zu stärken.
2819 Taufen wurden im katholischen Stadtdekanat Köln im Jahr 2018 durchgeführt. 2019 waren es 2647. Die Zahl für 2020 liegt noch nicht vor. Die absoluten Taufzahlen der evangelischen Kirche in Köln werden erst Mitte Juli bekannt gegeben.
Internetbeiträge von Pfarrer Nico Ballmann sind unter anderem zu finden unter: yeet.evangelisch.de
Und die Chance zu taufen will er nicht einfach so vorbeiziehen lassen. Nicht in dieser Corona-Pandemie. „Die Zahlen sind in den vergangenen Monaten krass zurückgegangen“, berichtet der Pfarrer (siehe Infotext). Die Menschen schieben Feste wie die Taufe erst einmal auf. Was, wenn in der Zwischenzeit die Bedenken gegen die klassische Taufe im Gottesdienst bei denen, die nicht die klassischen Kirchgänger sind, überhand gewinnen?
Die Frage stellt sich wohl nicht nur Ballmann, sondern auch sein Presbyterium. Bei den gewählten Mitgliedern, die das Gemeindeleben bestimmen, ging der Vorschlag des Pfarrers jedenfalls glatt durch. Die Bestätigung für den Beschluss folgte auf dem Fuße. Im September führt Ballmann eine erste Taufe der neuen Art im Rochuspark in Bickendorf durch.
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Okay, alles schön und gut. Aber sorry: Flaschenbier, Grill, Sommerhemd – auch wenn es nervt, es muss einfach nochmals nachgefragt werden: Was, wenn die Taufeltern nun wirklich so gar nichts mit dem Kern des Taufsakraments anfangen können? „Dann kann ich ja immer noch anbieten, ob nicht ein Segnung erst einmal der bessere Schritt ist“, gibt Ballmann nach – so ein bisschen.