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Nach ZitterpartieKölner Gesamtschule „Am Wassermann“ startet – „Diese Schule ist ein Geschenk“

Lesezeit 4 Minuten
Direktor Falko Semrau (l.) und Stellvertreter Daniel Brünger (r.) leiten die Gesamtschule Am Wassermann.

Direktor Falko Semrau (l.) und Stellvertreter Daniel Brünger (r.) leiten die Gesamtschule Am Wassermann.

Kurz bevor eine neue Schule an den Start geht, gibt es viel zu tun. Wir waren kurz vor Schulbeginn in der Gesamtschule Am Wassermann.

„Es ist ein anregender, spannungsvoller und emotionaler Prozess.“ Schulleiter Falko Semrau (53) strahlt mit seinem Stellvertreter Daniel Brünger (58) um die Wette. Auch wenn die beiden noch in kargen Räumen sitzen, die Farbe an den Wänden gerade erst getrocknet ist und noch keine einzige Unterrichtsstunde abgehalten wurde: Der erste Schritt ist geschafft. Die neue Gesamtschule Am Wassermann geht am Mittwoch an den Start.

Eine gewisse Zitterpartie liegt hinter den beiden Pädagogen, denn in der ersten Anmelderunde für die Fünftklässler hatte die neue Schule nicht die nötige Zahl von Anmeldungen. Es gab Befürchtungen, dass sie – ebenso wie drei weitere Neugründungen bei den weiterführenden Schulen – gar nicht an den Start gehen könnte. Das ist Geschichte. „Wir haben 108 Anmeldungen, das sind vier Klassen mit jeweils 27 Schülerinnen und Schülern“, sagt Brünger. Als inklusive Schule des Gemeinsamen Lernens, die pro Klasse jeweils drei Plätze für Inklusionskinder hat, hat die Gesamtschule ihre Kapazität ausgeschöpft. Brünger war bisher didaktischer Leiter der Gesamtschule Rodenkirchen, Semrau an der Bonner Marie-Kahle Gesamtschule.

Es sei nicht so leicht gewesen, die Eltern von einer Schule zu überzeugen, die es bei der Anmeldung noch gar nicht gab, erzählt der Schulleiter. „Wir haben in einem Raum im Gymnasium Zusestraße gesessen und versucht auszumalen, was wir vorhaben“, sagt Semrau. Und das ist eine Menge: Die Gesamtschule Am Wassermann wird die erste Kölner Schule, die sich am Konzept der Dalton-Pädagogik ausrichtet.

Erste Kölner Schule mit Dalton-Konzept

„Dalton ist ein etabliertes System, das seit den 1960er Jahren in den Niederlanden angewandt wird. Wir wollen es auf die Neuzeit übertragen“, erklärt Semrau. Es geht dabei ähnlich wie beim Montessori-Konzept darum, die Selbstständigkeit zu fördern. „Gib mir Zeit, es selbst zu lernen“, ist ein Kernsatz. Sowohl der neue Direktor als auch sein Stellvertreter stehen hinter einem reformpädagogischen Ansatz.

Täglich können die Schülerinnen und Schüler in offenen Lernzeiten eigenverantwortlich und in ihrem eigenen Tempo lernen. Sie können so Schwächen ausgleichen, aber auch besondere Interessen ausleben. Wichtig sei es zudem, die Medien- und die Sprachkompetenz zu stärken. Zentrale Kompetenzen wie Kooperation, Zusammenarbeit, Kreativität und kritisches Denken stehen im Blickfeld. „Raum geben für Entwicklungen“ möchte die Schulleitung. Und dafür braucht es ihrer Meinung nach einen geeigneten Rahmen.

Gesamtschule Am Wassermann in Vogelsang.

Gesamtschule Am Wassermann in Vogelsang.

„Fachliches Lernen geht nur, wenn man sich wohlfühlt“, ist Semrau überzeugt. Eine gute Atmosphäre nicht nur für die Schülerinnen und Schüler, sondern auch für das neue Kollegium soll es geben. Dieses neue elfköpfige Kollegium hat sich in der letzten Ferienwoche in den Schulräumen, die zuvor der Gesamtschule am Wasseramselweg als Interim dienten, kennengelernt. „Das ist ein top-motiviertes Kollegium“, findet der Schulleiter. Einige haben sich versetzen lassen, andere sind ganz frisch im Schuldienst.

Gemeinsam Planen und Regeln aufstellen

„Schule gelingt am besten, wenn sich alle ihren Lebensraum gestalten“, unterstreicht Brünger. Deshalb werde jetzt gemeinsam auf Augenhöhe im Kollegium geplant. Die Notizen, die an eine Stellwand im Lehrerzimmer geheftet sind, belegen das. Für die Angebote „Glücks-AG, Schnitzen-AG, Garten-AG oder Social-Media-AG“ haben sich schon Zuständige eingetragen. Es sollen noch Pausenregeln, Mensaregeln und Ähnliches gemeinsam aufgestellt werden. Und es werden noch Möbel gerückt und Dekorationen aufgehängt.

Da das sogenannte Snake-Gebäude, in dem die Gesamtschule untergebracht ist, ursprünglich als Bürogebäude konzipiert wurde, fehlt die typische Raumaufteilung mit Gängen oder Clustern und sehr großen Klassenzimmern. „Dafür haben wir unglaublich viele Räume. Das ist so luxuriös“, sagt Brünger. Er freut sich sehr, dass so viele Eltern der Schule, die es bei der Anmeldung noch gar nicht gab, ihr Vertrauen geschenkt haben. „Schon jetzt gibt es sehr viele Anmeldungen für den Förderverein“, sagt er und gibt zu: „Ich bin euphorisiert. Für mich ist diese Schule ein Geschenk.“

Wenige Tage vor dem Schulstart: Ausblick aus einem Klassenzimmer in der Gesamtschule Am Wassermann.

Wenige Tage vor dem Schulstart: Ausblick aus einem Klassenzimmer in der Gesamtschule Am Wassermann.

Erstes Abi im Jahr 2033

Wenn die ersten Schülerinnen und Schüler 2033 ihr Abitur in der Schule Am Wassermann machen, dürfte die übrigens einen neuen Namen haben. Dass die Schule nach der Adresse benannt ist, sei üblich bei Neugründungen. „Irgendwann werden wir in der Schulkonferenz über einen Namen entscheiden. Dafür warten wir aber, bis die Schulgemeinde gewachsen ist“, sagt Semrau. Erst einmal steht der erste gemeinsame Schultag an. Am Mittwoch heißt der neue Direktor die neuen Schülerinnen und Schüler willkommen.


Schulneugründungen

5 neue weiterführende Schulen gehen nach den Sommerferien an den Start. Es sind: die Gesamtschule Am Wassermann und die Gesamtschulen Weidenpesch und Ossendorf. Außerdem starten die Gymnasien Rondorf und Nippes. Außer der Schule Am Wassermann beginnen alle im Interim und wechseln erst später an ihren endgültigen Standort.

580 weitere Schulplätze hat die Stadt durch die Schulneugründungen zum Schuljahr 2024/25 geschaffen.