Mülheimer BrückeSanierung läuft aus dem Ruder – wichtigste Fragen und Antworten
- Die Sanierung der Mülheimer Brücke hat vor wenigen Monaten begonnen.
- Doch schon jetzt wird deutlich, dass der Zeitplan nicht eingehalten werden kann.
- Und auch die Kosten werden höher als zuvor geplant.
- Was bedeutet das für die Stadt? Was bedeutet es für die Autofahrer? Wir haben Fragen und Antworten.
Köln – In Zeiten, als der Begriff Klimawandel einzig beim Wechsel der Jahreszeiten verwandt wurde, hätte dem Fund vielleicht ein positiver Aspekt abgewonnen werden können. Jetzt ist das entdeckte Braunkohleflöz unter der rechtsrheinischen Rampe der Mülheimer Brücke nur noch ein Problem. Die Generalsanierung des Brückenbauwerks fällt aus dem Zeitplan. Das ins Auge gefasste Fertigstellungsdatum 2022 ist nicht mehr zu halten.
Der schon mehrfach erhöhte Kostenrahmen von nunmehr 188 Millionen Euro wird erneut zu eng. Köln steuert nach dem Kalker Tunnel mit der Mülheimer Brücke auf eine weitere Verkehrsbaustelle zu, die Autofahrer, Wirtschaft und Stadtkasse unabsehbar belasten wird.
Warum ist die Braunkohle ein Problem?
Einst gab es Hallen unter der rechtsrheinischen Rampe der Mülheimer Brücke. Die sind nun entkernt. Es steht nur noch ein Stahlbetonskelett. Auch das muss weichen, wird die Rampe doch gänzlich neu gebaut. Aber irgendetwas muss in diesen Bauphasen die Kräfte des weiterhin über die Brücke rollenden Verkehrs aufnehmen. Pfähle sollten deshalb ins Erdreich gelassen werden. Rund 400 Stück, 15 Meter lang.
Doch dann wurde bei „vertieften Untersuchungen“ die großflächige Braunkohleschicht in 22 bis 30 Meter Tiefe entdeckt. Braunkohle kann aber keine großen Druckkräfte aufnehmen. Darum müssen die Statiker nun prüfen, ob die Pfähle noch über der Braunkohle enden können, ob sie über die Schicht hinaus verlängert werden müssen oder ob letztlich flache Streifenfundamente her müssen.
Warum nur noch Fahrzeuge bis 3,5 Tonnen?
Bereits seit vergangenen Herbst arbeiten Firmen an der Mülheimer Brücke. Neben der Entkernung der rechtsrheinischen Rampe wurde dabei auch der Beton der Brücke untersucht. Das Ergebnis war die erste große Überraschung, noch vor der Entdeckung der Braunkohleschicht im Erdreich.
Sorge um Handel
„Für die betroffenen Unternehmen ist das eine Katastrophe“, sagt Ulf Reichardt, Hauptgeschäftsführer der IHK Köln dazu, dass nun neben der Leverkusener und der Deutzer Brücke auch die Mülheimer Brücke für Lkw über 3,5 Tonnen gesperrt ist. „Die Erreichbarkeit unserer Unternehmen steht damit auf dem Spiel. Und für viele Transporte bedeutet dies erhebliche Umwege und damit einen enormen Zeitverlust.“
Reichardt fordert: „Straßen und Brücken müssen schneller geplant, Baustellen besser koordiniert und Verkehre intelligent gelenkt werden.“ Für die Mülheimer Brücke müsse eine Notabstützung eingerichtet werden, um die massive Ablastung wieder aufheben zu können.
Der Beton ist an zahlreichen Stellen durchfeuchtet. Das macht ihn brüchig und schadet der Stahlbewehrung. In einem ersten Schritt wurde die zulässige Nutzlast der Fahrzeuge für die Mülheimer Brücke auf zwölf Tonnen herabgesetzt. Eigentlich sollte danach die Brücke verstärkt werden, damit schnell wieder schwerere Fahrzeuge passieren können. Doch es wurden immer mehr schadhafte Stellen gefunden. Jetzt dürfen nur noch Fahrzeuge mit einer Nutzlast von 3,5 Tonnen rüber.
Was bedeutet das für den Zeitplan?
Was bisher mit Gewissheit gesagt werden kann: Das ehemals ins Auge gefasste Fertigstellungsdatum 2022 ist nicht mehr zu halten. Allerdings war das schon im Oktober hinfällig. Die aufwendigen Betonuntersuchungen sind Schuld. Nun kommen noch die statischen Untersuchungen wegen der Braunkohleschicht dazu. Dabei haben die Sanierungsarbeiten noch nicht einmal richtig begonnen. Vollkommen offen, was im Zuge der Arbeiten noch alles ans Tageslicht kommt. Im September vergangenen Jahres sagte der Leiter der städtischen Projektgruppe Sanierung der Brücken, Vjeran Buric, bei einer Baustellenbegehung zur Rundschau: „Wir arbeiten im Bestand. Das ist immer vergleichbar mit einer Wundertüte.“
Was bedeutet das für Kostenplan?
Die kalkulierten Kosten für die Generalsanierung der Mülheimer Brücke sind nach oben geklettert wie ein Wetterfrosch bei Sonnenschein: Im Jahr 2009 war zunächst die Rede von 35,1 Millionen Euro. Ein Jahr später waren es 38,8 Millionen Euro, 2015 dann 72,2 Millionen Euro, bevor der Stadtrat vergangenes Jahr 116 Millionen Euro absegnete. Schließlich musste Verkehrsdezernentin Andrea Blome 2017 eine weitere Steigerung auf 188 Millionen Euro verkünden. Und jetzt? „Wir werden länger brauchen. Und länger zu bauen kostet immer auch mehr Geld“, sagt Ingenieurin Sonja Rode, Koordinatorin im Verkehrsdezernat. Klingt nach Blankocheck.
Was kommt auf die Autofahrer zu?
Kurz gesagt: Eine Nervenprobe. In mehreren Abschnitten wird die Brücke von Süden nach Norden saniert. Der erste Abschnitt beginnt am 15. April zu den Osterferien. Dann sind nur noch auf der nördlichen Seite zwei Fahrbahnen befahrbar, eine pro Fahrtrichtung. Um das regeln zu können, sind zahlreiche Umleitungen und Sperrungen die Folge (siehe Grafik).
Für 2020 war eigentlich mit Beginn der Osterferien bis zum Ende der Sommerferien eine besonders neuralgische Phase vorgesehen. Dann sollte am Mittelteil der Brücke, wo die Stadtbahngleise liegen, gearbeitet werden. Die Linien 18 und 13 enden dann vor der Brücke. Ersatzbusse werden eingesetzt. Doch wegen der nun schon vorhandenen Verzögerungen klappt das nicht mehr. Weil an die verkehrsärmere Zeit der Ferien gebunden, kann diese Phase eigentlich nur um ein ganzes Jahr verschoben werden. Alle Sanierungsphasen ziehen massive Behinderungen des Verkehrs nach sich. Es wird auf Jahre hinaus zu langen Staus kommen. Ausweichroute ist vor allem die Zoobrücke mit dem nun wieder frei befahrbaren Kalker Tunnel.
Warum muss überhaupt saniert werden?
Die Mülheimer Brücke braucht Verstärkung, um den steigenden Lasten durch den Verkehr Stand halten zu können. In die hohlen Pylone werden Rahmen eingesetzt. Die Hängeseile der Querung werden ausgetauscht. Auf der Unterseite der Brücke wird ein Stahlfachwerk eingearbeitet, das weit mehr Kräfte aufnehmen kann, als einige der jetzigen Stahlträger. 1000 Tonnen zusätzliches Gewicht entstehen durch das neue Fachwerk am Bauwerk. Ein Großteil der Arbeiten wird über aufgehängte Gerüste erledigt.