Wenn ab Freitagabend die Nachtdemo für die Menschen in der Ukraine stattfindet, wird auch Oleksandra Matwijtschuk live aus Kiew zugeschaltet. Die Menschenrechts-Aktivistin führt das Zentrum, das 2022 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde.
Ukraine-Demo in KölnMenschenrechts-Aktivistin spricht über Kölner Nachtkundgebung
Wie schätzen Sie die aktuelle Situation ein?
Wir leben in einer schrecklichen Situation, Krieg ist fürchterlich. Aber wir haben keine andere Wahl, als uns zu verteidigen. Denn wir brauchen einen nachhaltigen und dauerhaften Frieden. Russland will das russische Reich wieder herstellen und das muss gestoppt werden. Ich denke auch, das ist nicht nur Putins Krieg. Die Mehrheit der Russen steht hinter der Vorstellung von einem russischen Reich. Wir haben keine Alternative als unsere Freiheit zu verteidigen. Denn sonst werden wir unter russischer Besatzung leben müssen. Und Besatzung bedeutet Folter, Vergewaltigung, Tod und Unterdrückung. Besatzung bedeutet, dass dem Individuum das Existenzrecht abgesprochen wird.
Sie sind Direktorin der Menschenrechtsorganisation für Bürgerrechte in Kiew. Was machen Sie da genau?
Wir arbeiten zusammen mit vielen lokalen, regionalen und auch internationalen Organisationen und dokumentieren Kriegsverbrechen. Das machen wir schon seit 2014. Aber alleine seit dem 24. Februar 2022 haben wir mehr als 47.000 Kriegsverbrechen dokumentiert. Tödliche Angriffe auf Schulen, Krankenhäuser, auf Fluchtkorridore mit Zivilisten, Folter, Vergewaltigung und Deportation von Kindern nach Russland, wo sie adoptiert wurden. Manche dieser Kinder haben Eltern, die von den Russen gefangen genommen wurden. Wir haben Morde dokumentiert an Priestern, Journalisten oder lokalen Freiwilligen. Was wir machen, ist: Wir dokumentieren menschliches Leid.
Wie können Sie das aushalten?
Mir fehlen immer noch die Worte, um das zu beschreiben. Ich muss es aushalten. Unsere Arbeit ist so wichtig.
Was kann eine Demonstration wie die in Köln ausrichten?
Solidarische Aktionen sind extrem wichtig. Menschen denken viel zu oft, dass sie nichts ausrichten können, dass sie nur ein unbedeutender Einzelner sind. Aber jeder hat viel mehr Macht als er denkt. Deshalb ist jeder einzelne, der seine Solidarität zeigt, bedeutend.
Schlaflos aus Solidarität: Eine ganze Nacht lang Demo
12 Stunden lang, von 19.30 Uhr am Freitag bis um 7.30 Uhr am Samstag, dauert die Nachtkundgebung, zu der der Verein Blau-Gelbes Kreuz auf dem Roncalliplatz aufruft. Es soll Solidarität gezeigt werden mit den Menschen, die schlaflos im Kriegsgebiet sind.
Der Titel der Kundgebung, die für 1000 Menschen angemeldet ist, lautet „Unbreakable Ukraine: Nachtkundgebung für die Zukunft Europas“. Zur Begründung sagt Julia Chenusha, Geschäftsführerin Blau-Gelbes Kreuz: „Die Zukunft der Ukraine und die Europas sind verbunden.“ Sie führt durch die Nacht.
Programm-Auszüge: 19.30 bis 21 Uhr - erste Kundgebung unter anderen mit der stellvertretenden NRW-Ministerpräsidentin Mona Neubaur, 21 bis 22.30 Uhr Podiumsdiskussion „Warum ist der Sieg der Ukraine entscheidend für die Zukunft Europas?“ unter anderem mit Olexandra Matwijtschuk (zugeschaltet).
Eindrücke live aus der Ukraine vermitteln in Schaltungen ab 23 Uhr unter anderem ein Arzt und ein Feuerwaffen-Ausbilder, der eigentlich Medienwissenschaftler ist.
Ukrainisches Essen, Musik und Workshops gibt es zudem bei der Nachtkundgebung.