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„Überfall, schnell, er ist bewaffnet“Supermarktleiter stoppt Räuber per Durchsage

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Symbolfoto

Köln – Seriös, in weißem Hemd mit blauer Krawatte und Anzughose, präsentierte sich am Donnerstag ein 24-Jähriger aus Hückelhoven im Kreis Heinsberg auf der Anklagebank des Landgerichts. Der Mann wirkte eher wie ein Autoverkäufer oder Verwaltungsangestellter, aber nicht wie einer, der bewaffnet die Wochenende-Einnahmen eines Supermarkts raubt.

Doch genau das hat der Mann am frühen Morgen des 4. Oktober 2021 in einem Edeka-Center in Marsdorf getan. Ganz Geschäftsmann mit Rollkoffer im Schlepptau, war der 24-Jährige gegen 6.30 Uhr in den Supermarkt gegangen und hatte sich einer Mitarbeiterin in der Obst- und Gemüseabteilung als „Herr Hoffmann aus der Zentrale“ vorgestellt, sich in den Kassenraum führen lassen und nach dem Marktleiter (37) verlangt.

„Man hat gemerkt, der war kein Profi“

„Ich dachte zuerst, der ist vielleicht von der Revision“, sagte der 37-Jährige am Donnerstag als Zeuge vor dem Landgericht. Dort ist der 24-Jährige wegen räuberischer Erpressung, Freiheitsberaubung und versuchter gefährlicher Körperverletzung angeklagt. 13 600 Euro soll der 24-Jährige erbeutet haben.

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Denn nach der Begrüßung wuchtete der 24-Jährige seinen Rollkoffer auf den Tisch und sagte: „Ich habe hier was für Sie“, und hielt dem Marktleiter eine Pistole vor — wie sich später herausstellte eine harmlose Softair-Pistole. „Höflich und ruhig“ habe der Täter das Geld aus dem Safe verlangt, so der 37-Jährige.

„Ziemlich freundlich“ habe der Täter erklärt, dass er ihn nun fesseln müsse. Mit Kabelbindern die Hände und mit Paketband die Beine. Dafür, dass er ihm auch den Mund zuklebte, habe sich der Täter gar „entschuldigt“. „Man hat gemerkt, der war kein Profi. Der wollte mir auch keinen Schaden zufügen.“ Und weiter: „In Sendungen wie Aktenzeichen XY sieht man, dass so Leute auch anders mit einem umgehen können.“

Marktmitarbeiter nehmen Täter fest

Dann verließ der 24-Jährige den Kassenraum, schloss ab und spazierte seelenruhig aus dem Markt. Doch den 37-Jährigen packte das Jagdfieber. Die dünnen Kabelbinder riss er einfach auf und machte über die Sprechanlage eine Durchsage in den Markt: Überfall, schnell, er ist bewaffnet.“ Über einen Monitor konnte er den Fluchtversuch des Täters verfolgen. Heute würde er das nicht mehr so machen, sagte der 37-Jährige selbstkritisch: „Damit habe ich meine Kollegen in Gefahr gebracht.“

Die Kollegen (42, 39 und 39) aus der Obst- und Gemüseabteilung hörten die Durchsage und nahmen die Verfolgung auf. Ein 39-Jähriger stellte den 24-Jährigen draußen. Dieser hatte noch versucht den Verfolger im Stil eines Hammerwerfers mit dem Rollkoffer umzuhauen, doch den Schlag parierte der Supermarktmitarbeiter mit dem Unterarm.

„Mein Bruder macht Kampfsport, da habe ich mir ein bisschen was abgeguckt“, sagte der 39-Jährige gut gelaunt im Zeugenstand. Er konnte den 24-Jährigen in ein Gebüsch schubsen und dann mit den beiden anderen Kollegen festnehmen.

Täter war verschuldet

Als Motiv für die Tat nannte der geständige und reuige Angeklagte Schulden. Im Februar 2021 hab er seine Stelle bei einem Kundenservice-Dienstleister verloren. Anschließend sei er auf keinen grünen Zweig mehr gekommen. Zwar schrieb der Mann Bewerbungen und versuchte mit Währungsspekulationen auf Wechselkurse Geld zu machen, „aber da war ich nicht sonderlich erfolgreich“.

Als ihm im September sein Stromversorger wegen 800 Euro Schulden drohte, den Strom abzudrehen, wusste er nicht weiter: „Ohne Strom kein Internet, ohne Internet keine Bewerbungen.“ Sich an seine Mutter zu wenden, der er bereits 3500 Euro schuldete, das habe sein Stolz nicht zugelassen, so der 24-Jährige.

Fünf Jahre Haft Mindeststrafe stehen auf bewaffnete räuberische Erpressung. Sollte das Gericht einen minder schweren Fall erkennen, betrüge die Mindeststrafe ein Jahr. Ein Urteil soll am Freitag fallen.