Die Musik-Kabarettistin „Miss Cherrywine“ spricht in ihrem neuen Programm über ein Thema, das sonst gemieden wird.
Nach dem Tod ihrer MutterWarum eine Kölnerin aus ihrer Trauer ein Unterhaltungsprogramm macht
„Einen Moment“, ruft Tina Damm, „Ich räume meine Urne sofort weg.“ Mitten im Café auf einem Tisch stehend, sorgt das Behältnis bei einigen Gästen für irritierte Blicke. Dass die Künstlerin mit Urne in ein Lokal geht, ist auch die Ausnahme – etwa, wenn sie zum Interview verabredet ist und für ihr neues Programm wirbt. Aber eigentlich symbolisiert der kleine Zwischenfall genau das, was sie mit ihrem neuesten Projekt bezweckt. Unter dem Titel „Salon Mortel“ bringt Damm, die sich auf der Bühne „Miss Cherrywine“ nennt, ein Thema auf die Bühne, das die meisten Menschen wohl zuletzt mit Spaß und Entertainment verbinden würden: Es geht um Sterben und Tod.
Das könnte manch einen im ersten Moment verwirren und die Frage aufwerfen, wie man daraus denn ein unterhaltsames Programm machen will – und vor allem: Warum? „Es geht mir darum, das Thema zu enttabuisieren“, antwortet die Wahlkölnerin. „Schließlich ist der Tod die einzige Konstante im Leben, die uns wirklich alle eint.“
Eine Einstellung, die viel mit Damms Kindheit zu tun hat. Geboren in Weiden in der Oberpfalz, wuchs sie in einem Mehrgenerationen-Konstrukt in einem großen Bauernhaus auf. „Unten wohnte ich mit meinen Eltern, oben waren meine Großeltern und im Zwischengeschoss meine Großtante. Ich lernte also schon von Kindesbeinen an, Altern und Sterben als etwas Natürliches, Unausweichliches zu begreifen– und glaubte, ich sei gewappnet.“
Dass dem nicht so war, stellte sie fest, als ihre Mutter mit nur 58 Jahren verstarb. „Sie hatte Krebs, es kam also nicht völlig überraschend. Trotzdem hat es mir den Boden unter den Füßen weggerissen.“ Dazu kam, dass Damm zu diesem Zeitpunkt das Elternhaus längst verlassen hatte und in Paris lebte. Familie und enge Freunde waren nicht in Reichweite, ihr neues Umfeld wusste nicht, wie es mit ihrer Trauer umgehen sollte. „Da wurde mir erst richtig klar, wie schwierig dieses Thema für uns alle ist.“
Zufällig war dies der Zeitpunkt, als man erstmals von den sogenannten „Death Cafés“ hörte: Orte, an denen sich Trauernde zwanglos treffen und austauschen können. „Das hat mich damals sehr beeindruckt“, sagt sie. „So entstand der Wunsch, so etwas auch einmal zu machen.“
Das ist jetzt gut 20 Jahre her. Zwischenzeitlich arbeitete Damm als PR-Beraterin und Tourmanagerin unter anderem für BAP und Bastian Sick, leitete mehrere Jahre lang das Veranstaltungsprogramm des Seniorenzentrums der Sozialbetriebe Köln-Riehl und baute sich nebenher eine Karriere als Sängerin und Musik-Kabarettistin „Miss Cherrywine“ auf.
Mix aus Musik, Infos und Tipps
Bei der Planung des „Salon Mortel“ konnte sie all ihre Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen unter einen Hut bringen. Herausgekommen ist ein unterhaltsamer Mix aus Anekdoten, musikalischen Einlagen, aber auch ganz handfesten Infos und Fakten. So erfährt man etwa, wie in anderen Kulturen mit dem Tod umgegangen wird, bekommt aber auch konkrete Tipps, wie man für sich selbst Vorsorge trifft und was dabei zu beachten ist. Im Showteil geht es durchaus auch mal schwarzhumorig und skurril zu. „Ich will das Thema aber auf gar keinen Fall veralbern“, betont sie. „Das ist einfach meine Art von Humor. Ich will erreichen, dass die Menschen sich ganz entspannt und ohne Angst mit dem Thema auseinandersetzen.“
Die Premiere findet am 30. August in der Lounge des Bonner Pantheon Theaters statt – und war frühzeitig ausverkauft. Ein Zeichen, dass durchaus Bedarf besteht, das Thema Tod aus der Tabuecke zu holen. Dafür spricht auch die Tatsache, dass Damm, als sie zur Finanzierung des Salons eine Crowdfunding-Kampagne startete, das Spendenziel von 6.000 Euro bereits einige Tage vor Ablauf der Frist erreichte.
Der „Salon Mortel“ ist so konzipiert, dass er neben kleineren Theatern beispielsweise auch in Beerdigungsinstituten stattfinden kann. Da lässt sich dann auch der Programmpunkt „Probeliegen im Sarg“ realisieren. Aber auch das soll nicht in respektloser Weise geschehen, sondern die anwesende Bestatterin oder der Bestatter könnte bei der Gelegenheit auch Fragen beantworten, die ihnen im Berufsalltag normalerweise nicht gestellt würden. Sie sei aber auch offen dafür, den „Salon Mortel“ an gänzlich unerwartete Orte zu bringen, sagt Damm. „Wenn also beispielsweise eine Anfrage von einem Spaßbad käme – warum nicht?“
Infos und aktuelle Termine von Miss Cherrywine gibt es hier.