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Kölner HandwerkerinnenhausWie Kinder, die kaum sehen können, tischlern lernten

Lesezeit 2 Minuten
Drei Mädchen und zwei Frauen mit einem selbstgemachten Mini-Hochbeet.

Mandi Schubert (l.) und Sabine Uhl vom Handwerkerinnenhaus Köln präsentieren mit Kindern das Ergebnis

Am Ende gab es mehr Mini-Hochbeete. Das Kölner Handwerkerinnenhaus veranstaltete eine ungewöhnliche Projektwoche in der LVR-Severin-Schule.

Marie setzt den Akkuschrauber auf der Bohrschablone an. Sie schiebt den Richtungshebel in die richtige Position und drückt so lange den Abzug, bis das drunterliegende Holzbrett durchbohrt ist. Geschafft. Marie ist Grundschülerin und hat eine Sehbeeinträchtigung. Für viele Menschen ist es im ersten Moment schwer vorstellbar, dass Kinder wie sie mit solch schweren Werkzeug Holz bearbeiten. Ein Projekt in der Südstadt bewies nun, dass Handwerken und Sehbehinderung kein Widerspruch sein muss.

Die LVR-Severin-Schule bot gemeinsam mit dem Handwerkerinnenhaus Köln eine Projektwoche für Mädchen mit Sehbeeinträchtigungen an. Die Schülerinnen im Alter von sieben bis elf Jahren bauten unter der Anleitung von Tischlerinnen Mini-Hochbeete. Die LVR-Severin-Schule mit dem Förderschwerpunkt „Sehen“ ist eine Förderschule für Kinder mit Sehbeeinträchtigungen. Die Beeinträchtigungen umfassen ein breites Feld von Blindheit über Sehbehinderung bis zu zerebralen visuellen Wahrnehmungs- und Verarbeitungsstörungen.

Tastsinn half bei der Umsetzung

Sabine Uhl ist seit zehn Jahren Tischlerin beim Handwerkerinnenhaus Köln und eine der Begleiterinnen des Projekts. Normalerweise gibt sie Kurse im Bereich der Berufsorientierung, wo sie auch vereinzelt mit Menschen mit Sehbeeinträchtigungen zusammenarbeitet. Die Schülerinnen der Severin-Schule hätten sie trotzdem sehr beeindruckt: „Sie sind unglaublich konzentriert, Sie sind aufnahmefähig. Und vor allem sind sie schnell.“ Die Mädchen würden sich viele Dinge selbständig erschließen, oft mithilfe ihres Tastsinnes. Ansonsten würde auch viel improvisiert. „Die wissen sich sehr gut zu helfen“, erzählte Uhl. Der Kunstraum im Untergeschoss der Schule sei ein vertrautes Umfeld für die Schülerinnen, somit stehe dem eigenständig Arbeiten nichts im Wege.

Bei der Arbeit mit Kindern mit Sehbeeinträchtigungen gäbe es ein paar Besonderheiten: „Sie brauchen schon ein bisschen mehr Hilfestellung und Vorbereitung.“ Insgesamt würden sich die Unterschiede aber in Grenzen halten: „Alles andere machen die genauso wie die anderen Mädchen“, sagte Uhl.

Bei dem Projekt ging es neben der Vermittlung praktischer Fähigkeiten auch darum, das Selbstbewusstsein der Mädchen zu stärken: Die Tischlerin erinnerte sich, dass viele Schülerinnen zunächst eher zurückhaltend waren. Das habe sich im Laufe der Woche geändert: „Mittlerweile kommen sie morgens mit einem riesengroßen Grinsen hier rein, ziehen die Jacke aus und fragen: ‚Wann fangen wir an?‘“, sagte sie am Ende der erfolgreichen Woche.