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Junge Kölnerinnen bei der Polizei berichten„Du kannst nicht jeden retten“

Lesezeit 7 Minuten
Köln, RSK, Junge Polizistinnen

Vier junge Frauen bei der Polizei berichten uns von ihrem Alltag.

In den vergangenen Jahren ist die Kölner Polizei jünger und weiblicher geworden. Was fasziniert die Kommissarinnen an ihrem Job? Vier von ihnen geben Einblicke in ihre ersten und bereits bewegten Berufsjahre.

Lisa Osmann (34) ist beim Wachdienst im Einsatz

Lisa Osmann (34)

Lisa Osmann (34)

Wenn etwas passiert, sind wir meistens die ersten, die vor Ort eintreffen. Bürger und Bürgerinnen rufen uns, wenn sie nicht mehr weiterwissen. Wir arbeiten den ersten Angriff ab, vermitteln und bringen die nötige Ruhe rein, um für eine Lösung zu sorgen. Dieses lösungsorientierte Arbeiten, ist, was mich am meisten fasziniert. Du musst dich am Anfang aber ganz, ganz schnell davon verabschieden, dass du jeden Menschen retten kannst. Ich glaube, viele von uns sind mit dem Ideal reingegangen, Gerechtigkeit zu bringen. Aber man lernt schnell, dass für viele Menschen Gesetze und Regeln nicht mit ihrem Verständnis von Gerechtigkeit gleichzusetzen sind. Jeder Mensch empfindet Gerechtigkeit anders. Und man lernt, mit dem Tod umzugehen, egal ob du einen Verkehrsunfall, eine Bahnleiche oder einen Suizid hast. Als ich 24 und noch in der Ausbildung war, wurde ich zu einem tödlichen Verkehrsunfall gerufen, der mir bis heute in Erinnerung geblieben ist, weil die Person in meinem Alter war. Am schlimmsten war es, die persönlichen Sachen des Verstorbenen zu bekommen.

Ich hatte sein Handy in der Hand und darauf stand die ganze Zeit „Schatz ruft an“. Das Belastendste ist für mich immer, wenn ich die Geschichte hinter der Person erfahre. Einmal musste ich während meiner Ausbildung bei einem Einsatz weinen. Wir hatten einen Todesfall in der Wohnung. Als es an der Tür geklingelt hat, dachten wir, es wäre der Bestatter, den wir bestellt haben. Es war aber der Sohn. Er war ungefähr 15 und hat gesagt, er konnte seinen Vater wochenlang nicht erreichen. Nachdem mein Tutor ihm die Todesnachricht überbracht hat, habe ich den Sohn in den Arm genommen. Er hat geweint, ich habe geweint. Wenn ich bei einem Einsatz jemanden trösten muss, lasse ich körperliche Nähe auch zu. Wir sind keine Eisklötze. Sollte es mir bei einem Einsatz nochmals so schlecht gehen, dass ich weinen muss, dann weine ich. Das würde ich dann nicht zurückhalten. Und ich glaube, das zeigt auch nur, dass wir nicht nur eine Uniform anhaben, sondern dass da Menschen drinstecken.

Ich kann nicht leugnen, dass es auch zu Situationen kommt, in denen wir Gewalt oder Beleidigungen ausgesetzt sind. Aber es kommt oft auch darauf an, wie du mit deinem Gegenüber umgehst. Ich habe das Gefühl, dass sich die Situation zwischen Männern manchmal leichter hochschaukelt. Als Frau regelt man die Dinge dann vielleicht eher deeskalierender, allein, weil es nach außen den Anschein macht, als würde man in der körperlichen Auseinandersetzung eher den Kürzeren ziehen. Es kann aber manchmal nicht schaden, einen Kollegen dabei zu haben. Es ist von Vorteil, wenn die Streifenpartner gemischt sind, weil wir zum Beispiel bei Durchsuchungen an rechtliche Vorschriften gebunden sind. Es bleibt aber dabei, dass wir alle die gleiche Ausbildung und dieselbe Ausrüstung haben.


Laura Alfes (29) ist Teil einer Einsatzhundertschaft

Laura Alfes (29)

Laura Alfes (29)

Bei der Einsatzhundertschaft finde ich interessant, dass ich mental und auch körperlich gefordert werde. Einsätze werden in der Regel taktisch vorgeplant, manchmal über Monate. Wir sind eingesetzt, wo die normale Polizei zu wenig ist, also zum Beispiel bei Demonstrationen oder Fußballspielen.

Dabei ist für mich die größte Herausforderung, deeskalierend zu kommunizieren, während man gleichzeitig eine Maßnahme durchsetzen möchte. Man hat schon Respekt, wenn man viele wütende Menschen vor sich hat, die auch mit Glasflaschen werfen. Angst habe ich aber nicht, sonst wäre ich auch falsch.

Man muss sich immer wieder bewusst machen, dass die Uniform nicht auf alle dieselbe Wirkung hat. Ich habe mit Polizei noch nie etwas Negatives verbunden. Ich hatte aber auch noch nie was mit der Polizei zu tun, bevor ich selbst Polizistin geworden bin. Vor allem am Anfang fand ich es schwierig, zu akzeptieren, dass manche die Polizei einfach nicht positiv sehen. Mittlerweile habe ich da eine innere Ruhe entwickelt, was das betrifft. Wenn man beleidigt wird, muss man manchmal einfach die Ohren zu machen.

Viele Bürger haben sich mittlerweile daran gewöhnt, dass Frauen bei der Polizei sind. Dass ich körperlich nicht so viel kann wie mein Kollege, der zwei Meter groß ist, darüber muss man sich nicht streiten.

Dafür habe ich andere Fähigkeiten. Ich kann sehr gut Stimmungen einschätzen. Frauen können manchmal etwas kommunikativer sein, obwohl das natürlich auch nicht immer so ist.

Mehrere Faustschläge ins Gesicht

Bei der Hundertschaft wurde ich noch nicht verletzt, bei meiner Zeit als Straßenpolizistin aber schon. Das passierte alles in einem Zeitraum von rund drei Monaten. Das erste Mal wurde ich von einem Mann drei Mal mit der Faust ins Gesicht geschlagen, als ich über die Straße gegangen bin. Es kam zum Gerichtsprozess und er hat eine Bewährungsstrafe bekommen. Später hat er dann, glaube ich, wieder einen Kollegen angegriffen. Danach wurde ich innerhalb weniger Wochen noch zwei Mal verletzt. Eine Zeit lang war ich deshalb auch sehr wütend, weil ich in diesen Momenten ja immer nur helfen wollte.


Rebecca Brettell (28) arbeitet bei der Kriminalpolizei

Rebecca Brettell (28)

Rebecca Brettell (28)

Meine Motivation ist es, dass meine Ermittlungen dazu beitragen, dass eine Tat aufgeklärt und die verantwortliche Person verurteilt wird. Ich arbeite seit vier Jahren im Bereich Sexualdelikte und der Alltag dort ist sehr vielfältig. Er reicht von Vernehmungen, zu Durchsuchungen, der Unterstützung von Geschädigten oder der Festnahme von Beschuldigten.

Gespräche mit Geschädigten berühren tief

Der belastendste Teil ist die Vernehmung von Geschädigten. Ich bin für Straftaten wie Vergewaltigungen und sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen zuständig. Wenn man vor den Personen sitzt und sie dann vor dir zusammenbrechen und einfach nicht verstehen, warum ihnen das passiert ist – das ist schon schwierig. Ich bekomme jedes Mal Gänsehaut, weil mich das so mitnimmt. Gerade wenn es um Kinder geht, ist das belastend. Da sitzt ein kleines achtjähriges Mädchen vor dir und erzählt dir das Schlimmste, was man sich vorstellen kann oder besser gesagt, gar nicht vorstellen möchte. Meine männlichen Kollegen sind bei Befragungen genauso empathisch wie wir Kolleginnen. Die größte Herausforderung dabei ist es, im Alltag nicht abzustumpfen. Auch wenn sich die Fälle manchmal ähneln, ist natürlich jeder individuell. Aber man muss sich auch abgrenzen, damit man die Dinge nicht in sich hineinfrisst. So hart das klingen mag, aber das Leid, was eine Person erfahren hat, soll ich nicht mit nach Hause nehmen und so dicht an mich ranlassen, dass ich nicht mehr weiterarbeiten kann. Ich sehe mich bei der Kripo als Ermittlerin aber auch als eine Art „Helferin“. Wir haben bei unseren Ermittlungen vielfältige Möglichkeiten, unter anderem die internationale Zusammenarbeit oder der enge Kontakt zur Staatsanwaltschaft. Eine Festnahme, wie ich sie auch schon auf der Wache erlebt habe, kann schon mit Adrenalin und Anspannung verbunden sein. Man hat dann eine große Verantwortung für die Person, die man festnimmt. Aber darauf werden wir in der Ausbildung gut vorbereitet.


Catharina Hansen (25) arbeitet bei der Autobahnpolizei

Catharina Hansen (25)

Catharina Hansen (25)

Wir legen während einer Schicht schon mal 300 Kilometer zurück. Dabei kommt es manchmal auch zu Verfolgungen. Man muss sehr gut Autofahren können und sich bewusst sein, dass man auch hohe Geschwindigkeiten fährt. Mir gefällt, dass ich mich in meinem Job sehr auf das Gebiet Straßenverkehr spezialisieren kann.

Wenn wir im Zweierteam unterwegs sind, ein Polizist und eine Polizistin, wird meistens zuerst der männliche Kollege angesprochen. Das liegt aber natürlich auch daran, dass Fahrzeuge und Technik eher mit Männern verbunden werden. Ich habe auch das Gefühl, dass Männer den Polizistinnen gegenüber oft eine höhere Hemmschwelle haben, was Gewalt betrifft, und das müssen wir zu unserem Vorteil nutzen. Dieses Kräftemessen ist gegenüber den männlichen Kollegen oft viel höher. Weil die Leute auf der Autobahn sehr auf uns angewiesen sind, sind die meisten aber immer sehr froh und dankbar, wenn wir kommen, sogar die Unfallverursacher.

In unserem Studium wurden wir schon darauf vorbereitet, dass wir Fälle erleben könnten, die uns danach noch begleiten. Ich hatte letztens einen Unfall, bei dem drei Personen verstorben sind und Familienangehörige vor Ort waren. Diese Schreie, ihre Reaktionen – das sind die Dinge, die einen treffen.

Wenn die Leute, die noch leben, von dem Tod erfahren und dann damit umgehen müssen, finde ich das fast schlimmer als den Unfall selbst. In so einer Situation ist es wichtig, menschlich zu bleiben, da gibt es kein Schema.