Touristen strömen nicht nur zu den Weihnachtsmärkten nach Köln: Viele Gäste kommen, um sich Haare transplantieren zu lassen, oder sie reisen mit einem neuen Kniegelenk wieder ab. Für Köln-Tourismus ist das längst ein Thema – und es wird noch wichtiger.
Neue Haare, neue KnieWarum Medizintourismus so wichtig für Köln ist

Ein Ärzteteam operiert im Operationssaal einer Klinik (Symbolbild)
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Für eine Haartransplantation in die Türkei, eine Reise nach Ungarn für den Zahnersatz – Deutsche lassen sich gerne im Ausland behandeln, denn dort locken günstige Preise. Dass umgekehrt etliche Touristen für eine medizinische Behandlung nach Köln kommen, wissen die wenigsten. „Im internationalen Vergleich sind die Preise für medizinische Eingriffe in Deutschland sogar eher niedrig“, sagt Köln-Tourismus-Chef Jürgen Amann. Medizintourismus ist schon lange ein großes Thema für ihn und sein Team und wird vor dem Hintergrund einer neuen Tourismusstrategie noch an Bedeutung gewinnen.
Operationen: Nach Köln für gute Qualität
Die Patientinnen und Patienten kommen vor allem aus Ländern mit weniger gut ausgebautem Gesundheitssystem, sagt Amann. „Manche Leistungen werden nicht oder nur in mangelnder Qualität angeboten.“ Dazu kommen oft lange Wartezeiten auf Untersuchungstermine oder Operationen. „Medizin ist in Deutschland auf einem Spitzenlevel, und wir haben gerade in Köln Ärzte mit einer besonderen Expertise“, sagt Amann. Daraus ergebe sich ein gutes Preis-Leistungsverhältnis. Patientinnen und Patientinnen kommen vor allem aus dem Nahen Osten nach Köln, aber auch aus dem angelsächsischen Raum wie den USA, aus China, und vor dem Krieg auch aus Russland und der Ukraine.
Wie lange sie in Köln bleiben, hängt natürlich von der Art des Eingriffs ab: vier bis fünf Tage für einen Check-up, bis zu mehrere Wochen bei komplexen Operationen oder Chemotherapien. Gefragt seien sämtliche medizinische Fachrichtungen, vor allem künstliche Hüften oder Kniegelenke im Bereich der Endoprothetik; zudem Orthopädie, Pädiatrie oder auch Onkologie. Köln war eine der ersten Städte, die sich im Medizintourismus engagiert haben, seit 2008 wirbt die Stadt mit dem Health Cologne Projekt für eine Behandlung in der Domstadt. Mitbewerber sind unter anderem München, Hamburg und Berlin. Multiplikatoren aus Hotellerie und Medizin werben zusammen mit der Tourismusorganisation auf Roadshows und Messen für Köln als Medizinstandort. Die Patienten kommen dann entweder eigenständig oder über Agenturen aus dem In- und Ausland, welche die Organisation der Aufenthalte übernehmen.
Was der Tourismus in Köln von den Operationen hat
Die ausländischen Patienten sind für Köln ein nicht mehr wegzudenkender Wirtschaftsfaktor. Aber was bringt der Stadt jemand, der sich bettlägerig von einer Operation erholt? Profitieren nicht vor allem die Kliniken und Gesundheitseinrichtungen? „So gut wie jeder ausländische Patient bringt mindestens eine Begleitperson mit“, sagt Amann. Oft fliegt die ganze Familie mit nach Deutschland. Mehr als 200 Euro gibt ein Übernachtungsgast im Schnitt am Tag in Köln aus, in diesem Bereich liegen die Ausgaben aber deutlich höher. Während die Partnerin oder der Partner operiert wird, gehen die Angehörigen shoppen, besichtigen den Dom oder gehen ins Brauhaus Eine Unterkunft finden sie zumeist in „Hotels des gehobenen Segments“, weiß der Tourismus-Chef. Es komme eher selten vor, aber arabische Königsfamilien haben auch schon ganze Etagen für ihre Familie reserviert, während sie sich medizinisch haben durchchecken lassen.
Sozial verträglich sei das Konzept allemal: Betten werden nicht den ansässigen Patienten vorenthalten, alle geplanten Operationen werden zusätzlich durchgeführt, wenn Kapazitäten da seien. Wie viele Medizintouristen Köln tatsächlich besuchen, kann Jürgen Amann nicht in Zahlen sagen. Eine Kölner Statistik darüber gibt es nicht, auch aufgrund strenger Datenschutzrichtlinien in der Medizin. In der hauseigenen Broschüre „Health Cologne“, in denen Partnerfirmen und -kliniken sich vorstellen, heißt es auf englisch, russisch, chinesisch und arabisch: „Jahr für Jahr besuchen tausende Gäste aus dem Ausland Kliniken, Krankenhäuser und Fachärzte in Köln sowohl für stationäre als auch für ambulante Behandlungen.“ Durch die Corona-Pandemie ist die Zahl der Medizintouristen gesunken. Ein Kölner Hotelier berichtet allerdings aus eigener Perspektive, es seien noch nie so viele Medizintouristen in seinem Haus gewesen wie im Juli und August diesen Jahres. „Wir gehen daher auf jeden Fall von einem Wachstum des Marktes aus“, sagt Amann.
Drei Fragen an...
Prof. Dr. Thomas Römer, Chefarzt der Gynäkologie am Klinikum Weyertal
Warum kommen ausländische Patienten gerne zu Ihnen ins Evangelische Klinikum Weyertal?
Wir sind Deutschlands größtes Endometriosezentrum, dort werden mehr als 1000 Operationen im Jahr durchgeführt. Zudem haben wir spezielle OP-Techniken, etwa zur Verkleinerung von Myomen. Vor der Pandemie habe ich ungefähr zwei bis drei ausländische Patientinnen pro Monat behandelt, ich rechne damit, dass es wieder so viele werden. Wobei das finanziell für unser Haus keine wichtige Rolle spielt, Aufschläge bei der Behandlung gibt es nicht.
Woher kommen Ihre Patientinnen hauptsächlich?
Ich habe viele Patientinnen aus Holland und Luxemburg, vor Corona waren es auch viele aus dem arabischen Raum, vor allem aus dem Irak und Kuweit. Fast alle kommen über Kontakte ausländischer Kollegen oder auf Empfehlung ehemaliger Patienten zu uns.
Was haben wir, das es anderswo nicht gibt?
Wir Deutschen vergessen selbst oft, auf welch hohem Niveau unsere Medizin ist. Bei uns in Köln haben schon Kollegen aus aller Welt hospitiert, unter anderem aus Georgien, Kasachstan oder Nigeria. Dabei geht es nicht nur um die Medizin, sondern auch um Strukturen, etwa wie ein Endometriosezentrum aufgebaut ist.
Wie erleben Sie die Patienten aus aller Welt?
Den allermeisten geht es rein um die Medizin. Wir haben zwar ein paar gute Zimmer, aber sie sind ganz anderes gewohnt. Im arabischen Raum gibt es zum Beispiel in Kliniken sehr viel mehr Pflegepersonal. Also was das Drumherum im Krankenhaus betrifft sind die Patientinnen sogar manchmal eher enttäuscht.