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Gesine Schwan in Köln „Stimmungsmache gegen Flüchtlinge bedroht unsere Demokratie“

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Im Grundsatz einig: Gesine Schwan und Pfarrer Hans Mörtter

Im Grundsatz einig: Gesine Schwan und Pfarrer Hans Mörtter

Nach dem Impulsvortrag von Gesine Schwan gab es ein Gespräch mit Ex-Pfarrer Hans Mörtter, der erst neulich seine OB-Kandidatur verkündete.

Die frühere Kandidatin fürs Bundespräsidentenamt, die Präsidentin der Denkfabrik „Berlin Governance Platform“, Gesine Schwan, hat in der Lutherkirche ihren Gegenentwurf zur offiziellen Migrationspolitik vorgestellt: „Die Stimmungsmache gegen Flüchtlinge in Deutschland bedroht unsere Demokratie und stärkt die AfD“, zeigte sich die Vorsitzende der SPD-Grundwertekommission überzeugt. „Abschottung schadet der Demokratie. Sie ist eine Scheinlösung.“

Die Angst der anderen Parteien, Wähler an die AfD zu verlieren, führe dazu, dass das Thema Migration in moralisch verwerflicher Weise dramatisiert werde. Diese kalkulierte Hysterie ergebe sich aus der Machtkonkurrenz der Parteien. Hier werde in unverantwortlicher Weise ständig Öl ins Feuer gegossen. „Diese Regierung hat mich enttäuscht, da sie nur reagiert und nicht gestaltet. Auch von Innenministerin Nancy Faeser hätte ich mehr erwartet. Sie laviert sich nur durch.“ Durch die falsche Migrationspolitik würden auch die Interessen der Deutschen und Europäer verraten. „Es geht nur noch darum, uns abzuschotten. Damit handeln wir nicht nur unmoralisch, sondern auch gegen unsere Interessen.“

Strategie des Ausgleichs

Es brauche jetzt dringend eine Strategie, die auf einen Ausgleich von Interessen Einheimischer und Geflüchteter beruhe. Nach dem Impulsvortrag schlug Schwan im Gespräch mit Ex-Pfarrer Hans Mörtter vor, die Entscheidungen in der Flüchtlingspolitik zu dezentralisieren und die Kommunen stärker einzubeziehen. Voraussetzung dafür sei ein europäischer Fonds für kommunale Integration und Entwicklung. Diese würde allen europäischen Kommunen, die Flüchtlinge aufnehmen möchten, Mittel bereitstellen. Die Entscheidung, ob und wie viele Geflüchtete aufgenommen werden, solle bei den Kommunen liegen. „Ich plädiere dafür, kommunale Entwicklungsbeiräte einzurichten. In diesen Beiräten sollen Stadtverordnete, Bürgermeister, Zivilgesellschaft und Wirtschaft die Lage besprechen und Entscheidungen vorbereiten. Solche Beiräte arbeiten in einigen Kommunen bereits mit großem Erfolg. Wen man den Kommunen Anreize zur Freiwilligkeit gibt anstatt sie mit Zwang ans Limit zu bringen, öffnen sich viele Türen.“

Zudem plädierte die Politikwissenschaftlerin für ein digitales Matching-System, das die Bedürfnisse von ankommenden Geflüchteten mit denen der Einheimischen abgleicht. „Werde rasch Entwicklungsräte einberufen“ Hans Mörtter hatte zuletzt aufhorchen lassen, weil er eine mögliche OB-Kandidatur ankündigte. Von Schwans Konzept zeigte er sich sehr angetan: „Wenn ich nächstes Jahr zum Oberbürgermeister gewählt werden sollte, werde ich rasch zur Einrichtung von solchen Entwicklungsbeiräten aufrufen. Köln braucht einen neuen Aufbruch.“ Der evangelische Kultpfarrer im Ruhestand und bekennende Karnevalist hatte in seiner Rede anlässlich der Nubbelverbrennung sein Interesse an der Reker-Nachfolge bekundet. Der Rundschau sagte er tags darauf zu einer OB-Kandidatur: „Ja, ich kann mir das vorstellen.“ Und er zeigte sich gewohnt selbstbewusst: „Wenn ich das mache, weiß ich, dass ich gewinne.“