AboAbonnieren

Neue Flohmarkt-Idee in der SüdstadtGründerinnen vermieten Kleiderstangen für Secondhand-Mode

Lesezeit 4 Minuten
Zwei junge Frauen stehen vor einer Kleiderstange mit Oberteilen und einem Regal mit Schmuck.

Lara Müller (links) und Bianca Hauschildt verkaufen im alten Pfandhaus in der Südstadt gebrauchte Kleidung.

Wohin mit aussortierter Kleidung? Zwei Kölnerinnen vermieten einzelne Kleiderstangen für Secondhand-Mode. So funktioniert ihre Idee.

„Das Interesse an gebrauchten Klamotten wächst, ich kenne inzwischen Leute, die beim Shoppen einen Bummel nur durch Secondhand-Läden machen. Sie gehen gezielt durch die Südstadt und stöbern bei Humana, Oxfam oder bei uns“, berichtet Lara Müller, die vor fünf Monaten gemeinsam mit Bianca Hauschildt, einen etwas anderen Secondhand-Laden eröffnet hat.

In den Gemäuern des früheren Pfandlagers am Kartäuserwall 18 vermieten die beiden jungen Frauen die 120 Meter langen Stangen. Die Miete für zwei Wochen beträgt 60 Euro, eine Verlängerung ist gegen eine erneute Miete jederzeit möglich. Was auf die Kleiderstange kommt und wie teuer das einzelne Kleidungsstück sein soll, das entscheidet der Mieter. Er muss seine Ware mit Preisetiketten versehen und auch sein Namenskürzel darauf schreiben. Nach spätestens zwei Wochen wird abgerechnet. Die Kürzel sind im Kassensystem integriert, damit das eingenommene Geld direkt auf das persönliche Konto des Mieters verbucht werden kann.

„Wir haben keine Prokura zu rabattieren, soll heißen, handeln kann man nicht, das wäre für uns auch viel zu aufwändig. Egal wie hoch am Ende der Erlös einer Kleiderstange ist, ob 300 Euro oder nur 20 Euro, das Geld gehört dem Einlieferer. Wir sind nicht am Umsatz beteiligt. Die 60 Euro Mietpreis sind unser Verdienst, dafür stellen wir den Verkaufsraum und unserer Arbeitskraft zur Verfügung“, sagt die 29-jährige Bianca Hauschildt, die nach dem Abitur eine Lehre als Kauffrau für Büromanagement machte.

Wenn die Sachen in der gemieteten Zeitspanne nicht verkauft wurden, dann kann der Eigentümer sie abholen oder die beiden Gründerinnen kümmern sich um das weitere Upcycling. Die Ware wird dann, da es an Lagerraum mangelt, kostenlos an Bedürftige in der Südstadt weitergegeben.

Gründerin Müller wünschte sich echte Begegnungen mit Kunden im Geschäft

Lara Müller hat ursprünglich an der TH in Köln Englisch und Spanisch studiert und wollte Übersetzerin werden. Doch trotz Examen hat sie sich für die Gründung eines Start-ups entschieden. Die Idee mit der Kleiderstange ist schon ihre zweite Gründung. Während der Pandemie hat die heute 27-Jährige das Hobby angefangen, Jutebeutel und Täschchen zu besticken, zu behäkeln und online unter dem Label „KALA Stitches“ zu verkaufen.

„Ich wollte aber mehr, als ständig meine Taschen zu fotografieren und diese online zuzustellen. Ich wünschte mir eine echte Begegnung mit meinen Kundinnen. Da ich mir die Miete für ein Ladenlokal nicht leisten konnte, habe ich beschlossen, an andere Kreativen unterzuvermieten.“

Kölnerinnen verkaufen gemeinsam Handgemachtes aus der Stadt

Entstanden ist Das Wachsende Loft, ein Concept-Store, in dem Kölner und Kölnerinnen ihre selbstproduzierten Produkte ausstellen und verkaufen können. Am Ubierring gibt es den Laden, in dem inzwischen 35 Untermieter ihre Labels präsentieren. Das Angebot der Produkte „Made in Cologne“ reicht von bunten Kerzen und Seifen über individuellen Schmuck bis hin zu bestickten Socken, fairen Yogaklamotten, feiner Papeterie und vielen anderen Dingen.

Zwei Monate oder länger können die Herstellerinnen und Hersteller ihr Sortiment gegen eine Miete, die sich nach der Flächengröße orientiert, bei Lara und Bianca ausstellen. Ab und an werden auch Do-it-Yourself-Workshops angeboten.

„Wir haben inzwischen zwei Läden, einen mit den Kölner Labels und den anderen mit den Kleiderstangen. Wir haben uns damit selbständig gemacht, haben aber jeweils kleine Nebenjobs, denn noch können wir nicht ausschließlich davon leben. Aber wir hoffen, dass unser Start-up bald auch gute Gewinne abwirft, denn an dem Projekt hängt viel Herzblut“, betonen die beiden Geschäftsführerinnen einstimmig.

Die Chancen, dass die beiden Gründerinnen aus der Südstadt mit ihrer Geschäftsidee bald Geld verdienen, scheinen gut zu stehen, schaut man sich den Trend an, auch mit Kleidung nachhaltig umzugehen, Blusen, Hosen und Kleider nicht wegzuwerfen, sondern die Sachen in den Kleiderkreislauf zurückzubringen. Aktuell haben sie zwölf Kleiderstangen im Einsatz, sie seien meistens ausgebucht.


Secondhand ist angesagt, Export von Altkleidern trotzdem hoch

Jeder Deutsche kauft jährlich im Durchschnitt 60 neue Kleidungsstücke, wovon jedes fünfte so gut wie nie getragen wird. So landen alleine in deutschen Privathaushalten jährlich 1,3 Millionen Tonnen Kleidung im Müll.

462.500 Tonnen Altkleider und gebrauchte Textilien meldet das Statistische Bundesamt für 2022, die aus Deutschland exportiert wurden. Das sind 5,5 Kilo pro Einwohner. Rund ein Drittel der Exporte gebrauchter Textilwaren aus Deutschland ging in die beiden Nachbarstaaten Polen (16,9 %) und die Niederlande (15,2 %). Weitere wichtige Abnehmer waren Belgien (5,9 %), die Vereinigten Arabischen Emirate (5,8 %) und die Türkei (5,3 %).

Das Volumen des Secondhand-Modemarktes in Deutschland lag im Jahr 2022 bei rund 3,5 Milliarden Euro. Das schätzen Experten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC. Sie prognostizieren, dass diese Summe bis 2025 auf fünf bis sechs Milliarden Euro ansteigt. Verschiedene Studien ergaben, dass mehr als die Hälfte der Deutschen regelmäßig gebrauchte Mode kauft.