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Erstaufnahme Agnesviertel
Einrichtung für Geflüchtete an der Riehler Straße startet 2026

Lesezeit 5 Minuten
Der frühere Sitz der Oberfinanzdirektion an der Riehler Straße

Der frühere Sitz der Oberfinanzdirektion an der Riehler Straße

Das Land NRW will zu Beginn des Jahres 2026 die neue Erstaufnahmeeinrichtung im Kölner Agnesviertel und Kunibertsviertel in Betrieb nehmen. Das löst bei Anwohnenden auch Ängste und Sorgen aus.

Was passiert in einem Veedel, wenn dort eine Einrichtung entstehen soll, die Geflüchtete aufnimmt? Im Januar 2026 soll die „Erstaufnahmeeinrichtung (EAE) Agnesviertel“ des Landes Nordrhein-Westfalen im früheren Sitz der Oberfinanzdirektion an der Riehler Straße in Betrieb gehen. Wie die Rundschau erfuhr, steht das Vergabeverfahren für die Generalplanungsleistung kurz vor dem Abschluss. Den Zuschlag will das Land Anfang Mai erteilen. Dass mit dem Vorhaben auch Ängste und Sorgen verbunden sind, zeigt eine Petition von Anwohnenden auf, die gegen den Betrieb dieser EAE sind, die Rundschau berichtete. Doch woran liegt das? Und sind diese Sorgen und Ängste begründet?

Mitten im Veedel

Welche Veränderungen kommen mit der Inbetriebnahme auf das Veedel zu? Diese Frage stellen sich wahrscheinlich viele der Anwohner. Etwas mehr als 200 müssen sich diese Fragen öfter gestellt haben, da sie die Petition unterzeichnet haben, die Rechtsanwalt Karl-Heinz Kappes und Gastronom Franz Gruber initiiert haben. In dieser Petition, die der Rundschau vorliegt, wenden sich die Anwohnenden an den Landtag NRW. Mit dem Forderung, dass die Landesregierung die Pläne fallen lässt und einen anderen Nutzen für das Gebäude findet.

Kritik und Vorwürfe

Ihre Kritik: Das Bürogebäude sei nicht für eine Umnutzung geeignet, die geplante Nutzung missachte die Interessen der dort wohnenden und arbeitenden Bürger und der Kostenaufwand für einen Umbau sei zu groß. Die Initiatoren betonen dabei, dass die „weder gegen die Aufnahme von Flüchtlingen noch von rechtsextremen Gedankengut sind“. Kritik und Vorwürfe von Fremdenfeindlichkeit habe es bereits gegeben, bestätigte Kappes gegenüber der Rundschau. Zwischen den Zeilen in der Erklärung der Petition ist heraus zu lesen, dass sich die Anwohnenden um Veränderungen in ihrem Veedel sorgen. Also suchen sie nach Gründen, warum die EAE nicht mitten in das Agnes- und Kunibertsviertel passt.

Die Kehrseite der Medaille

Auf der anderen Seite stehen das Land NRW und die Bezirksregierung Köln, die den Bedarf an Unterbringungskapazitäten schaffen muss, um Schutzsuchende aufzunehmen. Aktuell stehen 34 000 Plätze in NRW bereit. Der Bedarf steigt allerdings. „Angesichts der global-politischen Entwicklungen ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht mit einer wesentlichen Verringerung der Zahl Schutzsuchenden zu rechnen“, teilt die Landesregierung auf Anfrage der Rundschau mit. Sie sei sich der schwierigen Lage und hohen Belastung in vielen Kommunen bewusst und plane, die Zahl bis Ende des Jahres 2024 sogar auf 41 000 Plätze zu erhöhen.

Potenzielle Standorte

Einer der Kritikpunkte der Anwohnenden, die sich gegen die Einrichtung einer EAE Agnesviertel wehren, ist die fehlende Prüfung von alternativen Standorten. Die Antwort: „Die Bezirksregierung Köln prüft (...) kontinuierlich eine Vielzahl von Grundstücken, die ihr für die Unterbringung von Geflüchteten angeboten werden.“

Ein potenzieller Standort muss jedoch verschiedene Voraussetzungen erfüllen: Neben einer Kapazität von mindestens 500 Schutzsuchenden muss auch eine gute Anbindung an den öffentlichen Personenverkehr bestehen. Außerdem muss eine lange Nutzungsdauer, aber auch eine zeitnahe Realisierbarkeit möglich sein. „Diese Voraussetzungen treffen grundsätzlich nur für wenige Standorte zu und sind für den Standort der EAE Agnesviertel gegeben“, erklärt die Bezirksregierung, die für die Standortsuche zuständig ist. Die EAE an der Riehler Straße soll zehn Jahre lang Platz für 500 Geflüchtete bieten.

Zu den Kosten für den Umbau und die Herrichtung des seit mehr als zwei Jahren leerstehenden Gebäudes schweigt die Landesregierung und verweist auf das laufende Vergabeverfahren.

Kurzaufenthalt

Geflüchtete sollen maximal drei Monate in einer Erstaufnahmeeinrichtung bleiben. Immer wieder ist zu hören, dass das angesichts knapper Plätze und hoher Flüchtlingszahlen nicht immer klappt. Jedoch ist eine Erstaufnahmeeinrichtung stets als Durchgangsstation zu sehen, nicht als langfristige Bleibe.

Mitten im Wohngebiet

Die Anwohnenden kritisieren in ihrer Petition auch, dass es ihrer Recherche nach „nicht eine Stadt in NRW gibt, in der eine EAE mitten in ein dicht besiedeltes Wohnviertel gesetzt wurde“. Ein Beispiel aus Bonn widerlegt diese Annahme: In der ehemaligen Ermekeilkaserne, die sich in der beliebten Bonner Südstadt befindet, gibt es bereits seit 2016 eine Erstaufnahmeeinrichtung mit mittlerweile bis zu 800 Plätzen. Drumherum sind zahlreiche Einfamilienhäuser, feine Gastronomien, Schulen und mehr – ein sehr intaktes Veedel, genauso wie an der Riehler Straße in Köln. Und Bonn steht Köln in der Bevölkerungsdichte nur wenig nach. Zum Stichtag 31. Dezember 2022 lebten in Köln 2778,5 Einwohner je Quadratkilometer. Damit belegt Köln in dem Ranking Platz fünf in NRW, nur drei Plätze dahinter rangiert Bonn mit 2385,2 Bewohnern je Quadratkilometer.

EAE Bayenthal

In Bayenthal in der Nähe der Alteburger Straße betreibt das Land bereits eine Aufnahmeeinrichtung für Geflüchtete. Der Stadtteil Bayenthal hatte zum Stichtag 31. Dezember 2022 eine Bevölkerungsdichte von 8732 Einwohnern je Quadratkilometer. Neustadt-Nord, wozu Agnesviertel und Kunibertsviertel gehören, 8194. Die Bevölkerung ist nur in Altstadt-Süd (11 760) und Neustadt-Süd (13 173) noch dichter.

Keine Probleme

Die Landesregierung erklärt auf Anfrage: „Eine besondere Problematik mit Gewaltdelikten ist in der EAE Bonn nicht bekannt.“ Die Rundschau fragte bei Anwohnenden nach. Einer davon ist Lars Schall, der jahrelang in direkter Nachbarschaft zur EAE gewohnt hat. Der 27-Jährige, der derzeit in Bonn in Physik promoviert, erklärt: „Ich habe nie etwas Auffälliges mitbekommen. Morgens waren die Schüler vom Gymnasium gegenüber laut, abends waren es die Studenten. Durch die Einrichtung war ich nie beeinträchtigt.“

Gegenwehr

Die Petition gegen eine Aufnahmeeinrichtung ist deutschlandweit eine von vielen kritischen Stimmen, die aufkommen, sobald Pläne an die Öffentlichkeit gelangen. „Die Errichtung und Inbetriebnahme einer Landesunterkunft ist Bestandteil der öffentlichen Diskussion, in der auch kritische Stimmen und Bedenken geäußert werden“, erklärt die Landesregierung. Dabei kann die Angst vor Veränderung eine Rolle spielen, in manchen Fällen auch Existenzängste.