Der Mieterverein spricht angesichts der Wohnungssituation in Köln von einer „komplett wahnsinnigen Situation“.
Kölner MietervereinLage auf dem Wohnungsmarkt in Köln ist „dramatisch“
„Selbst wenn der Wohnungsbau wie jetzt angekündigt ganz nach oben auf die Prioritätenliste der Stadtspitze kommen sollte, es käme zehn Jahre zu spät.“ Franz-Xaver Corneth, Vorsitzender des Kölner Mietervereins, ist um eine klare Sprache selten verlegen. „Die Versäumnisse der letzten Jahre fallen uns jetzt auf die Füße.“ In Zeiten niedriger Zinsen und guter Baukonditionen sei nichts passiert. Nun endlich habe man das Problem erkannt - in Zeiten hoher Zinsen, Fachkräftemangels und Baustoffknappheit.
Die Lage sei dramatisch, betont Corneth. Denn selbst wenn gebaut werde, es sei zu teuer. „Wir bewegen uns im Moment bei rund 6000 Euro für den Quadratmeter inklusive Grundstück. Für den geförderten Wohnungsbau wären aber 2000 bis 2500 Euro notwendig, damit sich das rechnet.“ Dabei nahm er nicht nur Politik und Verwaltung ins Gebet, auch die Bauwirtschaft selbst habe sich viel zu lange um Innovationen gedrückt. „Wir bauen, wie wir halt schon immer gebaut haben,“ sagt Corneth. Es gebe längst marktreife, nachhaltige und vor allem günstigere Alternativen etwa für Beton oder Dämmstoffe.
35 Prozent des Einkommens für die Miete
Rund 35 Prozent des verfügbaren Einkommens werde mittlerweile für die Miete ausgegeben. „Wir reden hier über den Durchschnitt. Bei Menschen mit weniger Geld ist das schnell mal mehr als die Hälfte des Einkommens.“ Eine „vollkommen wahnsinnige Situation“ sei das. Zumal im nächsten Jahr noch einmal rund drei Prozent aller geförderten Wohnungen aus der Bindung herausfielen. „Dann liegen wir noch bei 3,6 Prozent geförderten Wohnraums in Köln. Bei 47 Prozent aller Kölnerinnen und Kölner, die Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein haben.“ Zurzeit hat Köln rund 540.000 Wohnungen im Bestand.
Dass angesichts solcher Entwicklungen der Regionalplan viel zu wenige Flächen zur Bebauung vorsehe, kann Geschäftsführer Hans Jörg Depel nicht nachvollziehen. Der Regionalplan wird in diesem Jahr von der Bezirksregierung neu erstellt und legt fest, welche Flächen bis 2046 bebaut werden könnten. Die Stadt macht hierzu entsprechende Eingaben. „Da von der Politik offensichtlich keine Flächenerweiterungen gewünscht sind, müsste man wenigstens in die Höhe bauen.“ Aber auch hier sei keine Bewegung erkennbar. Mittel wie Nachverdichtungen, das Aufstocken einzelner Gebäude oder Überbauung etwa von Supermärkten seien „bestenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein“, so Depel.
2025 nur noch 3,6 Prozent geförderter Wohnraum
Nachdrücklich spricht sich der Mieterverein für eine Ausweitung der Milieuschutzsatzungen aus. Sie sollen die Verdrängung bestehender Strukturen einbremsen und schränken die Rechte von Eigentümern ein. So sind Sanierungen, die eine Aufwertung der Immobilie beabsichtigen, Eigenbedarfskündigungen oder die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen nur mit Genehmigungen möglich. Andere Großstädte wendeten dieses Mittel im deutlich zweistelligen Bereich an. „In Köln haben wir vier, und auch davon kamen mindestens drei viel zu spät,“ so Depel.
Eine gesunde soziale Mischung sei in vielen Stadtteilen bereits Geschichte, der Verdrängungsprozess führe zu einer zunehmenden Ghettoisierung. In beide Richtungen, wie Corneth erklärt: Wo nur gut situierte Menschen wohnten, sei das soziale Miteinander ebenso in Gefahr. Eines der schlimmsten Ghettos in Köln sei der Hahnwald.
Kaum Wohnraum für Ältere
Ein ganz großes Thema sei ebenfalls offensichtlich nicht in der Politik angekommen: bezahlbarer Wohnraum für ältere Menschen. Viele von ihnen würden sich gerne verkleinern, fänden aber nichts. Und wenn, dann zu überzogenen Preisen. Der Effekt: Sie bleiben in ihren viel zu großen Wohnungen, fühlen sich darin oftmals verloren und überfordert. Und für Familien sei auf der anderen Seite nur schwer etwas zu finden.
Die Kündigungen wegen Eigenbedarfs seien weiter angestiegen, bestätigen Corneth und Depel. Doch grundsätzlich wollen sie die Eigentümer deshalb nicht in die böse Ecke stellen: Zwar gebe es immer wieder zweifelhafte Fälle bis hin zum offenen Missbrauch. Aber die angespannte Lage in der Stadt führe dazu, dass viele Menschen den Wohnraum tatsächlich auch für sich brauchten, wo sie früher vielleicht gemietet hätten: Für die Kinder, bei Trennungen, im Alter oder bei Krankheitsfällen.
„Eigentlich sind wir mal angetreten, um uns überflüssig zu machen. Heute sind wir leider wichtiger als je zuvor“, schließt Corneth seine Ausführungen. Hoffnung auf Besserung schimmert nur begrenzt durch: Die meisten Problem seien zwar erkannt worden. Aber eben viel zu spät.