Anstatt konventionell nach Genres sind die Bücher nach Lesemotiven sortiert. Zeit sollte man als Kunde mitbringen, denn hier gibt es viel zu Stöbern.
Manulit in KölnDiese Kölner Buchhandlung hat ein einzigartiges Konzept
Über sich selbst spricht Buchhandlungsgründer Urs Erdle nicht so gerne. Viel lieber erzählt er von seinem wahr gewordenen Traum – Manulit. Eine Buchhandlung mit einzigartigem Konzept. Aber weil es unter Bibliophilen einer Sünde gleichkäme, der Geschichte vorzugreifen, beginnt die von Manulit am Anfang — mit Erdle. Denn für und durch seine Buchhandlung hat er sein Leben mit 57 Jahren noch einmal gänzlich geändert.
Bestimmend für diese Entscheidung waren die letzten Lebenswochen seines Vaters. „Mein Vater hatte ein tolles Leben und viele Freunde, aber kurz vor seinem Tod hat er mit allem gehadert“, erzählt Erdle. „Letztlich hat er seinen Frieden gefunden, aber dieser Satz: ,Hätte ich doch, hätte ich doch' hat mich nicht losgelassen.“ Er beschließt, dass er dem „hätte“ keinen Platz in seinem Leben mehr einräumen möchte und das tun will, was ihm wirkliche Freude bereitet.
„Manulit“ als Neuschöpfung zwischen Manufaktur und Literatur
Und das ist nicht das Verlagswesen, in dem er Jahrzehnte gearbeitet hat. „Das Wichtige im Leben waren für mich immer die Bücher, deshalb entwickelte ich das Konzept von Manulit“, führt er aus.
Beginnend mit dem Namen. Manulit ist eine Wortneuschöpfung aus den Begriffen Manufaktur und Literatur. „Das gekippte A im Logo steht für das, was mir bei Büchern am wichtigsten ist“, so Erdle. „Der verändernde Moment in der Lektüre, der den Leser oder die Welt verändert.“ Um diesen Moment hat er das Konzept des Ladens aufgebaut.
Anstatt konventionell nach Genres sind die Bücher nach Lesemotiven sortiert. Denn, so Erdle: „Jeder hat unterbewusst oder bewusst gewisse Lesemotive, mit denen er eine Buchhandlung betritt.“ Bei den Motiven hat er sich an Marktforschungs-Ergebnissen des orientiert. Die Studie beschäftigte sich mit der Frage, warum Menschen Bücher lesen. Daraus wurden 13 Lesemotive zusammengefasst. Diese manifestieren sich auch in Erdles Buchhandlung.
So heißen die Abteilungen bei Manulit nicht Fantasy oder Thriller, sondern beispielsweise „Neue Horizonte“, „Unterwegs“, „Andere Welten“ oder „Besser leben“. „Manulit ist die erste Buchhandlung, die Lesemotive so radikal umsetzt“, betont Erdle. „Darüber hinaus bieten wir ganz andere Titel an als große Ketten.“
Ein Erlebnis, das online nicht bieten kann
Mit Manulit will er einen inspirierenden Raum schaffen, der ein anderes Erlebnis bietet, als es ein Onlinekauf könnte. Es soll ein Ort der Begegnung sein. Nicht nur von Mensch zu Mensch, sondern vor allem von Literatur zu Menschen, denn jedes Buch wird mit dem Cover präsentiert und nicht, wie oft mit dem Buchrücken. Der letzte Punkt, der Manulit besonders macht, ist das Glück des Entdeckens, setzt Erdle fort. „Wenn man eine Ecke gefunden hat, die einen anspricht, dann sieht man zuerst Bücher, die einem direkt gefallen. Dann tastet man sich vor und schaut, was nebenan steht, bis man auf einmal mittendrin ist und im Laden abtauchen kann.“
Aber das „Nicht suchen, sondern finden“ braucht laut Erdle besonders eines, nämlich Zeit. Deshalb gibt es eine Kaffee-Bar in der Buchhandlung sowie gemütliche Sessel in jeder freien Ecke. Farbenfrohe Bilder, warmes Licht, der lebensfrohe Gründer und sein Team tragen zur lauschigen Atmosphäre bei.
Man sieht Erdle an, dass er zufrieden mit seiner Lebensentscheidung ist. „Viele würden es wahnsinnig finden, in den jetzigen Zeiten eine Buchhandlung zu eröffnen. Und das ohne Kompagnon oder Teilhaber“, erzählt er. „Aber auch wenn es manchmal schwer ist, stehe ich zu 100 Prozent dahinter.“
Alle paar Wochen eine neue Themenwelt
Und er sprudelt nur so vor Ideen. Alle drei bis vier Wochen gibt es eine neue Themenwelt mit handverlesenen Buchempfehlungen, einen Lesekreis, viele Lesungen und er plant weitere Veranstaltungsformate. „Trotz der Arbeit, die Manulit mit sich bringt, geht es am Ende darum, eine gute Zeit zu haben“, betont Erdle. Und die hat sowohl er als auch seine Kundschaft. Nur einen Wunsch für die Zukunft hat er noch. „Es wäre schön, wenn uns mehr Menschen entdecken und ich ganz viele hier in der Buchhandlung und zu unseren Veranstaltungen begrüßen könnte.“ Mit einem Lächeln fügt er hinzu: „Wer einmal hier gewesen ist, der kommt auch wieder.“
Und so hat Erdle sich mit Manulit vielleicht seine eigene, kleine unendliche Geschichte geschaffen. Denn jedes gute Buch erreicht einmal die letzte Seite, und dann brauchen Lesehungrige Nachschub.
Manulit, Limburger Str. 37, Mo – Do 10 – 19 Uhr, Fr bis 20 Uhr, Sa bis 18 Uhr.