Laue Sommernacht und Wochenende in der Kölner Innenstadt - so sind Ordnungsamt und Feiernde unterwegs.
Lärmstreit in KölnSo läuft es jetzt nachts am Brüsseler Platz
Brüsseler Platz, freitagabends um halb zehn. Der Platz vor dem Kircheingang ist erfüllt von der charakteristischen Geräuschkulisse vieler Gespräche: Die umliegenden Lokale sind noch voll belegt, mehrere hundert junge bis sehr junge Menschen sitzen in Grüppchen auf den Mauern der Beete, auf den Stufen zu den Eingängen der Kirche oder im Schneidersitz auf dem Boden, genießen gemeinsam die laue Sommernacht. Sie reden, lachen und stoßen mit Kölsch an – keine der Gruppen ist besonders laut, aber alle zusammen erzeugen sie ein konstantes Rauschen.
Evelyn und Florian schlendern durch die Menschenmenge und drehen ihre Runde: Ihre Aufmachung in dunkler Uniform und der Aufdruck im knallgelben Feld auf dem Rücken weisen sie unmissverständlich als Mitarbeiter des Ordnungsamts aus. Sie sind Teil der Dienstgruppe 11, das Belgische Viertel, der Hohenzollernring, das Zülpicher Viertel sowie der Aachener Weiher gehören zu ihrem Bezirk, den sie regelmäßig begehen.
Zur Ausrüstung gehören seit kurzem auch Bodycams
„Erstmal sind wir einfach präsent und versuchen dadurch, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten“, sagt Evelyn. Auf der Lautstärke liegt dabei ihr besonderes Augenmerk. Die Lärmbelästigung der Anwohner ist seit Jahren ein Riesenproblem und beschäftigt die Gerichte
„Problematisch wird es vor allem durch mobile Musikboxen“, sagt Florian. So wie die eines jungen Mannes mit Pferdeschwanz, der mit seinen Freunden auf den Stufen zu St. Michael sitzt: Evelyn spricht ihn auf die Lautstärke an, er nickt und schaltet das Gerät ohne Protest ab. „Diese Musikboxen sind zwar sehr verbreitet, aber eigentlich ist der Gebrauch im Kölner Stadtgebiet nicht gestattet“, sagt sie, „unabhängig von Ort oder Uhrzeit.“
Beide sind erfahrene Mitarbeiter im Außendienst des Ordnungsamts: Florian ist seit vier Jahren, Evelyn seit viereinhalb Jahren dabei. „Man weiß nie, was so kommt an so einem Abend“, meint Florian, „aber irgendwas ist schon immer“.
Keine Zigaretten auf dem Spielplatz
Ein Problem ist etwa der Spielplatz auf der Südseite im Schatten der Kirchenmauer. Sie gehen auf zwei Frauen mittleren Alters zu, die auf einer Bank sitzen, ein Beutel Tabak zwischen sich. „Auf einem Spielplatz ist der Konsum von Alkohol oder Tabak nicht gestattet“, so Evelyn, „Da müssen wir die Leute hier regelmäßig drauf hinweisen“. Auch diese Angesprochenen zeigen sich verständig und räumen das Feld.
Es sind nicht die Uniformen allein, die die beiden zu eindrucksvollen Erscheinungen machen: Beim Funkgerät an der Schulter angefangen, sind sie mit allerlei Gerätschaften ausgerüstet, darunter auch Pfefferspray und einem Teleskop-Abwehrstock. „Die sind aber wirklich nur zur Abwehr gedacht, als letzte Linie, wenn wirklich nichts anderes mehr geht“, versichert Florian. „Im Gegensatz zur Polizei dürfen wir den Stock nicht aktiv einsetzen.“ Insgesamt schleppen sie etwa sieben bis acht Kilo Ausrüstung mit sich herum. „Da gewöhnt man sich aber dran“, sagt Evelyn.
Zu ihrer Ausstattung gehört seit kurzem auch eine Bodycam, deren Gebrauch zurzeit erprobt wird. Sie kommt nur in Situationen zum Einsatz, in denen tatsächlich offizielle Maßnahmen durchgeführt werden. „Das kündigen wir dann auch entsprechend an, damit derjenige es mitbekommt, das ist ganz wichtig“, sagt sie. Die Reaktionen fallen dabei ganz unterschiedlich aus. „Viele finden es super und sehen, dass das vor allem aus Sicherheitsgründen geschieht, aber natürlich sind auch viele Bürger gar nicht begeistert und fragen, ob wir sie überhaupt filmen dürfen. Wir haben aber schon gesehen, dass es sehr zur Deeskalation beitragen kann“, so Evelyn.
Was Außendienstler des Ordnungsamtes entgegen landläufiger Meinung tatsächlich dürfen: die Personalien kontrollieren und sogar Durchsuchungen nach Ausweisdokumenten durchführen. „Da schlägt das Ordnungsbehördengesetz von NRW eine Brücke zum Polizeigesetz“, erklärt Florian, „Das ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich.“
Nützlich wird ihnen diese Befugnis bei zwei augenscheinlich noch sehr jungen Frauen, die rauchend mit einer Flasche Wein in einem Nebeneingang der Kirche sitzen und bei Evelyn und Florian den Verdacht erwecken, noch minderjährig zu sein. Zumindest bei einer der beiden bewahrheitet dieser sich: Evelyn begleitet sie zum nächsten Mülleimer, wo sie ihren Tabaksbeutel ausleeren muss.
Jugendschutz ist eben auch ein Thema – früher vor allem in Bezug auf Cannabis, dessen typischer Geruch an diesem Abend allgegenwärtig ist. Die beiden bleiben aber entspannt. „Der Konsum ist sowieso erlaubt, wegen einem Joint leiten wir keine Maßnahme ein“, sagt Florian. Gänzlich außer Acht lassen können sie das Thema trotz der Legalisierung nicht, „wegen der Abstands- und Bußgeldregelungen“, so Florian, „es ist in der Praxis aber ziemlich schwierig, das zweifelsfrei nachzuweisen – wenn drei mit einem Joint auf dem Spielplatz sitzen, wer von denen hat dann wirklich dran gezogen?“
Hotspot für Wildpinkler in der Jülicher Straße
Die beiden machen einen Abstecher zur Jülicher Straße – die Mauer zum Bahndamm an deren Ende hat sich zu einem Hotspot für Wildpinkler entwickelt. „Trotz des öffentlichen Urinals direkt auf dem Platz“, meint Evelyn und verdreht leicht die Augen. „Das ist natürlich besonders ärgerlich für die Anwohner.“ Heute erwischen sie niemanden, dafür stoßen sie auf eine weitere Gruppe junger Männer, die auf einer Bank sitzen und Musik hören. Auch die werden freundlich auf das Verbot hingewiesen und trotz eines kurzen Moments der Aufsässigkeit leisten auch sie der Aufforderung Folge.
Der Ton macht eben die Musik. „Wir können ja niemanden vorverurteilen“, sagt Evelyn, „Wir sprechen die Leute einfach in ganz normalen Tonfall an und behandeln alle gleich, das macht schon viel aus.“
Die Feiernden auf dem Platz scheinen die freundliche Akzeptanz zu erwidern. „Die sehen schon etwas martialisch aus“, sagt eine Jura-Studentin, die mit ihren Freundinnen auf dem Pflaster sitzt, „aber eigentlich bin ich gar nicht so unfroh, dass man sie hier sieht, das gibt einem schon Sicherheit.“ Einer ihrer männlichen Begleiter ist selbst schon mal wegen seiner Musikbox zur Ordnung gerufen worden. „Jetzt schalt ich sie halt ab, wenn sie kommen – und mach sie wieder an, wenn sie weg sind“, feixt er.
Trotz solcher Reaktionen machen die beiden ihren Job gerne. „Es ist einfach die Vielseitigkeit“, sagt Florian. „Man weiß nie, was kommt – und besonders schön ist es, wenn man helfen kann, etwa wenn wir einem Obdachlosen, der sich selbst nicht mehr helfen kann, eine Unterkunft verschaffen können.“
Der Lärmstreit am Brüsseler Platz
Im September 2023 gab das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster den klagenden Anwohnern Recht: Die nächtliche Lärmbelästigung am Brüsseler Platz sei so groß, dass sie die Gesundheit der hier lebenden Menschen gefährde. Da das OVG keine Revision zuließ, legte die Stadt Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ein. Die Entscheidung steht aus.
Das OVG hatte ein nächtliches Alkoholkonsumverbot und Verweilverbot vorgeschlagen, sogar eine Einzäunung des Platzes. Das lehnte die Stadt ab. Sie kündigte nach dem Urteil an, „die bewährten Maßnahmen“ fortzusetzen, wie den Einsatz von Vermittlern und Kontrollen des Ordnungsamts. (fu)