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Unterricht der ZukunftKölner Schule wird landesweites Vorbild für KI-Nutzung

Lesezeit 4 Minuten
Schulleiter Andre Szymkowiak sitzt vor einem Regal, in dem iPads laden.

Schulleiter André Szymkowiak führt das Thusnelda durch das Projekt. Schon jetzt wird dort KI im Unterricht genutzt. Dafür stehen dutzende iPads bereit.

Das Thusnelda Gymnasium nimmt an KI-Pilotprojekt des NRW-Schulministeriums teil. Wie Sprachmodelle dort jetzt schon im Alltag genutzt werden. 

Die Zukunft versteckt sich manchmal an ungeahnten Orten. In diesem Fall tut sie es in einem in die Jahre gekommenen Kölner Schulgebäude. Das Thusnelda Gymnasium in Deutz ist die einzige Schule im Stadtgebiet, die an dem Projekt „Künstliche Intelligenz im Mathematik- und Deutschunterricht“ (siehe Infobox unten) vom NRW-Schulministerium teilnimmt. Als „KI-Pilotschule“ soll sie ein Vorbild sein, an dem andere lernen können. Nur 25   von 133 interessierten Schulen wurden dafür ausgewählt.

„Das wird langfristig alles verändern“, prophezeit Schulleiter André Szymkowiak die Auswirkungen von KI auf den Schulalltag.   Bereits seit zwei Jahren nutze man sie am Thusnelda im Unterricht – mittlerweile fast in allen Fächern. Dabei kommen hauptsächlich zwei eigens für den Schulbetrieb programmierte Sprachmodelle (ähnlich wie ChatGPT) zum Einsatz. Schülerinnen und Schüler können sich darüber Feedback einholen und Lehrkräfte das Deutsch-Niveau von Texten aus Schulbüchern anpassen.

Fest integriert ist KI am Thusnelda noch nicht. Inwiefern sie dort genutzt wird, kommt auf die Lehrkraft an. Das Pilotprojekt solle das hoffentlich ändern, erklärt die Deutsch- und Spanischlehrerin Gaby Kretzschmar. Sie arbeitet für ihren Unterricht in zehnten Klassen regelmäßig mit KI.

Zukünftig führt laut dem Schulleiter des Gymnasiums kein Weg an KI vorbei: „Die Schülerinnen und Schüler nutzen KI so oder so. Wir müssen ihnen beibringen, wie sie das sinnvoll tun können. Wie sie mit der KI zusammenarbeiten, anstatt sie nur als Schummelwerkzeug zu nutzen und dabei das Gehirn abzuschalten.“ Dafür brauche es dringend neue Aufgabenformate.

Eine Frau hält ein Tablett, auf dem die Startseite der Plattform „fobizz“ geöffnet ist.

Die Plattform „fobizz“ wurde für den Lehrbetrieb entwickelt und bietet unter anderem KI-Tools für den Unterricht. Am Thusnelda wird sie auch von angehenden Lehrkräften bereits genutzt.

Wie diese aussehen können, zeigt eine Prüfung   von Kretzschmar. „In einer   Klassenarbeit sollte eine KI-generierte Interpretation eines Songtexts überarbeitet werden. So lernt man, Ideen zu hinterfragen und weiterentwickeln“, erklärt sie.

Für die Lehrerin komme KI auch im normalen Unterricht wie gerufen. „Schülerinnen und Schüler tun sich zunehmend schwer, längere zusammenhängende Texte zu schreiben, sich also mal eine Stunde hinzusetzen und strukturiert einem Gedanken zu folgen.“ Die Feedback-Funktion der Sprachmodelle könne dabei helfen, das zu verbessern. Die Kriterien zur Bewertung kann Kretzschmar individuell einstellen. Schülerinnen und Schülern geben ihre Texte dann selbstständig über Handy oder Tablet ein und erhalten konkrete Tipps.

KI soll für gerechtere Bildung sorgen

„Das ist für mich eine unfassbare Entlastung, weil ich zeitlich sonst nicht allen in diesem Umfang gerecht werden könnte.“ Die KI eröffne ungeahnte Möglichkeiten für Personen, die bisher kaum Rückmeldung bekamen. Dazu zählen jene, die sich aus Angst, verurteilt zu werden, sonst nicht trauen, ihre Texte vorzulegen. Oder jene Jugendliche, die Zuhause keine Hilfe beim Lernen bekommen können.

„Es geht um das Individuum. Und wir müssen herausfinden, wie wir jedes einzelne Kind optimal fördern können“, findet auch der Schulleiter. Dazu trage zudem die Option bei, per KI Texte an das Deutsch-Niveau anzupassen. Das kommt vor allem in Fächern wir Bio zum Einsatz.

„Wir haben hier teilweise Kinder an der Schule, die super schlau sind, aber   nicht gut Deutsch können. Wir müssen als Migrationsgesellschaft von dem hohen Ross runterkommen, dass Bildung bedeutet, auf Muttersprachlerniveau Deutsch zu sprechen“, sagt Szymkowiak.  Auf dem Thusnelda habe rund die Hälfte der Schülerschaft Wurzeln in anderen Ländern.

KI sei kein Allheilmittel, schon gar nicht könne sie Personal ersetzen: „Die persönliche Beziehung zwischen Lehrkraft und Schülerinnen und Schülern bleibt das Wichtigste überhaupt für erfolgreiches Lernen. Menschen sind schließlich keine Automaten, die man mit irgendwas füttert.“

Ein Update der Lehrpläne brauche es trotzdem dringend. „Besonders im Hinblick auf KI wäre es völlig unverantwortlich, das verhindern zu wollen. Unsere Schülerinnen und Schüler werden teils das 22. Jahrhundert erleben. Wenn Sie mal schauen, was in den letzten 20 Jahren passiert ist, was wird dann in den nächsten 80 passieren? Wir müssen junge Menschen darauf vorbereiten.“