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Alkoholfreier KarnevalWie Teens bei der begehrten Party „Kölle Alarm“ mit null Promille feiern

Lesezeit 5 Minuten
Die Funky Marys singen bei der Party Kölle Alarm auf der Bühne.

Die Stimmung bei „Kölle Alarm“ sei so gut wie sonst nirgends, sagt Funky Mary -Sängerin Andrea Schönenborn (Mitte).

Bei der Party im Deutzer Dorint Hotel müssen alle Gäste nüchtern sein. Warum die Feier so beliebt ist und ausgerechnet Ballermann-Star Tim Toupet „Patenonkel“ ist.

Wohin gehen wir an Karneval? Diese Frage bedarf zuweilen einer akribischen Planung. Für Teenager unter 18 ist die Antwort aber meist schnell gefunden. Einfach, weil es nur eine Option zu geben scheint: In Massen zieht es sie an den Karnevalstagen zum Zülpicher Platz. Außer Alkohol zu trinken, steht dort aber wenig auf dem Programm. Rund tausend Teenies erleben am Karnevalsfreitag alljährlich eine Alternative dazu.

Sie feiern auf einer Party im Deutzer Dorint Hotel zu der nur Jecke zwischen 12 und 16 Jahren Zutritt haben – Eltern müssen draußen bleiben. Das Event ist außerdem komplett alkoholfrei. Dort wird nicht nur kein Alkohol ausgeschenkt, die Gäste müssen auch erwiesenermaßen nüchtern sein. Das Security-Personal kontrolliert alle, die den Saal während der Party verlassen, mit einem Atemmessgerät, bevor sie wieder reinkommen.

Die Kölle Alarm-Party war auch dieses Jahr schon Wochen vor dem Karnevalsfreitag ausverkauft.

Die Kölle Alarm-Party war auch dieses Jahr schon Wochen vor dem Karnevalsfreitag ausverkauft.

„Seit 13 Jahren gibt es keine Veranstaltung, die nicht ausverkauft ist“, freut sich Frank Tinzmann. Er ist Präsident und 1. Vorsitzender des gemeinnützigen Vereins „Kölle Alarm e.V.“, der die gleichnamige Party veranstaltet. Das Team setzt sich in Köln unter anderem mit Infoständen und Workshops ganzjährig und ehrenamtlich für Alkoholprävention unter Kindern und Jugendlichen ein. In diesem Jahr wurde der Verein als hospitierendes Mitglied in das Festkomitee Kölner Karneval aufgenommen.

Alkohol sei nicht nur ein fester Bestandteil des Kölner Karnevals, sondern der gesamten Gesellschaft. „Wir wollen und können nichts verbieten. Aber jeder sollte einen bewussten Umgang mit Alkohol entwickeln können“, betont Tinzmann. Auf der Party gibt es deshalb auch einen Infostand, an dem die Gäste unter anderem mit einer Rauschbrille ausprobieren können, wie sich die Sicht unter Alkoholeinfluss verändert. „Das Wichtige ist doch, dass wir nicht den Kindern das Gefühl geben, sie müssen sich betrinken, um Spaß zu haben.“

Für rund 16 Euro inklusive einem Getränk und etwas zu Essen bietet die Party neben DJ-Musik ein Bühnenprogramm mit beliebten Bands. Unter anderem Kasalla, Scharmöör und die Funky Marys treten in diesem Jahr auf. Entscheidend für den Erfolg der Party, sei ein hochkarätiges Programm, das den Jugendlichen etwas bietet, erklärt Tinzmann. Auch die Brauchtumspflege hat sich der Verein auf die Flagge geschrieben. Deshalb kommt jedes Jahr das Dreigestirn vorbei. Auch Kinder- und Jugendtanzgruppen treten auf. So belohne der Verein das Engagement fleißiger Pänz und bringe Partygäste mit Kölner Karnevalskultur in Berührung.

Jugend- und Kindertanzgruppen wird bei „Kölle Alarm“ eine Bühne geboten.

Jugend- und Kindertanzgruppen wird bei „Kölle Alarm“ eine Bühne geboten.

Andere alkoholfreie Partys für Teenies in derselben Altersgruppe gebe es nach Tinzmanns Kenntnisstand in Köln nicht. Das finde er sehr bedauernswert. Denn da es so wenige Angebote für Jugendliche gibt, fehle die Alternative zum stumpfen Trinken, wie zum Beispiel im Kwartier Latäng. Der Vereinspräsident war jahrelang in der Kölner Gastro- und Eventbranche tätig. Er wisse deshalb, wie junge Menschen feiern und dass dabei oft der Rausch im Mittelpunkt stehe. „Ich fand das immer schlimm und bin auch für Alkohol ab 18.“

Dass „Kölle Alarm“ das Dorint Hotel als Partner gewinnen konnte, freue ihn sehr. Nicht nur ist das Budget des ehrenamtlichen Vereins begrenzt. Alkoholfreie Formate für Jugendliche seien zudem tendenziell schwerer unterzukriegen – besonders an den Karnevalstagen. Auf das Geld zu verzichten, das der Verkauf von Bier im Gegensatz zu Limo einbringt, sei verständlicherweise nicht für alle eine Option.

Alkoholfreie Party: Ballermann-Star Tim Toupet ist „Patenonkel“

Prominente Kölner Gesichter unterstützen die Party. Schlagerstar Tim Toupet und die Band Funky Marys engagieren sich als „Patenonkel“ und „Patentanten“. Tim Toupet ist seit 20 Jahren am Ballermann praktisch zuhause und macht mit Liedern wie „Der Bieraktivist“ deutschlandweit Karriere. In seinen Texten feiert er vor allem den Alkohol. Seiner Rolle als „Kölle Alarm“-Pate widerspreche das nicht. „Getrunken wird überall“, sagt er.

Umso wichtiger sei es, Jugendlichen einen vernünftigen Umgang mit Alkohol beizubringen. Der Kölner sei bei seinen Auftritten nüchtern und trinke auch zu Hause nicht. Er habe einen siebenjährigen und einen fast 18-jährigen Sohn. „Ich möchte, dass meine Kinder Alkohol nicht an der Kaufland-Ecke draußen mit einer Flasche Wodka kennenlernen, sondern dass man mit ihnen darüber spricht. Ich finde es gut, das Thema nicht zu tabuisieren.“ Auch dafür stehe „Kölle Alarm“.

Der Zülpicher Platz ist an Weiberfastnacht wesentlich schlimmer als der Ballermann.
Kölner Schlagerstar Tim Toupet

Aber für den Schlagerstar gibt es Grenzen: „Der Zülpicher Platz ist an Weiberfastnacht wesentlich schlimmer als der Ballermann.“ Allein, weil es dort keine Alterskontrolle gibt. Von Karneval sei das mittlerweile zu weit entfernt. „Kölle Alarm“ leiste vorbildliche Arbeit. „Ich bin im Ringelhemd aufgewachsen und habe Karneval im Blut. Damit solche Traditionen weiterhin gelebt werden, muss man viel mehr für die junge Generation tun.“

Außergewöhnlich gut sei an der „Kölle Alarm“-Party auch die ausgelassene Stimmung. Das findet auch Andrea Schönenborn, die bei den Funky Marys singt. „Wir hatten schon tausende Auftritte, aber so ein lautes und positives Publikum erleben wir sonst nirgendwo. Die Stimmung ist unvergleichlich“, erzählt sie mit Vorfreude auf ihren diesjährigen Auftritt. Schönenborn ist sich sicher: „Karneval ist gelebte Tradition, und davon ist Alkohol kein fester Bestandteil. Eigentlich bräuchte man den Alkohol gar nicht.“

Das scheinen auch Jecke außerhalb Köln so zu sehen. Ein Veranstalter in Hennef bietet deshalb eine Feier mit dem Konzept von „Kölle Alarm“ an. In Düsseldorf gibt es sogar eine offizielle Co-Veranstaltung unter der Schirmherrschaft des Kölner Vereins. „Das zeigt, was für ein großer Bedarf da ist“, sagt Tinzmann.