Völlig unvermittelt habe sie die Entscheidung getroffen, so die Sprecherin der Kölner Schausteller. „Wir sollen die Kirmes nicht mehr ausrichten. Und werden uns wehren.“
Kölner Schausteller geschocktDeutzer Kirmes „nach 50 Jahren an anderen Ausrichter vergeben“
Großes Entsetzen herrscht unter den Mitgliedern der Gesellschaft Kölner Schausteller (GKS). „Wir werden das Volksfest auf der Deutzer Werft im Jahr 2024 nicht mehr ausrichten. Den Zuschlag hat ein privater Veranstalter bekommen. Das haben uns zwei Mitarbeitende des Kölner Ordungsamtes jetzt mitgeteilt“, sagt GKS-Vorsitzende Tanja Hoffmann. Die GKS habe das Volksfest seit mehr als 50 Jahren ausgerichtet. Zunächst auf dem Gelände der heutigen Lanxess-Arena, seit 1996 auf der Deutzer Werft.
„Bis heute haben wir eine halbe Million Euro investiert, um das Areal als Veranstaltungsplatz zu erschließen“, schildert Hoffmann. „Wir haben die alten Schienen entfernt, Wasser und Stromanschlüsse unterirdisch verlegt, den Platz geteert, die Kaimauer saniert und Verteilerkästen aufgestellt. 130 der 150 Mitglieder unserer Genossenschaft sind Kölner Familien, die hier ihre Steuern zahlen. Für sie sind die Volksfeste auf der Deutzer Werft eine entscheidende Einnahmequelle. Viele von ihnen werden demnächst Bürgergeld beantragen müssen.“
Deutzer Kirmes: Enge Kooperation mit Stadt und Anwohnern
Auch habe man in den vergangenen Jahren ständig Verbesserungen ins Sache Lärmschutz, Verkehrslenkung und Sauberkeit in Kooperation mit der Stadt und den Anwohnern durchgeführt und aus eigenen Mitteln finanziert. „Im Frühling hat es überhaupt keine Beanstandungen seitens der Stadt gegeben“, sagt Hoffmann. Die Situation der Schausteller sei nach den beiden Corona-Jahren schon sehr schwierig gewesen, und in diesem Frühjahr seien dann noch die Beschränkung von 26 auf 18 Kirmestage im Jahr und verkürzte Öffnungszeiten wegen einer geringen Überschreitung der Lärmgrenzwerte hinzugekommen.
Raser und Parksuchverkehr erfolgreich verhindert
„Was die Stadt macht, ist völlig grotesk. Wir arbeiten seit vielen Jahren zusammen mit ihr und den Anwohnenden daran, die Beeinträchtigungen für die Menschen im Veedel so gering wie möglich zu halten, damit die Deutzer Kirmes weiter im Herzen Kölns gefeiert werden kann“, sagt Hoffmann fassungslos. Nach Beschwerden über Raser auf der Siegburger Straße und Verschmutzung durch Fäkalien in den Anliegerstraßen hatte die GKS mit dem Ordnungsamt eine Absperrung des Veedels an den Kirmestagen konzipiert. Anwohnende dürfen rein und raus, Besucher werden auf die Arenaparkplätze verweisen.
„Die Personalkosten tragen wir, ebenso die für das Sicherheitspersonal auf der Kirmes, das verstärkt wurde, als es bei der ersten Kirmes im Frühjahr 2022 einen unerwartet großen Andrang gegeben hatte. Bei der Frühjahrkirmes 2023 hat allein das Sicherheitspersonal 93.000 Euro gekostet“, so Hoffmann. Mit einer ähnlichen Summe rechne man bei der Herbstkirmes, die gerade aufgebaut wird und am Samstag beginnt.
Für die Kirmesveranstaltung 2024 habe es erstmals zwei Bewerber gegeben, teilte die Stadt auf Anfrage mit. Weil gegen die Vergabeentscheidung bis 7. November Rechtsmittel eingelegt werden können, erteilt die Stadt erst am 8. November Auskunft darüber, wer die Kölner Kirmes im kommenden Jahr ausrichten wird.
„Wir haben am 7. Oktober ein Schreiben der Stadt bekommen, in dem wir aufgefordert wurden, eine Umweltschäden-Versicherung nachzuweisen. Die ist in unserer Sachschäden-Versicherung enthalten; die schriftliche Bestätigung unseres Versicherers haben wir an die Stadt weitergeleitet, mit einer ausgewiesenen Versicherungssumme von fünf statt der geforderten drei Millionen Euro“, schildert Hoffman. Danach habe man nichts mehr gehört. Bis man uns Ende vergangener Woche erfahren habe, dass man die Kirmes nicht ausrichten werde. „Bitter ist für uns auch, dass wir sämtliche Schutzkonzepte sehr zeitaufwändig erarbeitet und quasi abrufbar gemacht haben und der neue Betreiber nur versichern muss, sie umzusetzen.“
„Wir haben mit der GKS über die Jahre gute Erfahrung gemacht. Sie waren immer ansprechbar und haben bei Bedarf auch schnell nachgebessert“, bestätigt Daniel Wolff, Vorsitzender der IG Deutz. „Ein paar Jahre haben wir schon gebraucht, um uns zusammenzuraufen, aber mit dem neuen GKS-Vorstand arbeiten wir schon seit längerem gut zusammen. Wir haben Verständnis für unsere wechselseitigen Belange“, sagt Norbert Monßen von der Bürgerinitiative Deutzer Werft. Die GKS habe als Kölner Unternehmen ihren Firmensitz auf der Deutzer Werft und sei nah dran am Veedel. „Wir sind schon irritiert, dass jetzt, wo es endlich gut läuft jemand anders kommen soll. Von dem wir ja nicht wissen, ob er die Auflagen genauso gut umsetzt oder mehr auf seinen Geldbeutel guckt. Dann ginge alles wieder von vorne los.“
„Das ist so, als würden man der Willi-Ostermann-Gesellschaft sagen, jetzt vergeben wir die Karnevalseröffnung auf dem Heumarkt am ElftenElften mal an einen Düsseldorfer Verein“, so Markus Vogt, Mitglied des Bündnis Innenstadt. Die GKS habe die Veranstaltungen Deutzer Frühlingsfest und Deutzer Herbstkirmes über Jahrzehnte etabliert und auf die Bezeichnungen Markenschutz. „Der Platz gehört zwar der Stadt, ist aber von der GKS aufwändig saniert worden, so dass dort die Kirmes überhaupt stattfinden kann“, sagt Vogt.
Für den Zeitraum ab 2025 bis 2029 wird ein öffentliches Ausschreibungsverfahren für die Kirmes durchgeführt, das derzeit in Vorbereitung sei, teilte die Stadt mit. Die Qualitätskriterien und Mindestanforderungen an die Veranstaltung werden aktuell erarbeitet. Diese orientieren sich am Ausschreibungsverfahren für die vier großen Weihnachtsmärkte am Dom, in der Altstadt sowie auf dem Neumarkt und Rudolfplatz.
Demonstration vor dem Rathaus geplant
Jetzt wollen die Schausteller der GKS mit einer Demo gegen die ihnen mitgeteilte Fremdvergabe protestieren. Sie wird am Montag, 13. November, von 16.30 bis 18.30 Uhr auf dem Theo-Burauen-Platz stattfinden. Zudem wollen die Schausteller auch bei Oberbürgermeisterin Henriette vorsprechen. „Wenn es bei der Entscheidung bleibt, werden wir dagegen klagen“, kündigt Hoffmann an. „Denn viele Kölner Schaustellerfamilien würden dann ihre Lebensgrundlage verlieren.“