Protokollchef, VIP-Betreuerin oder Bodenschwärzer: Im Messegeschäft müssen viele Räder ineinander greifen.
100-jähriges BestehenDas sind die Gesichter der Kölner Messe
Im dritten Teil unserer Serie „100 Jahre Kölner Messe“ stellen wir Menschen mit ungewöhnlichen Berufen vor Ob Protokollchef, VIP-Betreuerin oder Bodenschwärzer: Im Messegeschäft müssen viele Räder ineinander greifen
Der Protokollchef
Ulrich Wöster ist Leiter des Protokoll-Teams. Wenn die Geschäftsführung Schreiben verschickt, zum Abendessen lädt oder Reden hält, überlässt er nichts dem Zufall. Der 52-Jährige soll sicherstellen, dass sich die Messe stets von ihrer besten Seite zeigt und nationale, sowie internationale Verbindungen angemessen pflegt. „Wir kümmern uns dann um den Ablauf der Veranstaltung, weil es dort protokollarische Grundrichtlinien gibt, wie so was zu erfolgen hat“, erklärt er.
Schon die Begrüßung der Gäste ist Teil des Ablaufplans. „Da gilt immer vom Ranghöchsten zum weniger hohen Rang“. Auch das, was beim Dinner auf den Tisch kommt, ob die Tischdecke richtig liegt und Wasser am Rednerpult steht, hat Wösters Team im Blick. „Das Schlimmste, was passieren könnte, wäre, dass ein hochrangiger Staatsgast vorzeitig abreisen würde. Das könnte mitunter natürlich auch wirtschaftliche Nachteile mit sich bringen.“
Regeln über Regeln. Die würden jedoch teilweise immer lockerer, vor allem bei den jüngeren Generationen. „Dieses ‚Ich bin prominent‘ oder ‚Ich bin wichtig‘ stirbt langsam aus und man will zwanglos und unkompliziert erscheinen. Selbst wenn ein Herr Wüst zu uns kommt, ist er meistens ohne Krawatte hier.“ Was im Endeffekt zähle sei, dass der gegenseitige Respekt unter den Menschen vorhanden ist. „Selbst wenn dann mal eine Hand zu früh oder zu spät zum Gruße ausgestreckt wird, ist das heutzutage alles verzeihlich.“
Die Internationale
Marie Tillmann ist Referentin im Beteiligungsmanagement International. Sie bildet die „Brücke“ zwischen dem Haupthaus in Köln und den elf Tochtergesellschaften der Messe im Ausland. Darunter so klingende Namen wie Mumbai in Indien, Bogota in Kolumbien oder Singapur. Aber auch in den USA, Brasilien, Japan, Thailand und Italien ist die Kölnmesse vertreten – und rechnet man Hongkong dazu, gleich drei Mal in China.
„Wir verbinden Kulturen“, sagt sie. Damit das funktioniert, ist Marie Tillmann in ständigem Kontakt mit den Teams rund um die Welt – was ein exaktes Zeitmanagement voraussetzt. Man will schließlich nicht nachts um drei die Kolleginnen und Kollegen in Brasilien aus dem Bett klingeln. Die Konversation läuft größtenteils per Video-Call, auch wenn Tillmann die allermeisten Länder aus eigener Anschauung kennt. „Jeder hat seine eigenen Talente und Art und Weisen, mit Dingen umzugehen. Wir können sehr viel gegenseitig lernen“, sagt sie.
So sieht eine Anuga in Thailand denn auch etwas anders aus als hierzulande: „Bunt, groß und extrem professionell“ sind die ersten Attribute, die ihr einfallen. Und überall laufen Maskottchen herum, auch etwas, an das man sich erst mal gewöhnen muss. Marie Tillmann koordiniert, vernetzt, hilft und plant. Und hat natürlich den direkten Draht zur Geschäftsleitung, etwa wenn es um Finanzen oder strategische Entscheidungen geht. Das alles zum ganz überwiegenden Teil auf Business-Englisch.
Der Bodenschwärzer
Patrick Zeidler und sein Team bringen die Böden der Messehallen mit satter, schwarzer Farbe wieder zum Glänzen. Vor jeder Messe sorgt die Firma Merbeck dafür, dass die Spuren der vorausgehenden Ab- und Aufbauarbeiten verschwinden. Denn die lassen unzählige Kratzer auf dem Boden zurück. Wenn alle neuen Stände einer Messe aufgebaut sind, machen sich die Bodenschwärzer ans Werk und die Gänge bekommen einen frischen Anstrich. „Im Schnitt brauchen wir pro Halle 130 Liter“, erklärt Zeidler.
Bodenschwärzen ist Handarbeit. Mit einem handelsüblichen Wischer verteilt das Team die Farbe. Dabei ist Konzentration gefragt, denn die Gänge sollen später ebenmäßig glänzen. Die Schwärze wird aus einem Plastikkanistern auf den Boden geschüttet, mit dem ein Kollege vor dem Wischer herläuft. „Das Auftragen der Schwärze ist anstrengender als das Verteilen, weil der Kanister sehr schwer ist“, erklärt der 30-Jährige. Rund 13 Kilo wiegen die Behälter.
Hinzu kommt der Zeitdruck: Weil der Plan eng getaktet ist, hat das Team oft nur zwei Stunden Zeit. Damit das klappt, arbeiten rund 20 Personen gleichzeitig am Schwärzen einer Halle. Wer patzt, muss schnell reagieren, denn der Anstrich ist der allerletzte Arbeitsschritt, bevor die Gäste in die Halle strömen. Die Stände stehen dann bereits komplett. Wenn Farbe daneben geht, muss schnell reagiert werden, bevor das Worst-Case-Szenario eintritt und kurzfristig ein Teppich ausgetauscht werden muss.
Die VIP-Betreuerin
Anne Scherer betreut Kunstsammlerinnen und Kunstsammler, die auf der Messe „Art Cologne“ nach neuen Schätzen suchen. Teils für Beträge in Millionenhöhe kaufen Gäste während ihres Besuchs Kunstwerke ein. Die gesamte Kunst auf der „Art Cologne“ ist auf Qualität und Echtheit geprüft. Damit diese Gäste sich besonders wohlfühlen, gibt es die VIP-Betreuung unter der Leitung von Scherer. Das Team stellt ein Rahmenprogramm zusammen.
Darunter Übernachtungen in Luxushotels wie dem Excelsior, Dinner, Champagnerempfang oder Touren durch exklusive Ateliers und Sammlungen in Museen. „Oftmals sind sie erstaunlich uneitel und nicht direkt erkennbar“, sagt die 46-Jährige über ihre Gäste. Viele von ihnen hätten klassische Berufe, seien beispielsweise Ärzte, Unternehmensberater oder Unternehmer.
„Manche Kunstsammler fahren mit einem Golf. Sichtbare Statussymbole sind ihnen nicht so wichtig. Für viele Kunstsammlerinnen und Kunstsammler ist der Kauf von Kunst kein Konsum, sondern eine Priorität, die einen tiefergehenden Sinn erfüllt.“ Kunstsammeln habe sehr viel mit Kultur, Werten und gesellschaftlicher Verantwortung zu tun. Die Sammlung werden oft über Jahre aufgebaut.
„Sammlerinnen und Sammler kaufen unter anderem deshalb gerne auf Kunstmessen, weil sie dort einen Querschnitt des aktuellen Kunstmarktes an einem Ort vorfinden und weil sie dort allen wichtigen Protagonisten der Kulturlandschaft begegnen.“ Scherer spricht aus Erfahrung: Sie ist selbst Sammlerin.
Der Wächter
Michael Hechler ist Wachhabender in der Messewache Nord. Gemeinsam mit vier Kollegen vom Sicherheitsdienst W.I.S. wacht er über das gesamte Gelände, den Auf- und Abbau sowie natürlich über das Messegeschehen selbst. 24 Stunden, sieben Tage die Woche. Als Assistenz der Einsatzleitung bekommt er es mit so ziemlich allem zu tun, was an technischen und gelegentlich auch an menschlichen Problemen so anfällt.
Sind nicht gerade Messetage, fällt neben dem Wachdienst viel Büroarbeit an. Dienstplanung, Vorbereitung für die nächsten Veranstaltungen, Schreibtisch-Routine. An Auf- und Abbautagen ist dann schon mehr los. „Wo immer etwas gerade nicht läuft, die Menschen kommen zu uns“, sagt er lachend. Auch wenn sie gar nicht zuständig sind: Kein Strom am Stand – die Monteure fragen in der Wache nach. Probleme mit der Zufahrt – am besten in der Wache nachfragen. Richtig bunt geht es dann an den Messetagen selbst zu. Die Wache wird zum Fundbüro, zum Einsatz- und Kommunikationszentrum.
Der Sicherheitsdienst leitet Besucherströme, lotsen VIPs in die Hallen oder weisen auch mal Besucher ohne gültige Tickets ab. „Das Schönste sind die strahlenden Augen, wenn ich jemandem seine verloren geglaubte Tasche aushändigen kann, manchmal mit Flugtickets oder voller Börse darin“, sagt Hechler. Und die weniger schönen Seiten? Die gibt es manchmal auch, meint der Wachmann gelassen. Aber darüber will er gar nicht so viele Worte verlieren.