AboAbonnieren

„Recht auf Stadt“Wohnhaus in Kölner Innenstadt zu Brutstätte für Tauben geworden – Protest gegen Leerstand

Lesezeit 3 Minuten
Leerstehendes Haus Weyerstraße 49

Das Haus an der Weyerstraße 49 steht bereits seit 19 Jahren leer.

Die Initiative „Recht auf Stadt“ protestiert gegen das 19-jährige Leerstehen eines Hauses in Köln, das nun von Tauben bewohnt wird und die Nachbarn beunruhigt.

Gekleidet so bunt wie ein Paradiesvogel hat sich der Aktivist Kalle Gerigk vor dem Haus der Weyerstraße 49 in der Nähe des Barbarossaplatzes positioniert und ein passendes Lied gesungen. Angelehnt an die Arie „Der Vogelfänger bin ich ja“ aus Mozarts „Zauberflöte“ stimmte er dort seinen Song „der Taubenfänger“ an. Denn das Haus ist ausschließlich von Vögeln bewohnt, sonst steht es leer, seit 19 Jahren.

Mit der Aktion machten Gerigk und seine Initiative „Recht auf Stadt“ auf den Leer- und Missstand aufmerksam. Das ehemalige Wohngebäude hat sich vom Wohnort in den vergangenen Jahren zu einer Brutstätte für Tauben entwickelt. „Die Nachbarn sind beunruhigt“, sagt Gerigk. „Sie befürchten, dass es eine Gefahr für ihre Gesundheit darstellt.“ Sein Anliegen ist aber vor allem eines: Angesichts der vielen Menschen, die in der Stadt verzweifelt eine Wohnung suchen, sei der Leerstand von Wohnhäusern nicht akzeptabel. So lautet seine Forderung „Tauben raus, Menschen rein!“

„Recht auf Stadt“ setzt sich für Menschen mit Wohnungsproblemen ein

Gerigk hat selbst Erfahrung mit dem Verlust der eigenen Wohnung und der Schwierigkeit, in der Stadt eine neue Bleibe zu finden. Er hat selbst vor Jahren nach einer Eigenbedarfsklage eine Zwangsräumung über sich ergehen lassen. Er blieb in seiner Wohnung, weil der Eigenbedarf seiner Vermieter nicht glaubwürdig war – unterstützt von der zu diesem Zweck gegründeten Initiative „Alle für Kalle“.

Seitdem hat er das Motto umgekehrt: Unter dem Slogan „Kalle für alle“ setzt er sich mit seiner eigenen Organisation „Recht auf Stadt“ für Menschen mit Wohnungsproblemen ein – und demonstriert immer wieder vor leerstehenden Wohngebäuden.

Dem Eigentümer des Wohnhaues an der Weyerstraße 49 habe er einen Brief geschrieben und ihn gefragt, warum es nun bereits so lange unbewohnt ist. Der Brief sei unbeantwortet geblieben. Dabei untersagt seit 2014 die Wohnraumschutzsatzung in Köln, Wohngebäude zweckzuentfremden, sie beispielsweise leer stehen zu lassen.

Ein Leerstand kann von der Behörde mit einer Geldbuße von bis zu 50.000 Euro pro Wohneinheit geahndet werden. Allerdings: Als Wohnraum gilt laut der Satzung nur solcher, der vor ihrem Erlass zu Wohnzwecken diente. Das Gebäude an der Weyerstraße 49 stand aber bereits vorher leer. In einem solchen Fall ist es für das Wohnungsamt oft schwierig, gegen den Leerstand vorzugehen.

Bauarbeiten mit fehlender Baugenehmigung

Die Stadtverwaltung hat aber dennoch gegen den Eigentümer ein Verfahren angestrengt, und zwar aus einem anderen Grund: „Im Gebäude wurden in 2015 ungenehmigte Bauarbeiten im Hausinneren festgestellt“, schreibt Katja Reuter, Sprecherin der Stadt. Sie seien für die Statik des Gebäudes relevant und hätten daher einer Baugenehmigung bedurft. „Daher wurden diese Arbeiten vom Bauaufsichtsamt untersagt“, so Reuter.

In der nachfolgenden Zeit sei vom Eigentümer geplant gewesen, einen Bauantrag zu stellen. Er sei aber nach zwei Jahren immer noch nicht erfolgt. Weil das Gebäude unter Denkmalschutz steht, habe die Verwaltung das Amt für Denkmalschutz und Denkmalpflege für eine Fachprüfung eingeschaltet.

„Durch die Umstrukturierung der Abteilung konnte die baurechtliche Stilllegung leider erst wieder in 2023 in den Fokus genommen werden“, so Reuter. Das Bauaufsichtsamt könne allerdings einen Bauantrag nicht einfordern.

Es seien gegen den Eigentümer aber zwei Ordnungsverfahren eröffnet worden: Darin gehe es um die Beseitigung von zwei Schadstellen an der Decke im ersten Obergeschoss sowie um den Nachweis der dauerhaften Sicherheit der gesamten Deckenkonstruktion.

Auf die Ordnungsverfügung habe der Eigentümer nicht reagiert. Es seien Zwangsgelder angeordnet worden, die mittlerweile vollstreckt würden. Im Haus befinde sich immer noch eine Baustelle und das Wohnungsamt sei noch nicht handlungsbefugt.

Es bleibt somit eine Hoffnung: Wenn der Eigentümer sich nun zwangsweise mit seinem Haus befasst, werden irgendwann vielleicht statt Tauben wieder Menschen an der Weyerstraße 49 wohnen.


Leerstand in Köln

Laut der statischen Erhebung des Zensus standen in Köln im Jahr 2022 folgende Anzahl von Wohnungen aus folgenden Gründen leer:

  1. Von 568.746 Wohnungen in der Stadt standen leer: 14.233
  2. Wohnungen, die innerhalb von drei Monaten für den Bezug verfügbar sind: 6886
  3. Wohnungen, die bereits zwölf Monate oder länger leerstehen: 5174
  4. Leerstand wegen laufender oder geplanter Bauarbeiten: 4049
  5. Wohnungen, die vor einem geplanten Abriss oder Rückbau leerstehen: 770
  6. Leerstand wegen eines Verkaufs des Gebäudes oder der Wohnung: 742
  7. Leerstand von Wohnungen, die künftige selbst genutzt werden sollen: 393
  8. Wohnungen, die aus sonstigen Gründen leerstehen: 1395